Foto: Universität Freiburg

„Hier muss eine breite und fundierte Debatte in der Gesellschaft angestoßen werden“

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Hannah Bast

Wie hat sich die Forschung zu Künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt?

Forschung zur KI gibt es schon seit mindestens 70 Jahren und sie hat immer wieder hohe Erwartungen geweckt. Als die ersten Computer entwickelt wurden dachten viele, dass in naher Zukunft Roboter herumlaufen würden. Die hohen Erwartungen konnten jedoch nicht erfüllt werden. Aktuell ist die Situation eine andere: In den letzten Jahren haben sowohl die Rechenleistung als auch die Datenmenge eine kritische Grenze überschritten. Viele Ansätze, die bisher nur theoretisch interessant waren, haben so zum ersten Mal auch in der Praxis funktioniert, mit beeindruckenden Ergebnissen, die selbst die Fachleute überrascht haben. Es ist eine regelrechte Revolution in der KI-Forschung.

„Von einer umfassenden Diagnose oder einer allgemeinen Intelligenz von Programmen sind wir noch sehr weit entfernt.“

Wo wird Künstliche Intelligenz bereits angewendet und welche Bereiche unterliegen dabei einem besonderen Wandel?

KI beeinflusst viele Bereiche und einige werden komplett auf den Kopf gestellt, wie beispielsweise die Bildverarbeitung. Man sollte aber hervorheben, dass sich die Veränderungen auf sehr spezielle Probleme beschränken. Zwei Beispiele sind die Interpretation eines MRT-Bildes oder die Beurteilung pathologischer Veränderungen der Haut. Hier kann sich die Maschine innerhalb kürzester Zeit Millionen von Bildern anschauen und dabei schneller um umfassender lernen als der Mensch. Dabei handelt es sich jedoch um Spezialwissen. Von einer umfassenden Diagnose oder einer allgemeinen Intelligenz von Programmen sind wir noch sehr weit entfernt.

Wie lässt sich Künstliche Intelligenz der breiten Allgemeinheit vermitteln?

Es ist unerlässlich, erst einmal das Grundprinzip zu erklären. Oftmals erlebe ich, dass Menschen KI mit Science Fiction verwechseln: Sie malen sich aus, dass die Maschinen ein Bewusstsein entwickeln oder einen Krieg gegen die Menschheit führen. Mit einem Grundverständnis der Funktionsweise kann man aber recht klar erkennen, dass wir davon noch weit entfernt sind. Ein solches Grundverständnis ist die beste Aufklärung bezüglich sowohl der Potenziale als auch der Risiken von KI.

„Verschließen wir uns davor Daten zur Verfügung zu stellen, bremsen wir viele positive Entwicklungen aus.“

Eines der oft zitierten Risiken ist der Umgang mit den Daten. Viele haben Angst vor Datenmissbrauch. Wie soll damit umgegangen werden?

Das ist ein wirklich schwieriges Spannungsfeld, denn zum einen brauchen die neuronalen Netze eine große Menge an Daten, zum anderen enthalten große Datenmengen immer auch Informationen, die missbraucht werden können, vor allem wenn es um Daten geht, die Personen betreffen. Hier muss eine breite und fundierte Debatte in der Gesellschaft angestoßen werden. Verschließen wir uns davor Daten zur Verfügung zu stellen, bremsen wir viele positive Entwicklungen aus. Auch unsere Stellung im internationalen Wettbewerb würde nachteilig beeinflusst, was wiederum negative sozioökonomische Folgen hat, die jeden Bürger und jede Bürgerin betreffen. Diese Zusammenhänge sind den meisten Menschen nicht klar. Viele lassen sie sich von irrationalen Ängsten beeinflussen, gehen aber gleichzeitig an anderen Stellen sehr sorglos mit Technik um oder entscheiden einfach aus Bequemlichkeit. So machen sich zum Beispiel die wenigsten Menschen die Mühe, Ihre E-Mails verschlüsselt zu versenden, obwohl die Inhalte oft privat sind und sie mehr als unglücklich wären, wenn jemand anderes als der Adressat die Nachrichten zu lesen bekommt. Und ganz auf die Technik verzichten wollen sie auch nicht.

Eine andere Sorge ist, dass durch KI viele Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Welche Auswirkungen könnte KI auf den Arbeitsmarkt haben?

Es gibt zahlreiche Tätigkeiten bei denen absehbar ist, dass eine Maschine das irgendwann besser und zuverlässiger kann. Dadurch werden einige Berufe wegfallen oder sich zumindest stark verändern. Gleichzeitig entsteht dadurch aber auch ein Bedarf an neuen Tätigkeiten und Fähigkeiten. Diese sind nicht nur technischer Art, es muss sich ja auch immer jemand um das ganze Drumherum und die Organisation kümmern. Ich bin daher was den Arbeitsmarkt angeht nicht so pessimistisch wie manch anderer. Es steht aber außer Frage, dass er einem großen Wandel unterliegen wird.

„Ich würde mir wünschen, dass Politik zum einem attraktiver für Personen mit einem technischen Hintergrund wird und zum anderen Geisteswissenschaftler in der Politik mehr Digitalkompetenzen erwerben.“

Wie sollte die Politik den Prozess und den Dialog über Künstliche Intelligenz mit der Gesellschaft gestalten?

Wir haben in Deutschland eine recht starke Trennung zwischen der Digitalwelt und der Politikwelt –  das ist ein großes Hindernis für den Dialog. Ich würde mir wünschen, dass Politik zum einem attraktiver für Personen mit einem technischen Hintergrund wird und zum anderen Geisteswissenschaftler in der Politik mehr Digitalkompetenzen erwerben. Das täte Deutschland nicht nur bei der Entwicklung der KI gut, sondern überhaupt beim großen Thema Digitalisierung.

Zur Person

Hannah Bast ist Professorin für Algorithmen und Datenstrukturen an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Schwerpunkte ihrer Forschung sind die Verwaltung von Informationen, die Verarbeitung natürlicher Sprache und Routenplanungsalgorithmen. Sie ist Sachverständige in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“.

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