Brustkrebszellen unter dem Mikroskop (Foto: KGH, CC-BY-SA 3.0)

KI im Einsatz gegen Krebs

Neue Methoden in der Krebsdiagnose

Krebs gilt in unserer Gesellschaft als besonders gefürchtet. In Deutschland ist Krebs die zweithäufigste Todesursache. Jährlich erkranken knapp 500.000 Personen in Deutschland neu an Krebs: Für viele der Beginn einer Leidenszeit samt Operationen und Therapien. Die bessere Erforschung und Behandlung von Krebs wird daher von Wissenschaft, Pharmaindustrie und Politik gleichermaßen vorangetrieben. Neue Therapiemöglichkeiten und Medikamente konnten in den letzten Jahrzehnten die Heilungschancen sämtlicher Krebserkrankungen deutlich verbessern.

Auch mit der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) wird immer wieder die Hoffnung verbunden, dass Krebs besser erkannt und therapiert werden kann. „Ich bin der Überzeugung, dass wir dank der KI in der Krebsdiagnostik und -therapie substantielle Fortschritte machen werden”, sagt der Pathologe Prof. Dr. Frederick Klauschen, geschäftsführender Oberarzt am Institut für Pathologie an der Charité Berlin. „Dies insbesondere, weil KI einen wichtigen Beitrag bei der Analyse molekularer Daten leisten kann und dabei hilft, die Ursachen von Krebs besser zu ergründen.”

„Mit den modernen Verfahren kann man inzwischen ziemlich genau sagen, welche genetische Veränderung zu einer Bildung von Tumorzellen geführt hat.“

Prof. Dr. Benedikt Brors, Deutsches Krebsforschungszentrum

Prof. Dr. Benedikt Brors vom Deutschen Krebsforschungszentrum forscht daran, wie man dank angewandter Bioinformatik Krebs besser verstehen und behandeln kann. „Mit den modernen Verfahren kann man inzwischen ziemlich genau sagen, welche genetische Veränderung zu einer Bildung von Tumorzellen geführt hat und dementsprechend auch die passende Therapie erstellen,” sagt Brors. „Allerdings sind die Datenmengen für die Auswertung so groß, dass man dabei auf die Unterstützung von Computern angewiesen ist”.

In einer von ihm geleiteten Studie wurde dabei die Kategorisierung von Neuroblastomen näher erforscht. Diese Tumore treten oft im Säuglings- und Kleinkindalter auf und können je nach Form und Stadium von geringem oder hohem Risiko sein. Während bei den weniger gefährlichen Tumoren die Heilungschancen sehr gut stehen, enden andere Formen oft tödlich. „Bisher kann man mit klinischen Parametern etwa 80 Prozent der Erkrankungen eindeutig klassifizieren. Mit dem Einsatz von KI können wir nun auch Vorhersagen über die restlichen 20 Prozent treffen”, sagt Brors. Dies gelingt dadurch, dass die Aktivitäten einzelner, relevanter Gene gemessen werden und ein Algorithmus dadurch erkennt, ob die Form gut- oder bösartig ist.

„Die KI kann enorm dabei helfen, die Erfahrung des Pathologen bei der Beurteilung qualitativer Gewebeeigenschaften, zum Beispiel ob ein Tumor gut- oder bösartig ist, zu ergänzen.“

Prof. Dr. Frederick Klauschen, Charité Berlin

Auch für andere Krebserkrankungen verspricht die Anwendung von KI durchaus Erfolg. Denn KI-Verfahren werden insbesondere auch bei bildgebenden Verfahren eingesetzt. „Eine Krebsdiagnose wird in aller Regel durch die Beurteilung von Gewebeproben in der Pathologie gestellt. Die KI kann hier enorm dabei helfen, die Erfahrung des Pathologen bei der Beurteilung qualitativer Gewebeeigenschaften, zum Beispiel ob ein Tumor gut- oder bösartig ist, zu ergänzen, da quantitative Merkmale schneller, präziser und standardisierter ausgewertet werden können”, sagt Frederick Klauschen.

Erste Studienergebnisse sind dabei durchaus vielversprechend: So stellten Wissenschaftler der Eötvös Universität in Budapest im März 2018 ein KI-Verfahren vor, welches bei der Mammographie – die übliche Methode zum Erkennen von Brustkrebs – aus den Röntgenbildern der weiblichen Brust Brustkrebszellen mit einer etwa 90 prozentiger Wahrscheinlichkeit erkennen kann. Wissenschaftler der Showa University Northern Yokohama Hospital gelang es ein KI-Algorithmus so zu trainieren, dass es bei Darmspiegelungen Vorläufer von Darmkrebs erkennt – die Trefferquote lag dabei in ersten klinischen Tests mit 93 Prozent höher als bei vielen Medizinern. Da die eingesetzten Systeme lernfähig sind, wird zudem erwartet, dass in Zukunft die Aussagen der Algorithmen noch verlässlicher werden.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt zuletzt eine Studie von Holger Hänßle von der Universität Heidelberg zu der frühzeitigen Erkennung von Hautkrebs. Bei dieser werteten sowohl ein Team internationaler Dermatologen als auch ein neuronales Netzwerk identische Bilder von Muttermalen und schwarzem Hautkrebs aus. Das Ergebnis: Die Hautärzte erkannten im Durchschnitt 86,6 Prozent der bösartigen Melanome, das neuronale Netzwerk konnte sogar 95 Prozent richtig identifizieren. „Eine solche Studie führt natürlich dazu, dass medial der KI ein sehr großes Potenzial zugeschrieben wird, weil die KI sogar noch exakter als eine vom Arzt gestellte Diagnose ist”, sagt Klauschen. „Gemessen an dem Einsatz der KI handelt es sich bei der Erkennung von Hautkrebs um die einfachste Art der Bildgebung. Viele andere Krebsarten lassen sich mit KI-Verfahren aber deutlich schlechter diagnostizieren”, ergänzt Benedikt Brors.

„Die KI kann im Bereich der Früherkennung eine wichtige Unterstützung leisten.”

Prof. Dr. Benedikt Brors, Deutsches Krebsforschungszentrum

Auch, wenn sich die Entwicklung solcher KI-Anwendungen dazu noch im Klinikalltag beweisen müssen, wecken diese schon jetzt das Interesse der Industrie: Verschiedene Firmen arbeiten bereits daran, einen Hautkrebs-Scanner als App anzubieten. So könnte in naher Zukunft jeder selbstständig auffällige Hautstellen scannen. „Solche Consumer-Apps zur Früherkennung werden in Zukunft sicherlich eine Rolle spielen”, sagt Klauschen. „Gerade in Regionen, in denen die ärztliche Versorgung nicht so gut ist, könnten solche Anwendungen auch einen Beitrag zur Früherkennung von Hautkrebs leisten.”

Ein Ersatz für den Arzt sind solche Apps in Zukunft jedoch eher nicht. „Solche Apps berechnen immer nur Wahrscheinlichkeiten, sodass bei der Beurteilung letztlich doch ein Mediziner zu Rate gezogen muss”, sagt Klauschen. Auch Brors teilt diese Ansicht: „In den allermeisten Fällen wird die Diagnose Krebs auch in Zukunft durch einen Pathologen erstellt. Aber die KI kann tatsächlich im Bereich der Früherkennung eine wichtige Unterstützung leisten.” Und, so die Hoffnung der Experten, damit auch langfristig ein wesentlicher Baustein sein, damit die Zahl der Krebserkrankungen, wie auch der Todesfälle sinkt.

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