Wie könnte die Situation in den Krankenhäusern verbessert werden?
Wenn man Anreize setzt, muss man sie dort setzen, wo auch die knappe Ressource ist – also bei den entnehmenden Krankenhäusern. Und das findet in unserem Gesundheitssystem gegenwärtig nicht ausreichend statt. Es braucht freigestellte Transplantationsbeauftragte, die diese Aufgaben während der bezahlten Arbeit mit voller Priorität erledigen können. Bayern hat diesen Schritt schon vollzogen und hatte entgegen des Bundestrends eine positive Entwicklung der Spenderzahlen. Hamburg plant ähnliches. Dazu müssen sie in den Teams der Krankenhäuser eine Kultur der Organspende, im Sinne von mehr Selbstverständlichkeit und Wertschätzung schaffen, auch wenn die Organentnahme für alle Beteiligten belastend ist.
Einer der Gründe, der häufig angeführt wird, wenn Menschen sagen, sie wollen nicht spenden, ist die Angst vor Missbrauch. Wie begründet sind diese Sorgen und Ängste?
Die Ängste und Befürchtungen in der Bevölkerung, Ärzte würden eine noch erfolgversprechende Behandlung abbrechen, sind unbegründet. Denn für das betreffende Krankenhaus besteht ja überhaupt kein Anreiz – ganz im Gegenteil. Zudem gibt es klar festgelegte diagnostische Tests, um den irreversiblen Ausfall der Gehirnfunktion festzustellen. Allerdings gibt es innerhalb der Wissenschaft einen Diskurs darüber, wann ein Mensch wirklich tot ist. Für potentielle Spender hat dieser wissenschaftliche Streit aber keine praktische Relevanz.
Aus meiner Sicht ist die geringe Spendenbereitschaft eher darauf zurückzuführen, dass das Thema keine akute Relevanz für das Leben der Bürger hat und man sich stark mit dem psychologisch belastenden Thema Tod beschäftigen muss. Die Wahrscheinlichkeit des Hintods liegt bei etwa 1:1000, wieso sollten sich die Menschen also mit etwas beschäftigen, was sehr unwahrscheinlich eintritt?