Welche anderen Gründe für den Mangel an Organen sehen Sie?
Ich glaube, dass es da noch eine ganze Reihe gibt, die eng mit dem Transplantationsskandal verbunden sind. Aus den Krankenhäusern werden seit den Skandalen ab 2011 weniger Organspender gemeldet als vor dem Skandal. Warum das so ist, weiß man nicht genau. Einer der Gründe könnte darin liegen, dass es aufwendig ist die Familien von der Organspende zu überzeugen, wenn kein Ausweis vorhanden ist. Das ist sicherlich schwieriger geworden durch die Skandale und die herrschenden Vorurteile und so werden dann weniger Organspender gemeldet.
Außerdem vermute ich, dass seit es das Transplantationsgesetz gibt, das hohe (und wichtige) Anforderungen an die Feststellung des Todes und den gesamten Prozess stellt, der Prozess schlichtweg teurer geworden. Außerdem brauchen wir aus meiner Sicht dringend ein zentrales, digitalisiertes Register, was abrufbar sein muss, wenn der Hirntod festgestellt wurde. Sowas gibt es in Deutschland bisher nicht und es würde die Arbeit auf allen Ebenen erleichtern.
Die mangelnde Bereitschaft hat also durchaus auch etwas mit den Skandalen zu tun?
Auf jeden Fall. Es ist viel Vertrauen verloren gegangen und dieses muss nun mühsam wieder aufgebaut werden. Deshalb braucht es eine Mischung aus einer besseren Aufarbeitung der Skandale, kombiniert mit einem neuen Anreizsystem und einer Informationskampagne. Es zeigt sich immer wieder, dass wir zu wenig über Organspende wissen und uns zu wenig mit dem Thema auseinandersetzen, zumindest hier in Deutschland. Auch andere Länder zeigen, dass die Veränderung nur einer Komponente nicht wirklich nachhaltigen Erfolg verspricht.
In Spanien – das europaweit führend bei den Organspenden ist – haben sie beispielsweise das Opt-Out-System zehn Jahre bevor es überhaupt merkliche Änderungen im Verhalten gab eingeführt. Den richtigen Anstieg gab es dann erst, als Informationskampagnen gestartet wurden und viel Geld in die Auseinandersetzung mit dem Thema investiert wurde. Dort gibt es beispielsweise in jedem Krankenhaus speziell ausgebildete, hauptamtliche Spezialisten, die die Organspende verantworten. Das hilft enorm, bildet Vertrauen und entlastet die einzelnen Ärzte.