Für die Hebamme Angelica Ensel zeigt die Entwicklung der Schwangerenvorsorge einen großen Trend: Pränataldiagnostische Untersuchungen wurden zunächst für Schwangere mit bestimmten Indikationen empfohlen, wie etwa Frauen mit einem sogenannten „Altersrisiko“ für ein Kind mit einer Behinderung. Sukzessive wurden die Untersuchungen dann allen Schwangeren angeboten, wobei eine Reihe von Untersuchungen als Individuelle Gesundheitsleistungen selbst bezahlt werden müssen. So seien vorgeburtliche genetische Untersuchungen zur Normalität geworden und haben den „Auftrag für die Schwangere” verändert: „In früheren Zeiten verwies die Bezeichnung der Schwangerschaft als „Zeit der guten Hoffnung“ darauf, dass es vor allem darum geht, zuzulassen, was im eigenen Körper geschieht und mit dem Kind in Verbindung zu sein. Heute müssen Frauen von Anfang an viele Entscheidungen treffen und die Schwangerschaft managen”, kritisiert Ensel.
Das sogenannte Ersttrimesterscreening – bei dem etwa nach Anzeichen für ein Down-Syndrom beim Embryo gesucht wird – führen Ärzt*innen zwischen der 12. und 14. Schwangerschaftswoche durch. Die Paare müssen sich spätestens bei der zweiten gynäkologischen Untersuchung damit auseinandersetzen, ob sie das Screening machen wollen. Die Verantwortung für ein gesundes Kind würde den Eltern zugeschoben – für die sei die „Entscheidungsmöglichkeit” häufig auch eine „Entscheidungslast”: „Statt der Auseinandersetzung mit den anstehenden großen Veränderungen, die immer mit der Geburt eines Kindes verbunden sind, ist nun die Auseinandersetzung mit einer möglichen Behinderung oder Erkrankung des Kindes im Fokus und verengt den Blick”, so Ensel. Viele Eltern würden sich dann für das Screening entscheiden, mit dem Wunsch beruhigt zu sein – das Bewusstsein dafür, was diese Untersuchungen nach sich ziehen können, fehle häufig.