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Welche Kosten auf Deutschland zukommen können

Ein Gespräch mit Dr. Markus Flaute

Sie forschen aktuell in dem Forschungsprojekt „Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland“. Wie gehen Sie konkret vor?

Wir sind ein Projektteam aus drei beteiligten Institutionen: das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Prognos sowie die Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS). In einem ersten Schritt nimmt das IÖW eine systematische Kategorisierung von möglichen Kostendimensionen von Klimaschäden vor. Sie schauen sich also an, welche Arten von Kosten durch den Klimawandel überhaupt entstehen und teilen diese in unterschiedliche Kategorien ein: so können etwa direkte und indirekte Effekte und damit verbundene Schäden unterschieden werden, welche an materiellen oder immateriellen Werten entstehen, die wiederum monetär bewertbar sind oder nicht. Im nächsten Schritt richtet Prognos den Blick in die Vergangenheit und analysiert volkswirtschaftliche Schäden und Schadenskosten bisheriger klimawandelbedingter Ereignisse. Dazu wird eine Datenbank mit quantitativen Kostenabschätzungen erstellt. Dadurch gewinnen wir einen Überblick darüber, über welche Höhen an Kosten wir überhaupt reden. Zusätzlich wird ein klimawandelbedingtes Schadensereignis im Detail analysiert. Ich forsche für die GWS und wir richten unseren Blick in die Zukunft. Wir erarbeiten eine modellgestützte Abschätzung dazu, welche volkswirtschaftlichen Folgekosten durch Klimawandel und durch Anpassung an den Klimawandel in Zukunft auf uns zukommen können. Dazu werden wir zunächst identifizieren, wie sich der Klimawandel in Zukunft auf Deutschland auswirkt und welche Wirkungszusammenhänge zwischen Klimawandel und den eintretenden Schäden existieren, um so zunächst die Effekte des Klimawandels und in einem weiteren Schritt die Effekte von Anpassung an den Klimawandel in ein makroökonomisches Modell zu integrieren und damit die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft zu analysieren. So ergibt sich ein vollständiges Bild aus den wichtigsten Kostenkategorien, den Kosten, die bereits entstanden sind und denen, die in Zukunft auf uns zukommen können.

„Wir werden das Modell nutzen und die möglichen Effekte des Klimawandels an die entsprechenden Stellen im Modell anknüpfen, um so die volkswirtschaftlichen Folgekosten zu berechnen.“

Ökonom*innen simulieren wirtschaftliche Entwicklungen in komplexen Modellen. Sie arbeiten mit dem umweltökonomischen Modell Panta Rhei. Was macht dieses Modell aus und was unterscheidet es von anderen Modellen?

Ein Modell ist immer ein vereinfachtes Abbild der Realität. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man solche Arbeiten durchführt, und insbesondere dann, wenn man sich die Ergebnisse anschaut und interpretiert. Die Basis gesamtwirtschaftlicher Modelle bilden die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der amtlichen Statistik. Dieser Rahmen erlaubt es, alle Ströme einer Ökonomie vollständig abzubilden. Panta Rhei basiert auf dem makroökonometrischen Modell INFORGE, welches um Informationen zu Energieverbräuchen, Verkehr und Wohnen erweitert wurde. Mit dem Modell gelingt uns sowohl eine lückenlose Darstellung von einzelnen Wirtschaftszweigen in der intersektoralen Verflechtung als auch eine Erklärung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge durch Aggregation. „Wir werden das Modell nutzen und die möglichen Effekte des Klimawandels an die entsprechenden Stellen im Modell anknüpfen, um so die volkswirtschaftlichen Folgekosten zu berechnen. Durch die vollständige Integration im Modell ist es uns möglich, die unterschiedlichen Wechselwirkungen in der Ökonomie, etwa die interindustriellen Abhängigkeiten, Einkommensverteilung oder auch Einkommensverwendung, vollständig zu berücksichtigen.

Sie unterscheiden in Schadenskosten und Anpassungskosten. Wie lässt sich das voneinander getrennt betrachten? Bedingen sie sich nicht gegenseitig?

Wir betrachten das nicht getrennt voneinander, sondern in zwei Schritten: Zunächst müssen wir wissen, was uns der Klimawandel überhaupt kostet, um dann abschätzen zu können, was uns Anpassung bringt. Vereinfacht gesprochen werden im Modell Trends und Verhaltensweisen der Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben. Für die Modellierung von Klimawandeleffekten muss aber klar sein: die ökonomische Entwicklung, die von sozioökonomischen Modellen auf Basis dieser empirisch bestimmten Verhaltensweisen und Trends bereits in einem „Business as usual“-Szenario genutzt wird, muss so oder so das Unvermeidliche berücksichtigen, nämlich die Auswirkungen des Klimawandels. Das ist die Realität, die wir in Zukunft erwarten müssen. Wir werden also zunächst die Effekte des Klimawandels in das Modell bringen, um diese als integralen Bestandteil in einer Basisprojektion zu haben. Wir berechnen damit also die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels, wenn wir nichts weiter tun, also uns nicht anpassen. Auf dieser Basis können wir dann im nächsten Schritt dem Modell mögliche Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel hinzufügen. Die Anpassung an den Klimawandel führt zu zweierlei Effekten: Zum einen vermindern sie die durch das Klima entstehenden Schäden und zum anderen führt ihre Umsetzung zum Beispiel zu Investitionen, welche positive Impulse setzen können.

„Es ist aber eine Tatsache, dass der Klimaschutz unbedingt weiter stattfinden muss: Jeder Euro, den wir in Klimaschutz investieren, führt dazu, dass die Klimaschäden geringer ausfallen und wir uns weniger anpassen müssen.“

Was erwarten Sie in welcher Größenordnung die Schadenskosten liegen werden? Und wie schätzen Sie die Größenordnung im Verhältnis zu den Kosten von Klimaschutzmaßnahmen ein?

Es ist noch zu früh im Projekt, um jetzt schon die volkswirtschaftlichen Folgekosten beziffern zu können. Wir schauen uns verschieden starke Auswirkungen des Klimawandels an und erwarten unterschiedliche Größenordnungen der Schadenskosten. Das werden wir auch mit verschiedenen Anpassungsszenarien kombinieren – also was passiert, wenn wir uns viel anpassen oder wenn wir uns wenig anpassen. Die Stärke der Analyse liegt insbesondere darin, dass wir nicht nur die direkten Folgekosten berechnen, sondern auch die indirekten und induzierten Effekte im Modell berücksichtigt werden. Wir werden am Ende nicht auf die eine Zahl kommen, sondern versuchen, einen Korridor aufzuspannen, der darstellt, mit welchen volkswirtschaftlichen Folgekosten bei verschiedenen Szenarien zu rechnen ist. „Es ist aber eine Tatsache, dass der Klimaschutz unbedingt weiter stattfinden muss: Jeder Euro, den wir in Klimaschutz investieren, führt dazu, dass die Klimaschäden geringer ausfallen und wir uns weniger anpassen müssen.

Der Klimawandel hat auch Folgen, die sich nicht in direkten Kosten messen lassen, wie etwa Todesopfer oder Biodiversitätsverluste. Können Sie diese Folgen in ihrer Studie berücksichtigen?

Wir betreiben ein ökonomisches Modell, unsere Welt sind also typischerweise Euros, monetäre Größen oder Beschäftigung. Wir konzentrieren uns eher auf die direkten materiellen Schäden: Extremwetterereignisse haben etwa Auswirkungen auf Gebäude, Maschinen oder Infrastruktur. Todesopfer oder Biodiversitätsverluste sind nicht-monetäre Folgen des Klimawandels und daher auch nur sehr schwer monetär zu bewerten. Hier spielen insbesondere ethische Gründe eine entscheidende Rolle. Dementsprechend haben wir uns bei der GWS in der Vergangenheit dagegen entschieden, eine solche Bewertung vorzunehmen.

„Daher ist es wichtig, offen mit den verbleibenden Unsicherheiten umzugehen – also klar zu kommunizieren, was wir belastbar berechnen können, wo Annahmen notwendig sind und was eben nicht berechnet werden kann.“

Sowohl die Folgen des Klimawandels, als auch die Entwicklung der Wirtschaft lassen sich schwer voraussagen. Wie gehen Sie in dem Forschungsprojekt mit diesen Unsicherheiten um?

Immer wenn wir uns über mögliche Entwicklungen in der Zukunft unterhalten, gibt es viele Unsicherheiten. Wir fragen uns, wie wird sich das Klima entwickeln, wo und wann werden beispielsweise Extremwetterereignisse auftreten, welche Schäden werden sie verursachen und was bringt eine Anpassung. Für die Wirtschaft in der nahen Zukunft haben wir durch unsere Modellierung und der Berücksichtigung von bereits heute erkennbaren Entwicklungen und Trends eine Idee, wie sie aussehen kann. Je weiter man jedoch in die Zukunft blickt, desto schwieriger wird es, ein klares Bild zu formulieren. Die Unsicherheiten bei Klima und bei Wetterereignissen sind ebenfalls sehr groß. Daher ist es wichtig, offen mit den verbleibenden Unsicherheiten umzugehen – also klar zu kommunizieren, was wir belastbar berechnen können, wo Annahmen notwendig sind und was eben nicht berechnet werden kann.

Die Klimawandelschäden und Anpassungskosten sind bislang deutlich weniger erforscht als etwa die wirtschaftlichen Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen. Warum ist das so und warum wird diesen Kosten auch in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion weniger Aufmerksamkeit geschenkt?

Klimaschutz steht schon länger auf der politischen Agenda. Die deutsche Anpassungsstrategie wurde 2008 in einen politischen Rahmen gegossen. Die Datenbasis für solche Forschung ist mit hoher Unsicherheit verbunden. Die volkswirtschaftlichen Folgekosten sind dementsprechend schwer zu beziffern. Unser Projekt bietet auch explizit Strategien, um eine Bewusstseinsbildung oder Sensibilisierung zu schaffen, damit auf die Klimawandelfolgekosten mehr Aufmerksamkeit gelenkt wird. Das IÖW hat in unserem Projekt extra ein Arbeitspaket, welches der Außendarstellung der Ergebnisse dient. Forschungsergebnisse können nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie bei den Akteuren, für die sie relevant sind, ankommen und auch verstanden werden. Vielleicht denken viele Menschen heute noch, dass sie der Klimawandel nicht betrifft. Aber gerade mit den aktuellen Bildern vom Hochwasser im Juni in Deutschland haben wir gesehen, wie schnell man doch zu einem Betroffenen durch Klimawandel werden kann. Wir versuchen, die ökonomischen Argumente zu liefern und zu belegen, welche ökonomischen Auswirkungen uns drohen und auch für jeden einzelnen klarzumachen, dass er*sie betroffen sein kann. Ich denke aber, dass sich die Diskussion in Zukunft ändern wird, denn der Fakt, dass der Klimawandel sich in Deutschland auswirkt, lässt sich nicht mehr leugnen.

Zur Person

Dr. Markus Flaute ist Volkswirt mit dem Schwerpunkt auf Umwelt- und Energieökonomik. An der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu ökonomischen Modellierungen im Bereich Energie und Klima.

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