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„Das Ganze ist ein Problem in unseren Köpfen.“

Ein Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Christian Bauckhage

Welchen Einfluss haben Soziale Medien auf unsere Meinungsbildung?

Die sozialen Medien haben einen großen Einfluss auf unsere Meinungsbildung. Wir leben in einer neuen Zeit – bis noch vor 10 Jahren waren die traditionellen Medien die Torwächter der Nachrichtenwelt. Es gab und gibt immer noch Nachrichtenagenturen, es gibt Zeitungen, Fernseh- und Radiosender, die die Meldungen, die über die Nachrichtenagenturen kommen „vorfiltern“ und dann weitergeben. Durch das Aufkommen der sozialen Medien hat jedoch ein neuer Mechanismus eingesetzt. Heutzutage kann jeder Nachrichten erzeugen und weitergeben. Es gibt keinen Filter mehr und das führt dazu, dass wir als Gesellschaft nun erst einmal lernen müssen, wie damit umzugehen ist, dass Nachrichten nichts Exklusives mehr sind.

„Woran soll man erkennen, ob das Gegenüber ein Mensch ist oder nicht, wenn man den anderen nicht sehen kann und die Kommunikation nur über das Internet stattfindet?“

Wie erkennt man einen Social Bot?

Unmittelbar gar nicht. Diese Bots sind mittlerweile sehr gut gemacht und sehr clever programmiert. Man muss sich schon lange Zeit mit einem Bot unterhalten, um Ungereimtheiten im Gespräch oder der Art der Kommunikation zu bemerken. Es könnte zum Beispiel passieren, dass ein Bot Phrasen immer wiederholt oder bei Fragen ausweicht. Aber unmittelbar, also bei der direkten ersten Ansprache, merkt man nicht, ob man es mit einem Bot oder mit einem Menschen zu tun hat. Die Software kann inzwischen Kommunikation und Gesprächssituationen sehr gut simulieren. Woran soll man also erkennen, ob das Gegenüber ein Mensch ist oder nicht, wenn man den anderen nicht sehen kann und die Kommunikation nur über das Internet stattfindet? An den Inhalten des Gesprächs ist das nicht festzumachen, über dieses Stadium sind die heutigen Bots längst hinaus.

Besteht die Gefahr, dass Social Bots auf die Bundestagswahl 2017 Einfluss nehmen könnten?

Ich kann mir schon vorstellen, dass diese Gefahr da ist. Seit verstanden wurde, dass man irgendwo irgendwelche Nachrichten irgendwie posten und darauf hoffen kann, dass sie größere Kreise ziehen, gibt es natürlich Leute, die das ausnutzen. Daher kann man auf gar keinen Fall ausschließen, dass Bots einen Einfluss auf die Bundestagswahl nehmen könnten. Darüber, ob dieser Einfluss gefährlich ist und wenn ja, wie gefährlich er ist, kann man allerdings nur spekulieren.

Gibt es Gegenmaßnahmen der Politik, die Sie für sinnvoll halten?

Ich halte es nicht für sinnvoll, die Problematik politisch anzugehen. Das würde zu Zensur führen. Deshalb stehe ich den verschiedenen Gesetzentwürfen, über die in letzter Zeit diskutiert wird, sehr kritisch gegenüber. Es ist nahezu lächerlich, den Menschen da aus der Verantwortung zu nehmen.

„Die Menschen verhalten sich zurzeit im Internet noch sehr naiv und impulsiv.“

Was muss sich im Umgang mit Social Bots ändern?

Das Ganze ist ein Problem in unseren Köpfen. Die Situation, in der wir uns befinden, lässt sich mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichen. Bevor er erfunden wurde, war alles, was schriftlich festgehalten war, per Definition offiziell und richtig, denn nur wichtige Persönlichkeiten wie Könige und Bischöfe konnten schreiben oder sich einen Schreiber leisten. Dann kam der Buchdruck und plötzlich war es unglaublich einfach, schriftliche Dokumente zu verfassen. Die Gesellschaft hat hundert Jahre gebraucht, bis die Menschen verstanden haben, dass Inhalte nun nicht mehr wahr oder offiziell waren, nur weil sie schriftlich vorlagen. In einer ähnlichen Situation befinden wir uns heute: Jeder kann über Twitter oder Facebook etwas verbreiten, jeder könnte eine Nachrichtenseite ins Internet stellen. Die Menschen verhalten sich zurzeit im Internet noch sehr naiv und impulsiv; es wird wenig hinterfragt und reflektiert. Die Gesellschaft wird jetzt einfach Zeit brauchen, bis wir insgesamt begriffen haben: Nur weil etwas im Internet steht, bedeutet das nicht, dass es richtig ist. Das ist in erster Linie ein Problem von Medienkompetenz, das pädagogisch gelöst werden muss.
Was wir außerdem dringend brauchen, ist eine offenere Debatte zu dem ganzen Thema. Wir brauchen ein Bewusstsein dafür, was heutzutage möglich ist und wo unsere persönliche Verantwortung liegt.

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Christian Bauckhage ist Professor für Informatik an der Universität Bonn und Lead Scientist für maschinelles Lernen am Fraunhofer Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS). In seiner Forschung beschäftigt er sich mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen und berät schon seit Jahren Politik, Industrie und Wirtschaft zu diesen Themen.

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