Das Testbedürfnis Schwangerer aller Altersgruppen wächst stetig. „Es werden deutlich mehr Bluttests in Anspruch genommen als früher“, erklärt Humangenetiker Dr. Gregor Schlüter vom MVZ Pränatalmedizin, Gynäkologie und Genetik in Nürnberg. Pränatale Untersuchungen ermöglichen es, immer mehr Informationen über das ungeborene Leben zu erhalten. Dr. Dagmar Schmitz von der Uniklinik RWTH Aachen befürchtet, dass Schwangere in einen Diagnostikstrudel geraten.
Um über die Möglichkeiten und Aussagekraft vorgeburtlicher Untersuchungen aufzuklären und damit Schwangere informierte, selbstbestimmte Entscheidungen treffen können, sind eine „neutrale Aufklärung und sachliche Informationen“ notwendig, meint Dr. Marion Janke, Leiterin der Informations- und Vernetzungsstelle Pränataldiagnostik in Stuttgart.
Genauso wichtig wie eine umfangreiche Aufklärung kann aber auch der bewusste Verzicht auf Informationen sein: Das Recht auf Nichtwissen ist ein „Selbstschutz in dieser besonderen Situation vor dem eigenen Bedürfnis nach Wissen und Aufklärung“, sagt der Philosoph Dr. Joachim Boldt von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Dieses Recht werde in der Pränataldiagnostik aber „mutmaßlich massenhaft missachtet“, erklärt der Göttinger Jurist Prof. Dr. Gunnar Duttge.
Wenn Schwangere und Familien sich für ein Kind mit genetischer Erkrankung entscheiden, wirkt sich das in der Regel auf den familiären Alltag aus. Dr. Christopher Kofahl vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf erklärt im Interview, dass diese Familien zwar rechtliche Ansprüche, zum Beispiel auf eine professionelle Pflege hätten, die Umsetzung in der Realität sich allerdings aufgrund fehlender Pflegekräfte schwierig gestalte. Familien mit pflegebedürftigen Kindern würden häufig durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen in ihrem Leben behindert, erklärt der Diplom-Psychologe.
In einer Live-Debatte diskutierten Prof. Dr. Klaus Zerres, Emeritus am Uniklinikum der RWTH Aachen, Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust (Bundesvereinigung Lebenshilfe) und Dr. Sabine Könninger vom Gen-ethischen Netzwerk über die Einführung der nicht invasiven Bluttests als Kassenleistung. Die Debatte hat gezeigt: Die Wissenschaftler*innen sind sich uneins. Der NIPT ist ein medizinischer Fortschritt, beinhaltet jedoch eine Menge ethischer Implikationen. Kritiker*innen des Tests verurteilen primär die Finanzierung durch die Öffentlichkeit und den breiten Zugang. Es suggeriere, dass Menschen mit Trisomie gesellschaftlich nicht erwünscht sind, so Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Die individuelle, selbstbestimmte Entscheidung von Schwangeren, den Test durchzuführen oder nicht, wird nicht kritisiert.