Ein Computerbildschirm zeigt Graphen aus einem Klimamodell.
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Der Wert von Klimamodellen

Über Unsicherheiten und hypothetische Preise von Bienenarten

Klimapolitik ist eine finanzielle Frage. Denn zahlreiche Studien zeigen es: Sowohl präventiver Klimaschutz als auch die Anpassung an den Klimawandel sind mit erheblichen Kosten verbunden. Um die Kosten des Klimawandels abschätzen zu können, verwenden Klimawissenschaftler*innen vor allem wissenschaftliche Modelle, die verschiedene Ereignisse des Klimawandels und mögliche Klimaschutzmaßnahmen miteinander vergleichen – aus Messungen und Annahmen werden mögliche Konsequenzen und Szenarien abgeleitet und Preise des Klimawandels sowie des Klimaschutzes berechnet. „Im Ergebnis zeigt sich jedoch bei sämtlichen Klimamodellen, dass Prävention und Klimaschutz immer günstiger ist als die Kosten eines Nicht-Handeln”, sagt Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

Gleichzeitig sind die Modelle immer nur Annäherungen und abstrahierte Darstellungen. Eine Prognose über die Folgen des Klimawandels können sie genauso wenig leisten, wie eine belastbare Aussage zu den Kosten des Klimawandels oder die tatsächliche Wirkung einer spezifischen Klimaschutzmaßnahme. „Klimamodelle versuchen eine Vielzahl von komplexen Prozessen gemeinsam zu beschreiben und die verschiedensten Folgen miteinander zu vergleichen und arbeiten daher immer mit Annahmen, die zwar plausibel, aber aufgrund der zum Teil noch bestehenden großen Unsicherheiten nicht alle als gesicherte Erkenntnisse gelten können”, sagt Prof. Dr. Mathias Frisch vom Institut für Philosophie der Leibniz Universität Hannover

„Am Ende steht immer eine Zahl. Das bedeutet, dass sämtliche mögliche Folgen des Klimawandels mit der gleichen Skala berechnet werden müssen. Unabhängig davon, ob es die Summe von Schäden nach einem Hochwasser oder der Verlust von Biodiversität ist, der in das Modell einbezogen werden soll.”

Prof. Dr. Mathias Frisch, Institut für Philosophie der Leibniz Universität Hannover

Insbesondere sogenannte Kipppunkte im Klimasystem – wie beispielsweise das Versiegen des Golfstroms oder das Abschmelzen des Grönland-Eisschilds – hätten katastrophale Folgen für das Weltklima, können aber (noch) nicht präzise modelliert werden. Die sich verstärkenden Rückkopplungseffekte beider Kipppunkte und weitere klimatologische, soziale und politische Folgen sind jedoch gravierend. „Daher ist es problematisch, wenn man in ökonomischen Modellen versucht, diese Ereignisse im Sinne einer Kosten-Nutzen-Berechnung zu bepreisen”, so Frisch. 

Ein noch größeres Problem sieht Frisch in dem grundsätzlichen Versuch, die Kosten des Klimawandels rein ökonomisch zu bemessen: „Am Ende steht immer eine Zahl. Das bedeutet, dass sämtliche mögliche Folgen des Klimawandels mit der gleichen Skala berechnet werden müssen. Unabhängig davon, ob es die Summe von Schäden nach einem Hochwasser oder der Verlust von Biodiversität ist, der in das Modell einbezogen werden soll.” In vielen Fällen sei es aber unklar, wie indirekte Folgen des Klimawandels monetär erfasst werden können. „Was kostet Migration, die durch den Anstieg der Weltmeere ausgelöst wird oder der Verlust einer Tierart?”, fragt Frisch. 

„Den Verlust einer spezifischen Art oder ganz allgemein den Rückgang der Biodiversität als Folge des Klimawandels mit einem Geldwert zu bemessen ist relativ sinnlos”, sagt Ökologe Josef Settele, der von 2016 bis 2019 auch Co-Vorsitzender des Globalen Berichtes des Weltbiodiversitätsrat IPBES war. Deutlich wird dies am Beispiel der Bienen: Deren wirtschaftlicher Wert für die Landwirtschaft ist zu ermitteln. Eine von Settele mit Kollegen bereits 2009 veröffentlichte Studie hat ganz konkret den monetären Wert der Bestäubung von Agrarpflanzen durch Bienenarten berechnet: 153 Milliarden Euro betrug der ökonomische Nutzen für das Jahr 2005. Doch den tatsächlichen Wert für eine einzelne Bienenart spiegelt das nicht wieder.

„Wenn eine Art erst einmal ausgestorben ist, ist das irreversibel und zunächst einmal für die Vertreter der Art fatal – und weil wir wissen, dass, je schneller die Erwärmung passiert, desto mehr Arten aussterben werden, haben wir es selbst in der Hand.”

Prof. Dr. Josef Settele, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

Denn andererseits lässt sich auch berechnen, was es kosten würde, wenn die Bestäubung nicht mehr durch Bienen, sondern von Menschenhand gemacht würde. Diese würde – ausgehend vom Ergebnis einer weiteren Studie – abhängig von den Lohnkosten und anderen Rahmenbedingungen sogar zu über 500 Milliarden Euro jährlich kosten. Und Settele nennt einen dritten Grund, weshalb der Wert einer Art gar nicht zu ermitteln ist: „Wenn eine Art ausstirbt, gibt es andere Arten, die die Rolle im ökologischen System ausführen. Allein in Deutschland gibt es von den über 550 vorhandenen Bienenarten in etwa 20, die im Wesentlichen für die Bestäubung unserer Kulturpflanzen verantwortlich sind. Das Aussterben einer einzigen Art würde die absolute Bestäubungsleistung nicht verringern, das Aussterben aller 20 Arten wäre hingegen gar nicht zu kompensieren”, so Settele. 

Auch aus ethischer Perspektive halten die beiden Experten die Monetarisierung sämtlicher Klimawandelfolgen durchaus für problematisch: „Wenn eine Art erst einmal ausgestorben ist, ist das irreversibel und zunächst einmal für die Vertreter der Art fatal” so Settele, „und weil wir wissen, dass, je schneller die Erwärmung passiert, desto mehr Arten aussterben werden, haben wir es selbst in der Hand.” Auch Mathias Frisch sieht die Verantwortung gegenüber der Natur beim Menschen: „Es ist zumindest diskutabel, ob es nicht per se wert ist, die Natur so zu erhalten, wie sie ist”. Schließlich, so Frisch, bestünde auch eine Verpflichtung gegenüber den kommenden Generationen.

Tatsächlich, so der Vorwurf von Mathias Frisch, berücksichtigen ökonomische Klimamodelle Gerechtigkeits- und Verantwortungsaspekte nur unzureichend. Verursacher und Leidtragende gingen daraus nicht unmittelbar hervor. So werde in den ökonomischen Modellen völlig ignoriert, wer den Nutzen habe und wer die Kosten trüge, denn diese seien zeitlich und räumlich völlig ungleich verteilt. „Mit den heutigen Emissionen, schaden wir vor allem unseren Nachkommen und schränken sie in ihrer Handlungsfreiheit ein. Denn jeder Euro, den wir heute nicht für Klimaschutz aufwenden, wird in Zukunft investiert werden müssen, um den Planeten weiterhin lebenswert zu machen.” 

„Modelle sind nicht grundsätzlich falsch, aber sie geben uns eben nur eine grobe Vorstellung.”

Prof. Dr. Josef Settele, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

Zudem sind schon heute Ursachen, Folgewirkungen und Kosten des Klimawandels über den gesamten Globus ungleich verteilt. Berechnungen zeigen, dass die G20-Staaten für etwa 80 Prozent aller bis heute weltweit entstandenen CO2-Emissionen verantwortlich sind. Hauptleidtragende sind hingegen Staaten und Bewohner*innen des globalen Südens, die von den Folgen besonders stark betroffen sind und gleichzeitig nicht über die finanziellen Möglichkeiten für notwendige Klimaschutzmaßnahmen verfügen. Auch deshalb gestalten sich Verhandlungen um globale Klimaabkommen als besonders komplex und versuchen einen möglichen Ausgleich von Kosten herzustellen. 

Einen grundsätzlichen Wert von Modellen zur Berechnung der Kosten des Klimawandels sehen die Experten dennoch: „Modelle sind nicht grundsätzlich falsch, aber sie geben uns eben nur eine grobe Vorstellung”, so Settele. Helfen würden diese insbesondere, um zu verdeutlichen, wie unterschiedliche Maßnahmen sich langfristig auswirken würden und dass Klimaschutz sich insgesamt rechnet. Auch Mathias Frisch sieht trotz all der Kritik einen Mehrwert in ökonomischen Klimamodellen: „Als hypothetische Prognosen sind Modelle durchaus sinnvoll, weil sie die katastrophale Dimension des Klimawandels verdeutlichen. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass die Schlussfolgerungen, die man aus einem Modell ziehen kann, sehr begrenzt sind, weil sie eben nur mögliche und keine tatsächlichen Kosten angeben können.”

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