„Schon jetzt wird all die Grundlagenforschung an Universitäten und Forschungszentren öffentlich finanziert. Wir sollten daher den Einfluss der Pharmaindustrie eindämmen und noch mehr Gelder in öffentliche Forschung stecken. Denn nur so wird gesichert, dass überhaupt weiterhin an Antibiotika geforscht wird“, sagt Tinnemann. Anderer Meinung ist hingegen Marc Stadler: „Man muss für die Pharmaunternehmen viel mehr Anreize schaffen, dass sie ihr Geld mehr in die Antibiotikaforschung investieren und nicht für andere Indikationen ausgeben. Das HZI hat beispielsweise eine enge Kooperation mit der Evotec AG, in der die Partner ihre Plattformen zur Entwicklung neuer Antibiotika vereinen. Im Fokus stehen Wirkstoffkandidaten wie die Cystobactamide gegen gefährliche gramnegative Krankheitserreger.“
Insbesondere die Kommerzialisierung der Forschungsergebnisse hält Tinnemann für problematisch: „Es ist bislang so, dass vieles, was aus der öffentlich finanzierten Forschung herauskommt, kommerzialisiert wird und die Schutz- und Eigentumsrechte an Pharmaunternehmen verkauft werden.“ Tatsächlich werden oftmals vor allem die neu entwickelten Stoffe auslizensiert und gewinnbringend verkauft. Dennoch haben öffentliche Forschungsinstitute Möglichkeiten, um an dem Gewinn des Wirkstoffs beteiligt zu werden.
Um sicherzustellen, dass die Antibiotika-Forschung weiter vorangetrieben wird, hat die WHO einen anderen Weg gewählt. Gemeinsam mit der Drugs for Neglected Dieseases inititative (DNDi) hat sie 2016 die Global Antibiotic Research & Development Partnership (GARDP) gegründet, die Hand in Hand mit kleinen Antibiotikaunternehmen dringend benötigte Medikamente entwickelt. Dort steht die Forschung an Wirkstoffen gegen antimikrobielle Resistenzen im Mittelpunkt. „GARDP entwickelt vor allem fehlende Wirkstoffe, die die Industrie nicht machen würde, weil es sich finanziell nicht lohnt und die die größten Forschungslücken adressieren“, sagt Beyer.
Finanziert wird GARDP durch Industriepartnerschaften und die Beteiligung einzelner Staaten – Deutschland beispielsweise hat einen Beitrag von 56,5 Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt. Und auch einen ersten Erfolg hat GARDP bereits zu vermelden: Eines der entwickelten Wirkstoffe durchläuft als spezifisches Antibiotika gerade den letzten Schritt der klinischen Studien. „Wir hoffen, dass GARDP damit zeigen kann, dass es in Partnerschaft mit kleinen Unternehmen möglich ist, dringend benötigte Wirkstoffe zeit- und kosteneffizient zu entwickeln“, so Beyer.