Gibt es Fälle, in denen Sie sagen: Der Test ist sinnvoll?
Ja, und zwar dann, wenn sich in Voruntersuchungen klar herausgestellt hat, dass ein Verdacht auf eine Trisomie besteht und der Test der Schwangeren wirklich eine bessere Entscheidungsgrundlage dafür bietet, ob sie eine invasive Untersuchung durchführen lässt, die ja mit einem Fehlgeburtsrisiko assoziiert ist. Die ganz überwiegende Zahl an Tests sorgt aber für Verunsicherung, nicht für Klarheit.
Warum?
Wenn der NIPT in der Breite und ohne Verdachtsmomente auf chromosomale Veränderungen eingesetzt wird, dann verunsichert dies Frauen vor allem, weil es eine so hohe falsch positiv-Rate bei seltenen Störungen gibt. Das trägt mitnichten zu einer freieren Entscheidung bei. Frauen werden dann unter Umständen eine invasive Untersuchung machen lassen, die sie eigentlich gerade hatten vermeiden wollen. Denn der Test errechnet ja nur Wahrscheinlichkeiten. Durch falsche Aussagen über die Zuverlässigkeit der Tests wird Sicherheit suggeriert, die sich in der Realität als Schimäre entpuppt.
Wie häufig sind denn genetisch bedingte Beeinträchtigung tatsächlich?
Nur bei drei bis vier Prozent aller Schwangerschaften gibt es genetisch bedingte Beeinträchtigungen oder Behinderungen. Das ist ein ganz, ganz kleiner Prozentsatz. Nach diesen drei bis vier Prozent suchen wir mit einem riesigen Apparat an Medizin und einer Diagnostikspirale der Pharma- und Testindustrie. Das steht in keinem Verhältnis.
Welche Auswirkungen hat die Inanspruchnahme der Tests auf uns als Gesellschaft und für Menschen mit Behinderungen, die es in dieser Logik ja nicht geben soll?
Wenn ein Staat eine offensive Screeningpolitik unterstützt und Tests von der Solidargemeinschaft finanziert werden – wie das der Fall ist, wenn Krankenkassen Kosten übernehmen – dann setzt der Staat damit ganz klar eine Botschaft. Nämlich: Wir haben ein Interesse daran, dass möglichst viele Frauen die Tests nutzen. Auch mit der Konsequenz, dass Frauen – wenn sie dieses Wissen haben – ein Kind nicht auf die Welt kommen lassen.