Gleichzeitig weiß man ja auch aus verschiedensten Studien, dass die Angst, Opfer einer Straftat zu werden ebenfalls in den letzten Jahren leicht gestiegen ist. Wie kann man als Polizei der Angst in der Bevölkerung begegnen?
Zunächst müssen wir die Ängste ernst nehmen. Wir können zwar das Unsicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger oft nicht statistisch erklären, aber das hilft nicht, wenn abstrakte oder konkrete Sorgen vorhanden sind. Wenn beispielsweise eine Frau Angst hat, bei Dunkelheit durch eine Parkanlage zu gehen, hilft es nicht, ihr zu sagen, dass mit dem Eingang einer Ehe das Risiko erheblich höher ist, Opfer einer Straftat zu werden, als bei der Durchquerung eines Parks. Aber mit statistischen Zahlen kann man nur sehr schwer tatsächlichen Ängsten begegnen.
Zumindest die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zeigt aber auch, dass die Kriminalität in den letzten Jahren insgesamt gesunken ist. Was weiß man über das tatsächliche Abbild der Kriminalität abseits der Statistiken?
Die PKS liefert immer nur ein Teil der Wahrheit und das auch nur in der Retrospektive. Denn sie bildet ja nur ab, was im letzten Jahr angezeigt wurde. Aktuelle gesellschaftliche Trends oder Entwicklungen finden darin gar keine Erwähnung. Was das Dunkelfeld anbelangt, unternimmt das BKA beispielsweise recht viel und die Ergebnisse haben natürlich auch Auswirkungen auf die Lageeinschätzung und die konkrete Arbeit der Polizei. Als BDK fordern wir seit langem, sogenannte periodische Sicherheitsberichte, welche alle zur Verfügung stehenden Informationen zur aktuellen Kriminalitätslage ausschöpfen und zusammenbringen. Diese wurden 2001 und 2006 zuletzt veröffentlicht, sind aber seitdem leider nicht weiter vorangetrieben worden. Dabei wären sie so wichtig, da sie, neben Ergebnissen aus der Dunkelfeldforschung und Opferbefragungen ihren enormen Mehrwert darin haben, dass sie die Kriminalitätslage, im Unterschied zur Polizeilichen Kriminalstatistik, besser abbilden und deswegen auch geeignet sind, Empfehlungen an Politik und Justiz zu formulieren.
Für Nordrhein-Westfalen hat Innenminister Herbert Reul nun angekündigt, dass bei jedem Tatverdächtigen die Nationalität ab sofort genannt werden soll – welche Intention wird damit erfolgt und wie zielführend ist diese Maßnahme?
Zunächst möchte ich feststellen, dass die Entscheidung ob und in welcher Form Presseinformationen zu laufenden Ermittlungsverfahren gegeben werden, in der Kompetenz der Staatsanwaltschaft liegt.
Die polizeilichen Erlasslagen beinhalten nach meinem Kenntnisstand gar keine Einschränkungen hinsichtlich der Benennung von Nationalitäten. Hier ist lediglich der Pressekodex zu nennen, nachdem die Benennung der Nationalität eines Tatverdächtigen dann erfolgt, wenn diese für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse ist. Die Argumentation von Herrn Reul, diese nun stets zu nennen, ist allerdings klar: Es soll dadurch der politischen Instrumentalisierung von rechts entgegengewirkt werden, die immer wieder suggeriert, dass die Staatsanwaltschaft und die Polizei die tatsächliche Zahl krimineller Nicht-Deutscher verschleiert. Aus meiner Sicht besteht hierbei jedoch die Gefahr, dass die Nennung lokal und temporär zu einem falschen Bild führt und den Eindruck erweckt, dass Nationalität doch ursächlich für Kriminalität sei. Das wäre fatal. Aus unserer Sicht halten wir es für sehr viel sinnvoller, deutlich zu kommunizieren, welchem Phänomenbereich eine Straftat zuzurechnen ist. Warum sagen wir nicht, dass ein Fall beispielsweise auf Clankriminalität zurückzuführen ist oder der organisierten Kriminalität, z. B. der italienischen Mafia zuzurechnen ist? Das wäre ein tatsächlicher Mehrwert für die Medien und die Gesellschaft, aber das findet weiterhin nicht in ausreichendem Umfang statt.