„Wir müssen die Freude an der Natur wiedergewinnen”

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Florian G. Kaiser

Fällt es Menschen schwer, auf Plastik im Alltag zu verzichten?

Plastik ist omnipräsent. Deshalb fällt uns der Verzicht auf Plastik schwer. Zum Beispiel sind viele Lebensmittel schon von vornherein in Plastik verpackt, was uns dazu veranlasst, das Plastik zusammen mit dem Lebensmittel mitzunehmen. Da spielt dann sicherlich auch die Bequemlichkeit von uns Menschen eine Rolle. Denn wenn Obst und Gemüse bereits in Plastik verpackt sind, besteht kein Grund, dieses auszupacken und in den mitgeschleppten Jutesack umzupacken.

Ist es also auch eine Frage der Gewohnheit, dass wir an der Obsttheke zur Plastiktüte greifen?

Es ist nicht so einfach, Gewohnheiten von strukturellen Gegebenheiten zu trennen. Wenn Plastiktüten vorhanden sind, werden wir diese auch nutzen. Aber das hat nichts mit einer Gewohnheit oder dem inneren Antrieb zu tun. Gewohnheiten sind nicht der alleinige Grund dafür, weshalb wir etwas tun. Unser Verhalten wird ebenso geprägt von den Bedingungen, in denen wir leben.

„Die Menschen müssen von sich aus bereit sein, Steuerungsmaßnahmen wie Verbote zu akzeptieren.”

Was wären mögliche Lösungsansätze?

Man kann diese Rahmenbedingungen verändern und könnte z.B. Plastikprodukte steuerlich belasten. Dadurch würden viele Plastikprodukte im täglichen Gebrauch durch andere ersetzt. Gleichzeitig muss man aber beachten, dass es bei jeder Veränderung der Rahmenbedingungen Personen geben wird, die sich an der Änderung stören. Es ist daher entscheidend, dass eine jede Veränderung von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird.

Würde es helfen, Plastikprodukte zu verbieten?

Auch das geht nur, wenn die Bevölkerung es mitträgt. Die Menschen müssen von sich aus bereit sein, Steuerungsmaßnahmen wie Verbote zu akzeptieren. Wenn diese Bereitschaft nicht vorhanden ist, wird die Bevölkerung Verbote und andere Maßnahmen nicht tolerieren und die Politik dafür später bei Wahlen abstrafen.

Welche anderen Anreize gibt es, um Plastik in unserem Alltag zu reduzieren?

Was immer wirkt sind, wie schon gesagt, monetäre Anreize, also beispielsweise für die Plastiktüte im Supermarkt einen kleinen Aufschlag zu verlangen. Seitdem in Wales 2011 Gebühren für Plastiktüten eingeführt wurden, ist der Gebrauch von Plastiktüten zurückgegangen. Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen gestiegen, die ihre eigene Tüte zum Einkauf mitbringen. Doch auch hier braucht es ein ausreichendes Bewusstsein in der Bevölkerung, damit diese Änderungen auch tatsächlich akzeptiert werden.

Reicht es, Menschen besser über die negativen Auswirkungen von Plastik zu informieren, um ein solches Bewusstsein zu erzeugen?

Es braucht mehr als die bloße Information, damit man an seinem Verhalten etwas ändert. Tatsächlich ist es sogar so, dass ein gewisses Maß an Bewusstsein bereits vorhanden sein muss, damit die Leute überhaupt Informationen zur Kenntnis nehmen. Erst wenn wir selber von der Sinnhaftigkeit des Klima- und Umweltschutzes überzeugt sind, unterstützen wir auch die Reduzierung von Plastikmüll und überdenken unser eigenes Tun.

„Wir wissen beispielsweise, dass Menschen, die eine positive Einstellung zur Natur haben, auch eine positivere Einstellung dem Klima- und Umweltschutz gegenüber haben.”

Kann man sagen, wie bewusst die Deutschen in Bezug auf Klima- und Umweltschutz sind?

Tatsächlich beobachten wir, dass dieses Bewusstsein in den vergangenen 20 Jahren leicht gestiegen ist. Ob Klimawandel, Elektromobilität oder der Ausstieg aus der Kohle – Umweltthemen sind inzwischen Teil des öffentlichen Diskurses in Medien, Wissenschaft und Politik. Wir vermuten, dass diese Präsenz im gesellschaftlichen Diskurs u.a. auch dazu geführt hat, dass wir alle von der Sinnhaftigkeit des Klima- und Umweltschutzes zunehmend überzeugt sind.

Welche Rolle spielt denn die Natur für uns Menschen?

Viele Menschen verbringen wenig Zeit in der Natur. Wir wechseln in unserem Dasein oft nur noch zwischen Wohnung, Auto und Arbeitsplatz. Dabei müssten wir vielmehr den persönlichen Nutzen von Natur regelmäßig in unserem Alltag erfahren. Denn warum sollte man Plastikmüll vermeiden und Umweltschutz betreiben, wenn nicht aus gutem Grund das bewahren, was einem nützt. Damit wir den Nutzen von Natur wieder erfahren, halte ich es für wichtig, dass wir mehr Zeit in der Natur verbringen.

Welche Auswirkungen hat denn ein Waldspaziergang beispielsweise für unser Umweltbewusstsein?

In unserer Arbeitsgruppe erforschen wir konkret den Einfluss der Naturnutzung auf das Umweltbewusstsein. So wissen wir beispielsweise, dass Menschen, die eine positive Einstellung zur Natur haben, auch eine positivere Einstellung dem Klima- und Umweltschutz gegenüber haben. Das selbstverständliche und häufigere Aufhalten in der Natur könnte also tatsächlich vielen das Gefühl geben, dass die Natur wichtig und daher auch unsere Umwelt schützenswert ist. Und das ist ja der Kern des Umweltbewusstseins.

Zur Person

Florian G. Kaiser ist Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Schwerpunkte seiner Forschung sind individuelle Einstellungen, persönliche Nachhaltigkeit, Umweltbildung und Umweltschutz.

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