Armes Kind – starkes Kind? Diese Frage stellt die Armuts- und Resilienzforscherin Dr. Margherita Zander in ihrem gleichnamigen Buch über die Chancen von Resilienz. Der Begriff beschreibt die psychische Widerstandskraft eines Menschen, die ihm erlaubt, schwere Krisen zu bewältigen und gesund zu überstehen.
„Von Resilienz als Bewältigungsform spricht man bei der Überwindung von außergewöhnlichen Lebensrisiken“, sagt Zander. Dazu gehört auch Kinderarmut, wie Zander aus eigener Erfahrung weiß: „Da meine Mutter kurz nach meiner Geburt an einer offenen Tuberkulose erkrankte, und mein Vater – vom Krieg schwer verwundet – sich nicht in der Lage sah, mich zu versorgen, wuchs ich bei einer Pflegemutter auf, die Witwe war und ihren Unterhalt als Putzkraft verdiente. Nichtsdestotrotz war sie mein einziger Schutzfaktor – sie liebte mich wie ihre eigenen Kinder. Ich weiß nicht, was ohne sie aus mir geworden wäre.“
Die Beziehung zu einer sicheren Bindungsperson – zum Beispiel einer Pflegemutter – ist ein entscheidendes Kriterium zur Ausbildung von Resilienz. Denn je mehr es an Materiellem mangelt, desto wichtiger sind immaterielle Schutzfaktoren wie Geborgenheit, Verlässlichkeit und Vertrauen, erklärt die Armutsforscherin Dr. Antje Richter-Kornweitz: „Ein wichtiger Teil der Resilienzförderung besteht darin, Eltern zu ermöglichen, ihren Kindern diesen Schutz bieten zu können. Das ist insbesondere für finanziell benachteiligte Eltern oft schwer, da die ständige Mangelsituation einen enormen Stress erzeugt. Oft haben diese Eltern mehrere schlecht bezahlte Jobs und es bleibt kaum Zeit für die Kinder.“ Alleinerziehende bekommen diesen Stress besonders zu spüren, der bei weiteren Belastungen, beispielsweise bei Jobverlust durch die Pandemie, enorm zunehmen kann.
Können in solch schwierigen Situationen auch Sozialarbeiter*innen oder Erzieher*innen eine sichere Bindungsperson für Kinder darstellen? „Natürlich“, meint Richter-Kornweitz, „aber diese Verbindung muss stabil und überdauernd sein. Es reicht nicht, einfach nur in einer Kitagruppe zu sein, erst recht nicht, wenn das Personal immer wieder wechselt oder die Kita personell zu knapp besetzt ist. Es kommt auf die Bedingungen in der Einrichtung an.“ Auch Zander betont, dass die zeitliche Verfügbarkeit der Bindungsperson entscheidend ist: „Ich denke, dass beruflich eingesetzte Personen eine solche Rolle nur sehr eingeschränkt übernehmen können.“ Deshalb sind sogenannte soziale Schutzfaktoren, wie fürsorgliche Großeltern, Nachbarn oder Freunde umso wichtiger. Auch kommunale Angebote wie ein offener Kinder- und Jugendtreff oder ein kostenloses Nachhilfeangebot können dabei helfen, Kinder in solchen Zeiten zu schützen.