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Quantentechnologien: What’s the hype?

Versprechen, Hoffnungen und Potenziale einer neuen Technologie

Eine technologische Revolution, ungeahnte Potenziale, Antworten auf unlösbar scheinende Probleme: all das versprechen Quantentechnologien, die derzeit einen regelrechten Boom erfahren. In München und Niedersachsen entstehen „Quantum Valleys“, es werden Exzellenzcluster wie das ML4Q gegründet, Studiengänge entwickelt und große Fördersummen ausgeschüttet – unter anderem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). „Es hat schon einen Grund, weshalb das Gebiet derzeit mit Geld – man könnte sagen – überflutet ist, einerseits von staatlichen Quellen, aber auch durch private Investoren“, sagt Prof. Dr. Ilia Polian, Leiter des Instituts für Technische Informatik an der Universität Stuttgart. „Viele Menschen nehmen also Geld in die Hand, weil sie an diese Technologien glauben.“ Doch was steckt hinter Quantentechnologien, von denen die wohl bekannteste der Quantencomputer ist? Wie werden sie die Welt und das gesellschaftliche Zusammenleben verändern? Auf diese und viele andere Fragen hat Die Debatte Antworten gesucht. Aber erst einmal: Was versteht man unter Quantentechnologien eigentlich?

„Es hat schon einen Grund, weshalb das Gebiet derzeit mit Geld überflutet ist, einerseits von staatlichen Quellen, aber auch durch private Investoren.“

Prof. Dr. Ilia Polian, Institut für Technische Informatik an der Universität Stuttgart

Quanten nennt man in der Physik die kleinste messbare Einheit, zum Beispiel von Lichtenergie. Entdeckt wurde ihre Existenz zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Max Planck, der bei der Untersuchung schwarzer Körper herausgefunden hat, dass Licht in winzigen Energie-Päckchen abgegeben wird – diese bezeichnete Planck als Quanten. Diese kleinste Einheit an Lichtenergie taufte Albert Einstein wenige Jahre später „Photon“ und stellte eine revolutionäre Hypothese auf: Photonen können sich sowohl wie Teilchen als auch wie eine Welle verhalten. Mehrere verschiedene Zustände gleichzeitig einnehmen? Genau das können Quanten und widersprechen damit dem menschlichen Alltagsverständnis der Naturgesetze. 

Gleichzeitig ist dieser Effekt eines der grundlegenden Prinzipien für Technologien wie Quantencomputer. Man spricht dabei von Überlagerung oder Superposition – was das praktisch bedeutet, wird im Vergleich von klassischen Bits und Quanten-Bits („Qubits“) deutlich: Während Bits zu einem bestimmten Zeitpunkt entweder 0 oder 1 darstellen können, besitzen Qubits die Fähigkeit, einen Überlagerungszustand einzunehmen. In einem gewissen Sinn können Sie also den Zustand „gleichzeitig 0 und 1“ oder einen von zahlreichen Zuständen dazwischen einnehmen. „Die klassischen Computer unterscheiden sich also insofern, als das System keine Überlagerungszustände einnehmen kann – das System befindet sich zu jedem Zeitpunkt in einem Zustand mit eindeutigem Messergebnis“, erklärt Dr. Manuel Rispler, Physiker am Institut für Quanten Information (QI) der Jülich Aachen Research Alliance (JARA)

Die Fähigkeit zur Überlagerung ist dementsprechend zentral für die Entwicklungen, die im Bereich der Quantentechnologien derzeit erfolgen. Doch der Quantencomputer ist nicht das einzige Forschungsobjekt: „Quantentechnologien sind ein breites Feld“, sagt Ilia Polian. Tatsächlich findet bereits die zweite Quantenrevolution statt: „Die erste richtig geläufige Entwicklung aus dem Bereich der Quantentechnologien war der Laser, der heute relativ üblich ist“, sagt Polian, und führt aus: „Eine Zeit lang war der Laser in dieser Hinsicht einzigartig, aber inzwischen gibt es viele verschiedene Ausprägungen von Quantentechnologien.“ Erfindungen wie Atomuhren, Magnetresonanztomographen und das Internet machen sich ebenfalls quantenmechanische Gesetzmäßigkeiten zu Nutze. „Auch in ganz klassischen Prozessoren steckt die ein oder andere Form von Quantentechnologie, um überhaupt so feine Strukturen wie beispielsweise Halbleiterchips betreiben zu können“, erklärt Manuel Rispler. 

Von diesen Quantentechnologien der ersten Generation unterscheidet sich die zweite Generation dadurch, dass letztere aktiv einzelne Teilchen in Quantenzuständen präparieren, übertragen und verarbeiten. „Eine Rechnung am Quantencomputer auszuführen heißt letztendlich, dass man die Quantenzustände kontrolliert manipuliert“, sagt Rispler. Die Quantentechnologien der zweiten Generation stehen heutzutage im Fokus der Forschung und Entwicklung. Polian erklärt: „Das kann man grob in drei Bereiche aufteilen: Quantencomputing, Quantenkryptographie oder -kommunikation und das Engineering mit Quantenzuständen.“

Bei der Kommunikation mit Hilfe von Quantentechnologien macht man sich laut Ilia Polian gewisse Eigenschaften von Quanteninformationsdarstellung zu Nutze, um ein Abhören zu verhindern. Das Quantum Engineering (auf Deutsch: Quanten-Ingenieurswesen) ist wiederum unterteilbar in die Bereiche Metrologie (oder Quantum Sensing) und Lithographie: „Das Quantum Sensing basiert darauf, ganz kleine physikalische Effekte auszunutzen, die man erst sieht, wenn man solche fragilen Zustände hat“, erklärt Polian. Quantenlithographie hingegen beschäftige sich mit dem Druck winzig kleiner Strukturen: „Klassisch wird Lithographie ja mit Buchdruck assoziiert, aber man hat Varianten davon auch für Dinge wie die Chip-Fertigung entwickelt.“ Derartige Verfahren bringen unter anderem eine Verbesserung der Druckauflösung mit sich.

„Auf rund 50 Qubits wurde bereits ein bestimmter Algorithmus ausgeführt, der zeigt, dass diese Maschine Dinge kann, die man mit einem normalen Computer nicht mehr nachvollziehen kann“

Dr. Manuel Rispler, Institut für Quanten Information der Jülich Aachen Research Alliance

Diese Arten von Quantentechnologien sind übrigens nicht nur Zukunftsmusik: „Die Quantenkommunikation ist zum Beispiel etwas, das marktreif ist“, sagt Polian. „Auch im Bereich Sensing und Lithographie gibt es Anwendungen, die bereits auf dem Markt sind und jetzt schon Nutzen entfalten.“ Was das Quantencomputing anbelangt, sei 2019 durch Google ein Meilenstein erreicht worden: Seither spricht man von Quantenüberlegenheit, oder auch vom Quantenvorteil. „Auf rund 50 Qubits wurde bereits ein bestimmter Algorithmus ausgeführt, der zeigt, dass diese Maschine Dinge kann, die man mit einem normalen Computer nicht mehr nachvollziehen kann“, erklärt Manuel Rispler. Polian ergänzt: „Noch ist man nicht über den Berg, aber es gibt viele Leute, die fest daran glauben, dass diese Technologien in überschaubarer Zeit zu besseren Rechnern führen und Berechnungen ermöglichen, die vorher nicht lösbar gewesen wären.“

Und was erhofft man sich in Zukunft von Quantentechnologien? Zum Beispiel fundamental schnellere Berechnungen durch Quantencomputer: „Da möchte man sich Problemklassen erschließen, die momentan nur ungenau berechnet werden können, zum Beispiel in der Arzneimittelentwicklung“, erläutert Polian. Auch in Bezug auf Quantenkommunikation, -metrologie und -engineering sei jeweils mit fundamentalen Verbesserungen zu rechnen, zum Beispiel in Bezug auf Schnelligkeit, Sicherheit oder Auflösung.

Inwiefern Einzelpersonen mit den neuen Technologien konfrontiert sein werden, ist noch offen: „Es ist schon sehr gut möglich, dass man damit etwas zu tun haben wird“, meint Polian. „Man müsste aber nicht im Detail verstehen, wie das physikalisch funktioniert – das muss man im Moment mit klassischen Computern ja auch nicht.“ Gut so. Schließlich wusste schon der Physiker Richard Feynman: „Wer glaubt, die Quantentheorie verstanden zu haben, hat sie nicht verstanden.“

Quelle: acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften / acatech HORIZONTE