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How to win an election

Welche Rolle spielt der Wahlkampf für die Wahlentscheidung?

Politiker*innen blicken lächelnd von Wahlplakaten, stehen beim Sommerinterview Rede und Antwort oder diskutieren in TV-Triellen miteinander: Der Bundestagswahlkampf 2021 ist in die heiße Phase getreten und die Parteien ringen um die Gunst der Wählerschaft. Was können sie tun, um Wähler*innen zu überzeugen?

Kein Wahlkampf ist gleich

Ein Standardrezept, wie Parteien in Wahlkampagnen Wähler*innen für sich gewinnen können, gibt es nicht. „Die Ausgestaltung von Wahlkämpfen ist stark situationsabhängig. Die ganze Strategie richtet sich nach den jeweils anfallenden Themen, die gerade in der Bevölkerung als wichtig gelten sowie nach der politischen und ökonomischen Situation im Land“, sagt Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha, Kommunikationswissenschaftlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Kampagnen der Parteien können dabei noch so gut geplant sein. Wie die Überflutungen in Westdeutschland oder der Fall Afghanistan zeigen, setzen unvorhersehbare Entwicklungen und Ereignisse plötzlich neue Themen, auf die die Wahlkämpfer*innen reagieren müssen.

„Wahlkämpfe verändern sich immer mit den zur Verfügung stehenden Kommunikationsmitteln.“

Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Da lassen sich Politiker*innen dann im Flutgebiet von der Presse ablichten und beziehen in Fernsehinterviews und TV-Duellen bzw. -Triellen Stellung zu den veränderten Schwerpunkten. Das ist einfach in einer Zeit, in der Wahlkampf nicht mehr nur auf klassische Wahlkampfinstrumente wie Wahlplakate, Programme oder die Begegnung von Politiker*innen und Wähler*innen auf dem Wochenmarkt angewiesen ist, sondern elektronische Medien wie das Fernsehen oder Social Media Inhalte so schnell wie nie verbreiten. „Wahlkämpfe verändern sich immer mit den zur Verfügung stehenden Kommunikationsmitteln“, so Holtz-Bacha.

Ein verzerrter Wettkampf? Medialisierung von Wahlkämpfen

Laut Holtz-Bacha haben die neuen Medien die klassischen Wahlkampfinstrumente jedoch nicht obsolet gemacht. Dennoch haben sie die Wahlkampfkommunikation nachhaltig verändert und bestimmen heute maßgeblich die Kommunikation zwischen Parteien und Wähler*innen. „Der Wahlkampf hat sich der Medienlogik angepasst, Reichweite und Kommunikationsstrategien sind besonders wichtig“, erklärt Prof. Dr. Uwe Jun, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier. Dabei misst er Bildern eine große Bedeutung bei: „Bilder sind Teil des Ereignis- und Themenmanagements sowie der Präsentation und Inszenierung der Parteien und Kandidat*innen. Sie beeinflussen, wie eine Partei und ihre Kandidat*innen wahrgenommen werden.“

„Jeder Wähler konstruiert zwar sein eigenes Bild von Kandidat*innen und Parteien; die mediale Darstellung beeinflusst diese Imagekonstruktion jedoch wesentlich.“

Prof. Dr. Uwe Jun, Universität Trier

Bilder, die die Medien von Parteien und ihren Politiker*innen in die Öffentlichkeit bringen, können sich erheblich auf ihr Image auswirken, so Jun. „Jeder Wähler konstruiert zwar sein eigenes Bild von Kandidat*innen und Parteien; die mediale Darstellung beeinflusst diese Imagekonstruktion jedoch wesentlich.“ Parteien und Spitzenkandidat*innen können somit durch geschicktes Agieren mit den Medien, ihr Erscheinungsbild bei den Wähler*innen positiv beeinflussen.

Es kann aber auch nach hinten losgehen, sagt Jun: „Im aktuellen Wahlkampf erleben wir gerade, dass die medial beeinflusste Konstruktion des Wähler*innenwillens auch eine Eigendynamik zugunsten oder zulasten einzelner Parteien oder Personen entfalten kann.“ Ein Beispiel sei die momentan zu beobachtende Anti-Stimmung gegen den Kanzlerkandidaten der Union, der von vielen nur noch durch die negative Brille wahrgenommen werde. Das wirke sich dann eben auch darauf aus, wie die Wähler*innen letztlich abstimmten.

Von medialen Darstellungen Dritter unabhängig sind die Wahlkämpfer*innen in den Sozialen Medien. Holtz-Bacha warnt jedoch: „Die Sozialen Medien führen zu einer neuen Form von Sichtbarkeit. Die Wahlkämpfer*innen sind nie unbeobachtet, jeder Fehler kann direkt in Umlauf gebracht werden.“

„Seit geraumer Zeit sehen wir, dass es bis zum Wahltag eine große Zahl an Unentschiedenen gibt. Die Parteien haben daher allen Grund sich anzustrengen und müssen bis zum letzten Tag Wahlkampf machen.“

Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Spannend bis zum Schluss: Wähler*innen an die Urne!

So divers die Kommunikationskanäle der Wahlkämpfer*innen auch sind, letztlich zählt, welches Bild sich die Wähler*innen von letzteren machen. Anders als in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik ist die Parteienlandschaft heute diverser und die Wähler*innen nutzen diese Auswahl. Die sogenannten Wechselwähler*innen sind eine wichtige Zielgruppe. „Die kleinen Parteien können sich mehr auf die Themen ihrer Stammwählerschaft konzentrieren. SPD, Union und Grüne – also die Parteien, die ins Kanzleramt wollen – hingegen müssen viel stärker in den Parteienwettbewerb treten, um Wechselwähler*innen von sich zu überzeugen“, so Jun.

Themenkompetenz, Sichtbarkeit und keine Fehler. Holtz-Bacha ist davon überzeugt, dass es sich für Parteien und Spitzenkandidat*innen lohnt, die Wähler*innen bis zum Ende zu motivieren und von sich zu überzeugen: „Seit geraumer Zeit sehen wir, dass es bis zum Wahltag eine große Zahl an Unentschiedenen gibt. Die Parteien haben daher allen Grund sich anzustrengen und müssen bis zum letzten Tag Wahlkampf machen.“

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