Prof. Levermann, die Flutkatastrophe im Ahrtal hat gezeigt, dass auch Deutschland nicht vor Wetterextremen gefeit ist. Allein der Wiederaufbaufonds kostet 30 Milliarden Euro. Wie viel werden uns durch den Klimawandel verursachte Wetterextreme in Zukunft noch kosten?
Das kann man bisher nicht genau abschätzen. Doch aus Analysen über die Vergangenheit wissen wir, dass der Klimawandel uns wesentlich mehr kosten wird als es der Klimaschutz jemals könnte. Das geben die volkswirtschaftlichen Modelle mittlerweile her. Denn die Wetterextreme in Folge des Klimawandels verursachen enorme Schäden. Und das sind eben nicht nur wirtschaftliche Direktschäden, wie die Wideraufbaumaßnahmen im Ahrtal, sondern auch indirekte Auswirkungen auf die globalen Lieferketten. Das haben wir gerade erst in einer Studie gezeigt.
Könnten Sie dazu ein Beispiel geben?
Bei einer Überschwemmung entstehen zunächst direkte wirtschaftliche Schäden. Das ist das kaputte Haus oder die kaputte Fabrik, die man wiederaufbauen muss. Daraus entstehen Produktionsausfälle, weil man nicht zur Arbeit gehen kann oder die Produktion aufgrund der Schäden stillsteht. Das Ausbleiben der Produktion hat wiederum Folgen auf Lieferketten und damit auf die Produktion an anderen Orten der Welt. So konnte eine Überschwemmung in Thailand im Jahr 2012 dafür sorgen, dass wir in Europa und Amerika plötzlich keine Festplatten mehr hatten.
An solchen Lieferkettenausfällen sind nicht nur Wetterextreme schuld, wenn man an die Ever Given denkt, die den kompletten Suezkanal über Tage blockiert hat.
Ja, bisher sind Lieferengpässe meistens verbunden mit Produktionsproblemen in einer Produktionsstätte, oder Transportproblemen wie im Suezkanal. Ein berühmtes Beispiel waren fehlende AIDS-Medikamente in den USA, die wegen hygienischer Probleme nicht aus China geliefert werden konnten. Diese Probleme können Unternehmen bereits auf Vertragsebene angehen. So könnten beispielsweise Pharmaunternehmen in den USA vertraglich festlegen, dass die Produktionsstätten in China alle durch Lieferschwierigkeiten aufkommenden Ausfälle bezahlen müssen.
Das funktioniert allerdings nur, solange die Produktionsfirma in China wirklich etwas dagegen tun kann. Wenn aber unkontrollierbare Naturgewalten das Problem sind, bricht das System zusammen. Denn dann ist plötzlich keiner mehr schuld und niemand kann vertraglich in Haftung genommen werden. Oder anders formuliert: Die Schuldigen sind wir alle, indem wir CO2 ausstoßen.