Ein bepflanztes Feld bei gutem Wetter als Symbolbild für Landwirtschaft.
Foto: Dan Meyers / Unsplash

Klimaschutz ist die beste Anpassung

Klimawandelkosten in der Landwirtschaft

Dürre, Hagel, Frost: Die Landwirtschaft ist seit jeher grundlegend von Wetter und Klima abhängig. Neben graduellen Veränderungen, wie steigenden Temperaturen und zunehmender Wasserknappheit, bewirkt der Klimawandel auch eine Zunahme von Extremwetterereignissen. Das stellt den Sektor Landwirtschaft vor vielfältige Herausforderungen und birgt schwer abschätzbare Kosten und Risiken. 

Pflanzen, Tiere, Infrastruktur

Der Klimawandel wirkt sich sowohl auf den Anbau von Pflanzen und die Tierhaltung, als auch auf die landwirtschaftliche Infrastruktur aus. „Im Pflanzenbau bestimmt das Klima, welche Pflanzen wie angebaut werden können. Steigende Temperaturen im Frühjahr verschieben und verlängern die Vegetationsperiode. Das heißt, dass bereits früher im Jahr angebaut werden kann”, sagt Dr. Alexandra Dehnhardt, stellvertretende Leiterin des Forschungsfeldes „Umweltökonomie und Umweltpolitik” am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Dies könne positive Effekte haben, da dadurch der Anbau anderer Kulturen ermöglicht werde. Jedoch lösten Trockenheit und Hitze – gerade in Kombination – Stress bei Pflanzen aus und wirkten sich negativ auf Höhe und Qualität des Ertrags aus: „Diese Einflüsse des Klimas sind schon bemerkbar, wenn auch mit regionalen Unterschieden. In Brandenburg, beispielsweise, mussten wir schon trockenheits- und hitzebedingte Ernteausfälle verzeichnen.”

Auch veränderte Niederschlagsmuster wirken sich auf den Pflanzenbau aus. „Es fällt nicht unbedingt weniger Regen, aber während die Niederschläge im Winter zunehmen, nehmen sie im späten Frühjahr und im Sommer ab”, so Dr. Mareike Söder, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stabsstelle Klima am Thünen-Institut. „Gleichzeitig kommt es vermehrt zu Starkregenereignissen, wodurch die Erosionsgefahr zunimmt und fruchtbarer Boden verloren geht.”

„Derzeit geht man davon aus, dass in Deutschland die Erträge im Durchschnitt tatsächlich steigen könnten. Allerdings nimmt mit der Gefahr von Extremwetterlagen die Unsicherheit zu.”

Dr. Mareike Söder, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stabsstelle Klima am Thünen-Institut

Im Bereich der Tierhaltung wirken sich veränderte Klimabedingungen, neben der Menge und Qualität der Futtermittel, auch auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Tiere aus. Die landwirtschaftliche Infrastruktur kann durch Extremwetterereignisse lokal beschädigt oder sogar zerstört werden.

Die Kosten

Wie sich der Klimawandel in Summe auf die Landwirtschaft auswirkt, ist noch unklar: „Derzeit geht man davon aus, dass in Deutschland die Erträge im Durchschnitt tatsächlich steigen könnten. Allerdings nimmt mit der Gefahr von Extremwetterlagen die Unsicherheit zu”, sagt Söder. Auch Dehnhardt weist auf die Schwierigkeit von Prognosen hin: „Das sich verändernde Klima birgt komplexe Wechselwirkungen, sodass sich der Gesamteffekt nicht zuverlässig voraussagen lässt.” Eine deutschlandweite Abschätzung werde durch regionale Unterschiede zusätzlich erschwert. 

Einzelne Berichte zeigen, wie sich extreme Wetterbedingungen auf Erträge auswirken können. So lagen die Hektarerträge bei der Getreideernte im Jahr 2018 – das von hohen Temperaturen und Wassermangel geprägt war – 16 Prozent unter dem dreijährigen Mittel. Unter Beteiligung des Bundes setzten die Länder Hilfsprogramme für landwirtschaftliche Unternehmen auf, deren Existenz durch die Dürre bedroht war. Bei diesen Betrieben wurde der Schadensumfang mit rund 770 Millionen Euro beziffert. Neben Ernteberichten lassen sich extremwetterbedingte Schäden aus Versicherungsdaten, beispielsweise von Hagel- oder Dürreversicherungen, ableiten. Aber: Es gibt viele Schäden, die nicht versichert sind und somit nicht in Versicherungsstatistiken auftauchen.

„Es geht darum, das Risiko für klimabedingte Schäden und Ernteausfälle zu streuen, also beispielsweise Kulturen auszuwählen, die unterschiedlichen Bedingungen standhalten können oder Fruchtfolgen so zu wählen, dass eben nicht alle Früchte zum gleichen Zeitpunkt in einer kritischen Phase sind.”

Dr. Mareike Söder, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stabsstelle Klima am Thünen-Institut

Alexandra Dehnhardt leitet das Projekt Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland, das das IÖW gemeinsam mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung und dem Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos durchführt. Im Rahmen des Projekts sollen bundesweit Klimawandelkosten, auch für die Landwirtschaft, abgeschätzt werden. Dabei geht es sowohl um die Berechnung bereits entstandener Kosten, als auch um die Modellierung von zukünftig zu erwartenden Kosten. Neben direkten materiellen Schäden wie Ernteausfällen, Sturm-, Hagel- oder Dürreschäden, werden auch weitere Kostendimensionen wie Produktivitätsverluste, erhöhte Bewässerungs- und Arbeitskosten und Lieferkettenunterbrechungen berücksichtigt. 

Resilienz steigern, Risiken streuen

Auch wenn die Ernährungssicherheit, zumindest in Deutschland, laut Dehnhardt und Söder nicht bedroht ist, ist klar, dass durch den Klimawandel und seine Folgen Schäden im Bereich Landwirtschaft entstehen. Durch ihre kurzen Produktionszyklen kann sich die Landwirtschaft – im Unterschied zur Forstwirtschaft – vorerst besser an veränderte Klimabedingungen anpassen, wodurch Schadenskosten vermieden werden. So kann man zum einen die Fruchtartenauswahl auf das Klima abstimmen und beispielsweise trockenheitsresistentere Kulturen anbauen, zum anderen Aussaat- und Erntezeitpunkt entsprechend variieren oder die Bewässerung anpassen. Die Anlage von Hecken oder von vermehrtem dauerhaften Bewuchs über das Jahr hinweg hilft dabei, Wasser im Boden zu halten und Erosionen zu vermeiden. 

Neben diesen technischen Maßnahmen ist es wichtig, die Resilienz der Landwirtschaft zu stärken und sie somit auch dem Klimawandel gegenüber widerstandsfähiger zu machen. Dafür spielt die Diversifizierung auf System- und Betriebsebene eine essentielle Rolle. „Es geht darum, das Risiko für klimabedingte Schäden und Ernteausfälle zu streuen, also beispielsweise Kulturen auszuwählen, die unterschiedlichen Bedingungen standhalten können oder Fruchtfolgen so zu wählen, dass eben nicht alle Früchte zum gleichen Zeitpunkt in einer kritischen Phase sind”, sagt Mareike Söder. Aktuellen Statistiken zufolge gäbe es in der deutschen Landwirtschaft eher eine Konzentration auf die sogenannten Cash-Crops, also gewinnbringende Sorten wie Raps, Weizen, Mais und Kartoffeln, statt eine Diversifizierung der Kulturen. Neben der Streuung der Risiken trägt auch eine angepasste Produktionsweise – zum Beispiel der Umstieg auf bodenschonende Bewirtschaftung – zur Steigerung der Resilienz bei.

„Alles was die Landwirtschaft ökologischer, vielfältiger und weniger umweltbelastend macht, wirkt sich nicht nur positiv auf die Anpassung an den Klimawandel aus, sondern auch auf die Biodiversität und Artenvielfalt.”

Dr. Alexandra Dehnhardt, stellvertretende Leiterin des Forschungsfeldes „Umweltökonomie und Umweltpolitik am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung

Bei der Frage, ob ein Ausbau der ökologischen Landwirtschaft die richtige Anpassungsstrategie ist, sind sich die beiden Expertinnen uneinig. Dehnhardt fordert einen Ausbau der ökologischen Landwirtschaft und eine entsprechende Ausrichtung der Agrarförderung: „Alles was die Landwirtschaft ökologischer, vielfältiger und weniger umweltbelastend macht, wirkt sich nicht nur positiv auf die Anpassung an den Klimawandel aus, sondern auch auf die Biodiversität und Artenvielfalt.” Auch Söder hebt die Vorteile des Ökolandbaus in der Klimaanpassung hervor, merkt jedoch an, dass die Erträge aktuell noch hinter dem konventionellen Landbau zurückbleiben. „Wenn wir – bei Beibehaltung des Konsumniveaus – unsere Landwirtschaft auf ökologische Produktion umstellen, müssen wir mehr importieren und verlagern dadurch die negativen Umwelteffekte der konventionellen Landwirtschaft ins Ausland”, so die Ökonomin. 

Und die Politik?

Unabhängig von der gewählten Anpassungsstrategie gilt: Sie lohnt sich nur, wenn sich die Kosten amortisieren und die möglichen finanziellen Risiken überschaubar sind. Der Staat kann Landwirt*innen bei der Anpassung ihrer Betriebe an den Klimawandel beispielsweise unterstützen, indem er sie dazu befähigt, informierte Entscheidungen zu treffen. „Es ist wichtig, dass Fachinformationen bereitgestellt werden und die Betriebe umfangreich und standortangepasst beraten werden”, sagt Dehnhardt. Außerdem kann die Politik die Forschung zur Verbesserung der Vorhersage von Extremwetterlagen und zur Weiterentwicklung von Anpassungsmaßnahmen fördern. Zentral ist jedoch vor allem die Eindämmung des Klimawandels, denn, so Söder: „Klimaschutz ist die beste Anpassung. Die Landwirtschaft profitiert davon, wenn die Politik Ziele aus dem Klima- oder Gewässerschutz einhält.”

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