Demgegenüber steht der Transmissionsansatz: Nach diesem werden Bevölkerungsgruppen priorisiert, die besonders dazu beitragen, dass sich die Infektionen ausbreiten. So könnte dann das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung insgesamt unterbunden werden und gleichzeitig die Risikogruppen auf indirektem Wege geschützt werden. Allerdings ist dieser Ansatz mit deutlich mehr Unsicherheit verbunden: Der Impfstoff muss in dem Fall gegen die Infektion wirken, nicht nur gegen die Erkrankung, er muss von der Bevölkerung breit angenommen werden und es muss geklärt sein, wo tatsächlich die Infektionen mehrheitlich stattfinden. „Je effektiver der Impfstoff, desto größer sind auch die indirekten Effekte einer Impfstrategie und desto sinnvoller wäre es auch, nicht nur die Risikogruppen zu impfen, sondern auch Personen, die besonders zur Übertragung beitragen”, so Karch.
Solange allerdings die wesentlichen Erkenntnisse zur Effektivität der Impfstoffe fehlen, lässt sich die Frage einer empfohlenen Priorisierung nur theoretisch beantworten. Mathematische Modelle versuchen anhand bereits verfügbarer Daten und bestimmbarer Parameter, die Verteilungsfrage zu optimieren. „Damit kann in verschiedenen Szenarien simuliert werden, wie eine Impfstrategie aufgebaut sein müsste und welche Priorisierung sinnvoller erscheint”, so Rath. Bereits im August erhielt ein erstes von US-Wissenschaftlern veröffentlichtes Transmissionsmodell viel Aufmerksamkeit. Dieses kam, ähnlich wie auch das aktuelle Modell des Imperial College London, zu dem Ergebnis, dass es bei einer geringeren Wirksamkeit des Impfstoffes optimal sei, zunächst ältere Altersgruppen zu impfen. Bei einer höheren Wirksamkeit des Impfstoffs hingegen sollten nach dem Modell zuerst jüngere Altersgruppen geimpft werden. Also jene Gruppen, die das Virus in besonderem Maße verbreiten.