Foto: Beatriz Perez Moya, Unslash

FAQ zur Krankenhausstudie

Hintergründe und Informationen

Am 15. Juli veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung die Studie „Zukunftsfähige Krankenhausversorgung – Simulation und Analyse einer Neustrukturierung der Krankenhausversorgung am Beispiel einer Versorgungsregion in Nordrhein-Westfalen”. Um die Versorgungsqualität für Patienten insgesamt zu verbessern, schlägt die Studie vor, die Zahl der Krankenhäuser stark zu verringern. Die wichtigsten Fakten zur Studie im Überblick.

 

Wer hat die Studie gemacht und wer hat sie finanziert?

Die Studie wurde von dem Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt.

 

Was ist der Ausgangspunkt der Studie?

Schon seit einiger Zeit beanstanden Fachleute aus dem Gesundheitswesen, dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser gibt.

Entsprechend sollte in der Studie geprüft werden, inwiefern die hohe Anzahl an Krankenhäusern in Deutschland problematisch sein kann und die Qualität der Gesundheitsversorgung schwächt. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob auch bei einer geringeren Anzahl von Krankenhäusern eine ausreichende Qualität und Erreichbarkeit der Krankenhäuser gewährleistet werden kann.

 

Was beinhaltet die Studie?

Basierend auf einer Standortanalyse diskutieren im Fazit acht renommierte Krankenhausexperten, wie die Krankenhausversorgung 2030 idealerweise in Deutschland aussehen sollte. Dabei geht es vor allem um die Versorgungsqualität, aber auch um die Aspekte Wirtschaftlichkeit und Erreichbarkeit..

In der Diskussion nennen die Autoren einen grundsätzlichen Strukturwandel im deutschen Krankenhaussektor als Ziel. Als mögliche Schritte diskutieren sie insbesondere die zu große und ungenutzte Kapazität abzubauen, überflüssige Behandlungen und die Verweildauer der Patienten zu reduzieren und eine stärkere Zentralisierung und Spezialisierung voranzutreiben.

 

Was sind die Haupterkenntnisse der Studie?

Laut den Ergebnissen der Studie könnte die Zahl der Krankenhausstandorte in der NRW-Versorgungsregion 5 (Köln, Leverkusen und drei umliegende, strukturschwächere Kreise) von insgesamt 38 auf 14 reduziert werden, ohne dass sich die Erreichbarkeit von Krankenhäusern für die Einwohner im Jahr 2030 gegenüber heute verändern würde. Dazu würde es ausreichen, wenn vier der 14 Krankenhäuser sogenannte Maximalversorger wären. Insbesondere kleinere Krankenhäuser könnten hingegen zugunsten der anderen größer werdenden Krankenhäuser geschlossen werden.

 

Wo wurde die Studie durchgeführt und weshalb wurde dieser Ort gewählt? 

Die Analyse bezieht sich auf die NRW-Versorgungsregion 5 (Köln, Leverkusen und drei umliegende, strukturschwächere Kreise). Damit deckt sie sowohl großstädtische, als auch ländlich geprägte Teilräume. Durch die Wahl dieser Region sollen insbesondere die Probleme einer (zu) hohen Krankenhausdichte im städtischen Bereich bei sehr guter Krankenhauserreichbarkeit in den Blick genommen werden, wie auch die oft als zu klein angesehenen Krankenhausstandorte im ländlichen Bereich.

 

Was schlägt die Studie bezüglich der gegenwärtigen Krankenhausstrukturen vor?

Die Studienautoren regen an, die gegenwärtige Struktur mit den vier verschiedenen Versorgungsstufen (Grundversorgung, Regelversorgung, Schwerpunktversorgung, Maximalversorgung) anzupassen. Momentan gibt es vor allem kleinere regionale Krankenhäuser mit begrenztem Leistungsangebot und wenige überregionale Krankenhäuser mit starken Spezialisierungen. In der Simulation wird nur noch in zwei Arten von Krankenhäuser unterschieden, die beide insgesamt deutlich ausdifferenzierter sind.

 

Was sind die gesundheitspolitischen Schlussfolgerungen der Studie?

Die Studienergebnisse beziehen sich zwar nur auf die Modellregion, allerdings lassen sie sich, so steht es in der Studie, auf eine Reihe von anderen Regionen mit ähnlichen Konstellationen übertragen. Eine im Zusammenhang mit der Studie stehende Publikation sowie eine Pressemitteilung nennt eine starke Verringerung von bundesweit knapp 1.400 Krankenhäuser auf deutlich unter 600 Krankenhäuser mit dem Ziel, die Versorgungsqualität für Patienten zu verbessern.

 

Welche weiteren Schlüsse werden gezogen?

Nach Ansicht der Autoren ist ein Teil der stationären Krankenhausaufenthalte überflüssig. Dabei zitieren sie eine Studie, die für die einzelnen Krankheitsbilder errechnet, wie viele Aufenthalte auch ambulant behandelt werden könnten und kommen auf etwa vier Millionen Krankenhausfälle. Wenn man dieses Potential ausschöpfen würde, könnte so die Anzahl der Krankenhausaufenthalte bis 2030 auf rund 15 Millionen pro Jahr gesenkt werden.

 

Deckt sich die Studien mit bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen?

Wissenschaftlich ist die Ansicht, die hohe Anzahl der Krankenhäuser gehe zu Lasten der Qualität der Behandlungen, weit verbreitet. In einem Diskussionspapier der Leopoldina hatten renommierte Gesundheitsexperten 2016 die Schließung von bis zu drei Viertel aller Kliniken gefordert. Auch das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat zuletzt eine Studie publiziert, wonach es insgesamt nur 340 Notfallstellen bräuchte, damit jeder in Deutschland diese innerhalb 30 Minuten erreichen kann.

 

Nach welchen Kriterien wurde die Versorgung in Krankenhäusern in der Studie bewertet?

Bei der Bewertung der Krankenhausversorgung wurden zwei Varianten angeschaut. Die erste Variante basiert dabei auf der optimalen Erreichbarkeit der Krankenhäuser, die zweite auf der Qualität der Versorgung.

Im primär erreichbarkeitsbasierten Ansatz werden die Standorte identifiziert, die zur Sicherstellung einer maximal 30-Minuten-Erreichbarkeit für alle Einwohner der Versorgungsregion mindestens erforderlich sind. Bei dem primär qualitätsbasierten Vorgehen werden in einem ersten Schritt die Krankenhäuser der Regelversorgung ausgewählt, die im Status quo bestimmte Anforderungen an die Strukturqualität für die Notfallbehandlung von Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfall erfüllen.

Die Studienergebnisse betrachten also sowohl den Faktor Zeit als auch den Faktor Qualität und ziehen daraus ihre Schlussfolgerungen.

 

Wie wurde die Studie aufgegriffen und kommentiert?

Die Studie wurde durch eine Vielzahl von Medien aufgegriffen und die Ergebnisse der Studie sowie der dazugehörigen Publikation diskutiert und kritisiert. Während die Mehrzahl der Mediziner und Gesundheitsexperten sich positiv über die Studie äußerte, kritisierten Krankenhausgesellschaften und Ärzte- und Patientenverbände die Ergebnisse. Länder und Kommunen verwiesen vor allem auf die besonderen Versorgungsbedarfe im ländlichen Raum.

Das Bundesgesundheitsministerium hat zunächst zurückhaltend auf die Bertelsmann-Studie reagiert und verwies darauf, dass die Bundesländer für die Krankenhausplanung verantwortlich seien.

 

Position

„Rein von der Versorgungsqualität würden 400 Krankenhäuser ausreichen“

sagt Prof. Dr. Reinhard Busse, Mitautor der Studie und Experte für Gesundheitssystemforschung. Im Interview haben wir mit ihm über die Studie und die Hintergründe gesprochen.

Prof. Dr. Reinhard Busse

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