Obwohl es noch ein weiter Weg ist, bis man mit künstlichen Organen tatsächlich Leben rettet, haben die gezüchteten Organoide bereits jetzt ein großes medizinisches Potenzial – und zwar als Testsysteme für Medikamente. „Unsere kleinen Nieren sind schon jetzt gut geeignet, um die Toxizität von Medikamenten zu erkennen.“ sagt Davies. „Da ein Fünftel der Nierenschäden bei Menschen über 60 Jahren von Medikamenten verursacht wird, sehen wir großes Potenzial mithilfe der gezüchteten Nieren neue Medikamente entwickeln zu können, die keine Nierenschäden verursachen. Dann bräuchten wir in Zukunft weniger Spendernieren.” Auch Svenja Hinderer sieht in diesem Bereich derzeit das größte Potenzial für künstlich hergestellte Organe und Gewebezellen: „Wenn wir Organe bereits auf ganz kleiner Struktur nachbilden können, haben wir die Möglichkeit, diese als Testsysteme für Medikamente einzusetzen oder als Modelle um Krankheiten zu untersuchen. Dadurch können wir Medikamente direkt an menschlichen Zellen testen und bräuchten dafür keine Tierversuche.“
Allein wegen der pharmazeutischen Anwendung, der bereits klinisch angewendeten, zellbasierten Produkte, und durch die Perspektive, langfristig dem Organmangel entgegenzutreten, ist das große Potenzial des Tissue Engineering unbestritten. Eine Lösung für den akuten Organmangel in Deutschland ist es aber momentan noch nicht: „Dass künstliche Organe irgendwann die Organspende ersetzen, halte ich für möglich, aber das wird vermutlich noch Jahrzehnte dauern”, sagt Sittinger. Und auch Hinderer betont: „Man sollte weiterhin zur Organspende aufrufen, denn so schnell werden wir das Problem nicht lösen“.