Foto: HansMartinPaul / Pixabay

Schweineherzen und neues Gesetz: die Zukunft der Organspende

Neue Erfolge in der Xenotransplantation und die Widerspruchslösung

In Deutschland herrscht erheblicher Organmangel. Während mehr als 10.000 Menschen Jahr für Jahr auf ein lebensnotwendiges Organ warten, hat die Zahl der Organspender in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen – mit einem Tiefststand im Jahr 2017, als gerade einmal 797 Personen Organe spendeten.

Die Gründe für das Missverhältnis sind vielfältig. Die Debatte hat sich daher im Frühjahr 2018 mit den Ursachen und möglichen Lösungsansätzen der Organknappheit beschäftigt. Innerhalb der vergangenen Monate ist das Thema Organspende erneut in den Fokus öffentlicher und politischer Debatten gerückt. Zeit, zu analysieren, wie sich die Debatte um Organspende in Deutschland verändert hat und was das für die Zukunft bedeutet.

„Diese Publikation ist bahnbrechend und überzeugend.”

Dr. Joachim Denner, Robert Koch-Institut

Den aktuellsten Diskussionsbedarf um das Thema liefern neueste Forschungsergebnisse aus der Xenotransplantation, welche am 05.12. im Fachmagazin Nature erschienen sind. Einem Team um den Münchner Herzchirurgen Prof. Dr. Bruno Reichart – einer unserer Podiumsgäste bei der Live-Debatte zu Organspende im März – ist es gelungen, Schweineherzen in Paviane zu transplantieren. Die Affen haben mit diesen genmodifizierten Herzen bis zu einem halben Jahr überlebt. In ihrem Artikel berichten die Forscher nun auch erstmals, welche Schritte notwendig sind, um eine langfristige Funktion des Schweineherzen in Pavianen zu ermöglichen.

Damit, so die Ansicht vieler Experten, sei ein Meilenstein auf dem Weg zu einer klinischen Transplantation von Schweineherzen erreicht. „Diese Publikation ist bahnbrechend und überzeugend”, sagt Dr. Joachim Denner vom Robert Koch-Institut in Berlin gegenüber dem Science Media Center Germany. Und auch Prof. Dr. Rene H. Tolba, Direktor des Instituts für Versuchstierkunde an der medizinischen Fakultät im Uniklinikum der RWTH Aachen sagt: „Bei dieser Publikation handelt es sich um einen bedeutenden Schritt zur Etablierung der Xenotransplantation in der Medizin”.

„Wir möchten mit unserer Forschung helfen, den Organmangel in Europa und auch in Deutschland zu minimieren”

Prof. Dr. Bruno Reichart

Bruno Reichart hofft, schon bald im Rahmen klinischer Studien Schweineherzen Menschen zu transplantieren: „Wir könnten uns vorstellen – wenn alle Voraussetzungen gegeben sind – in drei Jahren zu beginnen, Xenotransplantation in der medizinischen Behandlung am Menschen anzuwenden.” Er glaubt, den Organmangel mittels Xenotransplantation langfristig beheben zu können. „Wir möchten mit unserer Forschung helfen, den Organmangel in Europa und auch in Deutschland zu minimieren”, so Reichart.

Die Hoffnung der Mediziner: Möglichst bald Schweineherzen zu transplantieren, um dadurch die Zeit zwischen Herzversagen eines Patienten und der Spende eines funktionstüchtigen Herzens überbrücken zu können. „Die Xenotransplantation könnte in Zukunft eine Alternative in Ermangelung humaner Spenderherzen oder für die eingeschränkte Verwendung künstlicher Herzen darstellen”, sagt Prof. Dr. Ralf R. Tönjes vom Paul-Ehrlich-Institut.

„Die Maßnahmen setzen genau da an, wo Schwachstellen in der Organisation und Zusammenarbeit mit den Entnahmekrankenhäusern bestehen.“

Dr. Axel Rahmel, Deutsche Stiftung Organtransplantation

Bis die Xenotransplantation tatsächlich eine Lösung für den menschlichen Organmangel darstellt, wird in Politik und Gesellschaft nach anderen Anreizen und Potenzialen gesucht. So hat die Bundesregierung Ende Oktober einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und die Strukturen der Organspende in Deutschland deutlich verbessern soll. Forderungen, die Experten auch bei Die Debatte als besonders notwendig gefordert hatten. Auch Dr. Axel Rahmel, medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organstransplantation (DSO) und ebenfalls Gast bei unserer Live-Debatte, lobte die Gesetzesinitiative: „Die Maßnahmen setzen genau da an, wo Schwachstellen in der Organisation und Zusammenarbeit mit den Entnahmekrankenhäusern bestehen.“

Doch nicht nur die Strukturen allein, sondern auch die juristische Grundlage  wird politisch derzeit diskutiert. So gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungsregelung. Nur, wer sich bewusst zu Lebzeiten zu einer Organspende bekennt, kann Spender werden. Eine Widerspruchsregelung hingegen würde jeden automatisch zum potentiellen Organspender machen, sofern er oder seine Angehörigen nicht widersprechen.

„Es zeigt sich, dass der Erfolg der Organspende auch sehr vom Engagement der Beteiligten und der Information der Öffentlichkeit abhängt.”

Dr. Axel Rahmel, Deutsche Stiftung Organtransplantation

Mit seinem Vorstoß, die Widerspruchsregelung auch in Deutschland einzuführen, löste Gesundheitsminister Jens Spahn im September 2018 eine gesamtgesellschaftliche Diskussion aus, die inzwischen auch im Bundestag kontrovers diskutiert wird. In einer offenen Orientierungsdebatte am 28.11.2018 formulierten bislang 38 Abgeordnete aller Fraktionen ihre persönliche Position. Erst Mitte 2019 soll über die zukünftige Regelung der Organspende in Deutschland im Bundestag abgestimmt werden. Dabei ist nicht nur die Politik, sondern auch die Wissenschaft geteilter Meinung.

Doch unabhängig davon, wie sich die deutsche Politik entscheiden wird: Bereits Mitte November lag die Zahl der Organspender in Deutschland bei 832 und damit deutlich über dem Jahreswert vom Vorjahr. „Allein die verstärkte Aufmerksamkeit auf das Thema hat vermutlich in den vergangenen Monaten dazu geführt, dass Ärzte und Pflegende im Klinikalltag häufiger an die Möglichkeit von Organspenden denken und den Kontakt zu uns aufnehmen“, sagt Axel Rahmel. „Es zeigt sich, dass der Erfolg der Organspende auch sehr vom Engagement der Beteiligten und der Information der Öffentlichkeit abhängt.”

Mehr zu dem Thema