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Bilder, die die Wahl bewegen?

Ein Gespräch mit Dr. Karin Liebhart

Frau Dr. Liebhart, Sie forschen zu visueller politischer Kommunikation. Das ist in Wahlkampfzeiten besonders interessant. Welche politische Wirkmacht haben Bilder?

Bilder haben eine wichtige Funktion für die Vermittlung politischer Inhalte in Wahlkämpfen. In der politischen Kommunikation werden Bilder dazu genutzt, Personen oder Themen sichtbar zu machen und gleichzeitig bestimmte Vorstellungen zu aktivieren. Die Wiederholung und Akzentuierung von Bildmotiven kann bestimmte Deutungen nahelegen. Für Agenda-Setting oder Image-Management und für die politische Kommunikation sind Bilder daher sehr interessant. Denn es geht immer – nicht nur jetzt im Wahlkampf – darum, politische Botschaften auch ästhetisch zu verpacken. Ohne visuelle Vermittlung von Inhalten, Positionierungen und Kandidat*innen kann man politische Kommunikation eigentlich gar nicht zielführend betreiben.

Welche Vorteile haben Bilder gegenüber Texten?

Bilder haben gegenüber Texten oder gesprochener Sprache den Vorteil, dass sie assoziativ wirken. Das heißt, wenn man ein Bild sieht, dann werden im Kopf andere Bilder aktiviert, die in einem persönlichen – oder auch kollektiven – Bildarchiv gespeichert sind. Über Assoziationen und Analogiebildungen können so Inhalte vermittelt werden, die sich auf der Textebene nicht so einfach kommunizieren lassen.

„Bilder werden schneller wahrgenommen und verarbeitet als textbasierte Informationen, man erinnert sich leichter an sie, sie haben ein höheres Glaubwürdigkeits- und ein stärkeres Mobilisierungspotential.“

Beeinflussen Bilder das Verhalten von Wähler*innen?

Es ist nicht so, dass man ein Bild sieht und durch dieses Bild dazu bewegt wird, sofort diese oder jene Partei oder bestimmte Politiker*innen zu wählen. Die Forschung weist aber darauf hin, dass vor allem Personen, die sich eher weniger mit Politik beschäftigen, stärker auf visuelle Elemente des Wahlkampfs reagieren. Das hängt mit dem sogenannten Bildüberlegenheitseffekt zusammen: Bilder werden schneller wahrgenommen und verarbeitet als textbasierte Informationen, man erinnert sich leichter an sie, sie haben ein höheres Glaubwürdigkeits- und ein stärkeres Mobilisierungspotential. Bilder können das Wahlverhalten also durchaus beeinflussen. Man sollte aber bedenken, dass Bilder normalerweise nicht alleine daherkommen. Es werden meist Mischformen aus Bild, Text und gegebenenfalls Ton kommuniziert, die in ihrem Zusammenspiel in einen bestimmten Kontext eingebettet sind und auch in einem bestimmten Kontext wahrgenommen werden.

Hat sich die Bedeutung und Wirkung von Bildern mit der Medialisierung und Digitalisierung von Wahlkämpfen verändert?

Ja, ganz sicher. Allein schon, weil eine Vielzahl verschiedener Medien, also traditioneller Medien und Sozialer Medien, gleichzeitig verfügbar ist und Bildmaterial – abgesehen vom Radio – in all diesen Medien verwendet wird. Das eröffnet Möglichkeiten für Cross-Media-Wahlkämpfe, bei denen man in bestimmten Online- und Offline-Medien und Formaten gezielt bestimmte Aspekte einer Botschaft verbreiten und Zielgruppen spezifisch ansprechen kann. Außerdem ist der Professionalisierungsgrad gestiegen: Politische Kommunikation und Wahlkämpfe werden unter Einbezug von Beratungsagenturen sehr exakt geplant, Zielgruppen und politische Mitbewerber*innen werden genau beobachtet und Social-Media-Teams kümmern sich um die verschiedenen Kanäle. Durch die stärkere Medialisierung von Wahlkämpfen haben digitale Kommunikationskanäle enorm an Bedeutung gewonnen und die Möglichkeiten für visuelle Inszenierungen haben sich erweitert. Unterschiedliche Plattformen ermöglichen verschiedene Ausdrucksformen, folgen aber auch verschiedenen Konventionen und sprechen verschiedene Zielgruppen an.

„Durch das Erstellen, Verändern und Teilen von Memes können User*innen sich in einer niedrigschwelligen Form in die politische Diskussion einmischen.“

Welche Rolle spielen Soziale Medien und Internetphänomene wie Memes für die Verbreitung und Rezeption politischer Bilder?

Soziale Medien spielen eine sehr wichtige Rolle. Auch aufgrund ihrer Bedeutung für Anschlusskommunikation durch traditionelle Medien wie Tageszeitungen. Journalist*innen übernehmen häufig Inhalte aus Sozialen Medien oder kommentieren diese und tragen so zu deren Weiterverbreitung bei.

Memes als Mittel der politischen Kommunikation sind ein relativ junges Phänomen. Durch das Erstellen, Verändern und Teilen von Memes können User*innen sich in einer niedrigschwelligen Form in die politische Diskussion einmischen. Memes sind also nicht nur eine beliebte Form der Alltagskommunikation, sondern werden zunehmend für ironische politische Kommentare in den Sozialen Netzwerken verwendet, etwa um Politiker*innen und deren politische Positionen zu kritisieren oder zu delegitimieren. Unterstützende Memes sind seltener.

Inwieweit werden Bilder von Politiker*innen bewusst inszeniert?

Bilder, die in der Selbstdarstellung von Politiker*innen verwendet werden, sind nahezu immer inszeniert. Sie sind auf eine bestimmte Art und Weise, aus einem bestimmten Blickwinkel und vor einem bestimmten Hintergrund fotografiert. Und auch Bilder, die nicht bei klassischen Foto-Opportunities entstanden sind, werden sorgfältig ausgewählt, selbst diejenigen, die spontan und amateurhaft oder wie Schnappschüsse wirken sollen. Fast nichts was auf einem Social-Media-Account eines Politikers oder einer Politikerin gepostet wird, ist zufällig dort. Man versucht immer, eine bestimmte Realität darzustellen. Das kann natürlich auch nach hinten losgehen, zum Beispiel wenn das Bild als unglaubwürdig, unauthentisch oder übertrieben wahrgenommen wird. Wähler*innen gehen durchaus kritisch mit Bildmaterial um.

Inszenieren sich Politikerinnnen visuell anders als Politiker?

Ja. Politik ist traditionell ein männlicher Bereich und auch wenn es inzwischen viele Politiker*innen in wichtigen Funktionen gibt, ist das Rollenspektrum, das Frauen und Männern in der politischen Inszenierung zur Verfügung steht, immer noch unterschiedlich. Politikerinnen haben da einen anderen Spielraum als Politiker. Das zeigt sich auch in der Wahrnehmung: ihre Bilder werden anders diskutiert. Das Äußere von Politikerinnen ist immer ein Thema – Styling und Outfit, und das gesamte Erscheinungsbild.

„In einer Ausnahmesituation wie der Flutkatastrophe, sollten Politiker*innen es verstehen, passende Bilder zu kommunizieren.“

Im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl wurde viel über die Bilder von Politiker*innen in den Flutkatastrophengebieten diskutiert. Welche Wirkung können solche Bilder haben?

Politiker*innen sollten nicht nur ihre politischen Themen und Ziele, sondern auch persönliche Eigenschaften, die sie für eine Funktion mitbringen, visuell gut vermitteln. In einer Ausnahmesituation wie der Flutkatastrophe, sollten Politiker*innen es verstehen, passende Bilder zu kommunizieren. Die Bilder sollten einerseits Erfahrung in der Bewältigung von Krisen und die Fähigkeit, adäquat zu reagieren, veranschaulichen. Andererseits ist es total wichtig und naheliegend, Empathie zu zeigen. In den deutschen Medien wurde sehr diskutiert, wer das besser oder schlechter gemacht hat, insbesondere mit Blick auf Armin Laschet.

Warum gab es so viele negative Reaktionen auf die Bilder von Armin Laschet?

Herr Laschet hat sich bei der Flutkatastrophe in mehreren Zusammenhängen nicht situationsadäquat verhalten. Es gibt da etliche Bilder, die so wirken, als würde ihn das Ganze nicht sehr berühren, auch wenn dem vielleicht nicht so war. Diese Aufnahmen wurden in den Medien mit Bildern anderer Politiker*innen verglichen, die Erschütterung und Mitgefühl viel deutlicher gezeigt haben. Gleichzeitig spielte mit hinein, dass Laschet das Medienimage des Sure Losers, also des sicheren Verlierers, hat. Von ihm kursieren viele Bilder, die nahelegen, dass er sich immer irgendwie falsch verhält.

Welche Rolle können Bilder für den Ausgang von Wahlen spielen?

Im Wahlkampf müssen Parteien ihre zentralen Themen und Botschaften kompakt und einprägsam kommunizieren – dafür sind Bilder unglaublich wichtig. Bilder sind erfolgreich, wenn sie dazu beitragen, eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen. Wenn es dem Wahlkampfteam gelingt, Bilder so zu lancieren, dass sie von traditionellen Medien oder auch von User*innen Sozialer Netzwerke aufgegriffen werden, steigert das die Reichweite und erzeugt Rückkopplungseffekte, die nicht zu unterschätzen sind. Genau zu sagen, wie Bilder jeweils wirken, ist aber schwierig. Denn Bilder sind immer mehrdeutig: Sie können von unterschiedlichen Personen in unterschiedlichen Lebenszusammenhängen und mit unterschiedlichen Vorerfahrungen oder Präferenzen auch unterschiedlich wahrgenommen werden.

Zur Person

Dr. Karin Liebhart ist Senior Lecturer am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und Assoziierte Professorin für Soziologie an der Universität Trnava. Sie forscht unter anderem zu visueller politischer Kommunikation.

Foto: Manfred Baumann

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