Beide Forschende halten es für sinnvoll, eine neue Bedarfserhebung zu machen, um herauszufinden, wie viel Geld Kinder und Jugendliche tatsächlich benötigen, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Anette Stein schlägt dazu zwei Schritte vor: „Erstens sollten wir Kinder und Jugendliche selbst fragen, was für sie zu einem guten Leben dazu gehört, was sie brauchen und wann Armut und Ausgrenzung beginnt. Wenn es uns damit ernst ist, dass alle Kinder gut aufwachsen und teilhaben können sollen, dann müssen wir uns an dem orientieren, was zu einer ,normalen’ Kindheit oder Jugend dazugehört und nicht an einem Minimum.” Mit Blick auf die Wirkung einer solchen Maßnahme zeigt zudem die Forschung, dass das Geld – entgegen einiger Vorurteile – auch tatsächlich bei den Kindern ankommt: Es würde hauptsächlich in größere Wohnungen, bessere Betreuung, Bildung und Hobbys der Kinder investiert, heißt es in einer 2018 durchgeführten Studie der Bertelsmann-Stiftung.
Ein anderer Ansatz sind hingegen Maßnahmen, die sich mit den Konsequenzen der Kinderarmut beschäftigen: der sozialen Ausgrenzung und Stigmatisierung. „Das Thema Kinderarmut ist ein Tabu. Darüber wird nicht gerne gesprochen und niemand möchte persönlich damit in Verbindung gebracht werden. Kinder und Jugendliche erleben Ausgrenzung und Mobbing, weil sie keine anderen Kinder zu sich nach Hause einladen können, nicht mit ins Kino gehen oder an der Klassenfahrt teilnehmen können”, so Anette Stein. „Wir versuchen mit unserer Forschung Fakten aufzuzeigen, aber ergänzend dazu sind Maßnahmen wichtig, die auch auf die Emotionen der Betroffenen eingehen.” Die Aktion #StopptKinderarmut setzt hier genau an: Youtuber*innen haben über ihre eigenen Armutserfahrungen berichtet und Kinder und Jugendliche eingeladen, ihre Erlebnisse zu teilen. So seien über 4000 Beiträge entstanden, die zeigen, wie tiefgreifend die Armutserfahrungen für Kinder und Jugendliche sind: „Und dass sie damit nicht alleine sind und es Wege gibt, sich Unterstützung und Hilfe zu holen”, fügt Stein hinzu.