„Wer arm ist, bleibt arm”, so die Zusammenfassung über den sechsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, als dieser im Frühjahr 2021 vorgestellt wurde. Und mehr noch: Die Aufstiegschancen in Deutschland haben sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Während Ende der 1980er Jahre noch 60 Prozent der von Armut betroffenen Menschen innerhalb von fünf Jahren einen Aufstieg schafften, so sind es heute nur noch 30 Prozent, so der Bericht.
Solche Zahlen beschreiben die sogenannte soziale Mobilität in einer Gesellschaft, also wie viele Menschen sich im Laufe ihres Lebens zwischen den sozio-ökonomischen Schichten einer Gesellschaft bewegen – oder wie viele Kinder aus armen Familien noch als Erwachsene in Armut leben. Sozial ist Armut ungleich verteilt: Arbeitslose, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Familien mit mehr als drei Kindern sind deutlich häufiger von Armut betroffen als andere Personengruppen.
Die Psychologin Dr. Irina Volf vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS e. V.) nennt die Zahlen aus dem sechsten Armuts- und Reichtumsbericht eine Verfestigung von Armut und findet sie „sehr erschütternd, aber nicht sehr überraschend”. Im Auftrag der AWO leitet Volf die „AWO-ISS-Langzeitstudie zu (Langzeit-)Folgen der Kinder- und Jugendarmut im Lebensverlauf”. Seit 1999 werden in der Studie 893 Kinder ab dem sechsten Lebensjahr begleitet und im Alter von 10, 16 und 25 Jahren auch persönlich befragt, um Auswirkungen von familiärer Einkommensarmut festzustellen und mitzuverfolgen, wie sich ihre Lebenslagen in unterschiedlichen Phasen entwickelten. So haben die Forschenden die Armutserfahrungen und die Armutsverläufe der Kinder und Jugendlichen in entscheidenden Übergangsphasen beobachten können, etwa beim Übergang zur weiterführenden Schule oder beim Eintritt ins junge Erwachsenenalter, in Ausbildung oder die eigenen Berufstätigkeit.