Das ist vor allem auch deshalb wichtig, weil Umfragen potenziell nicht nur auf Politiker wirken, sondern auch die Wählerschaft beeinflussen können. „In der Bevölkerung kann man drei Effekte beobachten“, sagt Schmitt-Beck: „Diese sind sicherlich eher klein und treten auch nicht bei jeder Wahl oder als Reaktion auf jede Umfrage auf, aber sie können eben auftreten.” Den ersten bezeichne man als den “Selbstverstärkungseffekt”, den zweiten das “Mobilisierungsphänomen” und den dritten als “Strategisches Wählen“.
Der Selbstverstärkungseffekt beruht auf der Tendenz, dass Menschen gerne auf der Seite der Sieger stehen. Frei nach dem Motto: Erfolg gebiert neuen Erfolg. Das Mobilisierungsphänomen steht quasi im Gegensatz dazu. Hier profitieren in den Umfragen schwächelnde Parteien davon, dass ihre Wähler sich durch die schlechte Prognose zusätzlich motiviert fühlen wählen zu gehen, um ihre Partei zu unterstützen. „Es gibt Studien, die diesen Effekt zeigen“, sagt Holger Geißler, Head of Research bei YouGov in Deutschland: „Wenn ich also eine Umfrage mache und es da beispielsweise heißt ‚Die Grünen kommen nicht in den Landtag’ und diese Schlagzeile dann medial aufgegriffen wird, dann kann das schon Wähler mobilisieren und dazu anregen, zur Wahl zu gehen und ihre Stimme für die Grünen abzugeben.“
Beim sogenannten strategischen Wählen – oft auch taktisches Wählen genannt – geht es dagegen eher um die Frage, wie man seine Stimme am besten einsetzen kann, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Der Wähler macht sich also Gedanken über präferierte Ergebnisse und kalkuliert die Koalitionspolitik bereits mit ein. „Um das machen zu können, muss man nicht nur eine Vorstellung davon haben, welche Parteien überhaupt koalieren würden, sondern zudem auch eine Vorstellung, wie stark die Parteien wahrscheinlich werden und welche Optionen sich daraus ergeben“, sagt Schmitt-Beck. „Und auch da sind natürlich Umfragen eine wichtige Größe, die in das Kalkül mit einfließt.“
Auch wenn die tatsächliche Wirkung von Umfragen empirisch schwer zu belegen ist, sind sich die Experten weitestgehend einig, dass eine Beeinflussung stattfinden kann. „Es ist aber nicht so klar zu belegen, ob es jedes Mal diese Auswirkungen hat“, formuliert es Holger Geißler: „Aber man betreibt die Wahlforschung ja, um eine Stimmung einzufangen. Dann wird darüber geschrieben und mit dem was ich herausgebe, beeinflusse ich natürlich die Wirklichkeit, vor allem wenn es durch die Massenmedien verbreitet wird. Dessen muss man sich bewusst sein und entsprechend sauber arbeiten.“