Atomuhren auf der Basis atomarer Quantenzustände dienen bereits seit Jahrzehnten als Zeitreferenz für Präzisionsmessungen und sind heute auch allen, die dank Navi zum Ziel finden, eine große Hilfe im Alltag. Die Metrolog*innen um Simon Stellmer entwickeln neue Höhenreferenzsysteme, die ans Gravitationsfeld der Erde gekoppelt sind und über ganz Europa hinweg eine Ungenauigkeit von nur wenigen Zentimetern haben.
Das ist für Klimawissenschaftler*innen von hoher Relevanz: Die Geräte sollen zukünftig beispielsweise die Massen von Eisschilden und Gletschern oder die Veränderung des Meeresspiegels und von Ozeanströmungen genauer bestimmen und sichtbar machen, um die Mechanismen des globalen Klimasystems besser zu verstehen. „Wir wollen quantifizieren, was die Auswirkungen des Klimawandels sind und wie sich beispielsweise Grundwasser und Meeresspiegel verändern, um eines Tages wichtige Trends genauer zu bewerten und mögliche Folgen vorhersagen zu können“, sagt Simon Stellmer.
Bei der Entwicklung von Atomuhren machen sich Metrolog*innen ausgerechnet jene Fragilität von Quantenzuständen und -systemen zunutze, die bei der Entwicklung von Quantencomputern so große Probleme bereitet. Denn Fragilität gegenüber äußeren Einflüssen bedeutet nichts anderes als hohe technische Messempfindlichkeit, weshalb sich mit modernen Quantensystemen physikalische Größen wie Druck und Temperatur, Zeit und Geschwindigkeit, elektrische und magnetische Felder, die Position oder die Gravitation extrem präzise messen lassen.
Experimentalphysiker Artur Zrenner kann zahlreiche weitere Beispiele nennen, die zeigen, welche Fortschritte sich Fachbereiche wie Physik, Informatik oder Ingenieurswesen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten von Quantentechnologien der zweiten Generation erhoffen. „In vielen Forschungsbereichen sind Quantentechnologien ein wunderbares Werkzeug“, sagt er. Die höchstgenauen Atomuhren und Quantensensoren ließen nicht nur in der Erd- und Bodenerkundung auf große Durchbrüche hoffen, sondern auch in der medizinischen Diagnostik. So könnten mit Hilfe verbesserter Magnetfeldsensoren Gehirnaktivitäten zukünftig viel präziser gemessen werden, als das bislang der Fall ist. Ein genaueres Verständnis und eine frühzeitigere Diagnose von Krankheiten wie Alzheimer, so das große Versprechen, könnten die Folge sein. Hier sei mit ersten Anwendungen schon in fünf bis zehn Jahren zu rechnen, schätzt Zrenner. Und in der Biomedizin setzten Forschende auf deutlich verbesserte Bildgebungsverfahren, die für Patient*innen zugleich mit erheblich schonenden Eingriffen verbunden wären.