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Mietpreisbremse, Baukindergeld und Co

Mit welchen Mitteln kann der Wohnungsmarkt in Städten entspannt werden?

Milieuschutz, Mietpreisbremse, Sozialwohnungen – steigt man in die politische Debatte rund um das Thema Wohnungsmarkt ein, fliegen einem zahlreiche Schlagworte entgegen. Mal wird kritisiert, mal werden Versprechungen gemacht. „Wir [werden] die Wirksamkeit der Mietpreisbremse prüfen und vor allen Dingen eine Wohnraumoffensive starten, mit dem Ziel, 1,5 Millionen frei finanzierte Wohnungen und Eigenheime zusätzlich zu bauen“, kündigte Bundeskanzlerin Merkel den Bürgern bereits in ihrer Regierungserklärung Ende März dieses Jahres an.

Das Thema steht also weit oben auf der Agenda der Bundesregierung. Und das, obwohl seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 der Wohnungsbau als Aufgabe auf die Länder übergegangen ist. „Das war grundsätzlich eine gute Entscheidung, denn Wohnungsmärkte sind regional sehr unterschiedlich. So kann länderspezifisch differenziert reagiert werden“, sagt Gisela Schmitt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung an der RWTH Aachen. „Nicht alle Länder haben sich aber um eine eigene Wohnungspolitik gekümmert, was zur aktuell angespannten Situation beigetragen hat.”

Die Bundesregierung will nun auch deshalb – zusätzlich zur geplanten Wohnraumoffensive – mit vier Instrumenten eingreifen, um den Wohnungsbau zu unterstützen und Mieter zu entlasten. Auf der Fraktionsklausur Anfang Mai einigte sich die Große Koalition unter anderem darauf, ein Baukindergeld einzuführen, um den Erwerb und Bau von Eigenheimen zu fördern. Außerdem soll die Mietpreisbremse transparenter gestaltet werden, obwohl die Koalitionspartner diesbezüglich lange unterschiedlicher Meinung waren. Zusätzlich soll die Modernisierungsumlage gesenkt werden. Investoren sollen Steuererleichterungen bekommen, wenn sie Mietwohnungen bauen.

„Das Baukindergeld ist eine Art Bleibeprämie für den ländlichen Raum.“

Dr. Claus Michelsen, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Experten für Immobilienmärkte sehen die Vorschläge der Regierung jedoch durchaus kritisch. „Das Baukindergeld ist ein wahnsinnig teures Instrument für den Staat und es wirkt vor allem dort, wo Wohnraum gar nicht so stark benötigt wird“, sagt Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Zum Erhalt berechtigt sind Familien mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von bis zu 90.000 Euro, wenn sie ein Kind haben. Für jedes weitere Kind wird diese Grenze noch einmal um 15.000 Euro nach oben verschoben. „Das ist eine großzügige Grenze, 90 Prozent der Haushalte liegen theoretisch darunter“, sagt Dr. Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er hat errechnet, dass das Baukindergeld in einer Großstadt wie Berlin die finanzielle Belastung für den Kauf eines durchschnittlichen Reihenhauses in den ersten zehn Jahren um ungefähr vier Prozent senken kann. In einer mittelgroßen Stadt wie Detmold sind es dagegen ungefähr acht Prozent. „Das Baukindergeld ist eine Art Bleibeprämie für den ländlichen Raum. In den Städten, wo das Baukindergeld im Endeffekt kaum einen Unterschied macht, wird es so sein, dass sich die Leute mit dem zusätzlichen Geld einfach überbieten und so die Boden- und Wohnungspreise noch höher werden“, sagt Michelsen.

Die Mietpreisbremse, die nun transparenter werden soll, gibt es seit 2015. In Gegenden, wo diese gilt, kann bei der Neuvermietung von Bestandswohnungen die zulässige Miete maximal auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich zehn Prozent angehoben werden. Liegt die ortsübliche Vergleichsmiete laut Mietspiegel beispielsweise bei sieben Euro pro Quadratmeter, darf der Vermieter höchstens 7,70 Euro verlangen – vorausgesetzt die Wohnung wurde vorher für einen günstigeren Preis vermietet. Die Mietpreisbremse wird von vielen Verbänden und Experten als wirkungslos kritisiert, auch weil einige Ausnahmen gelten.

„Die Unterschiede zwischen dem Mietspiegel und dem tatsächlichen Markt sind oft sehr groß und liegen deutlich über zehn Prozent. Wo die Mietpreisbremse gilt, können Vermieter aber die Miete nicht entsprechend erhöhen.“

Prof. Dr. Michael Voigtländer, Institut der deutschen Wirtschaft

Das DIW teilte anfangs diese Meinung, ist jedoch in einer aktuellen Publikation zu dem Schluss gekommen, dass die Mietpreisbremse in einigen Regionen Wirkung zeigen kann. Und zwar dort, wo vier Jahre lang vor Einführung der Mietpreisbremse Mietsteigerungen von über fünf Prozent jährlich beobachtet werden konnten. Das sei jedoch meist nur in den Zentren der großen Städte der Fall gewesen. „Das Problem bei der Mietpreisbremse ist vor allem, dass sie dazu gedacht war, Haushalte mit geringem Einkommen zu schützen. Die Zuteilung von Wohnungen funktioniert aber trotz allem noch über die Bonität der Mieter. Mit einem geringen Einkommen hat man eben nicht so große Chancen beim Vermieter wie ein Anwalt oder Arzt“, sagt Michelsen. „Wenn man die Sozialstruktur in Quartieren erhalten möchte, muss man zu anderen Mitteln greifen. Dazu braucht es beispielsweise ein Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen oder Erhaltungssatzungen. Das Instrumentarium zum Bestandsschutz wird jetzt zwar wieder angewandt, wurde aber über Jahre vernachlässigt“, sagt Gisela Schmitt.

Ein weiterer Einwand gegen die Mietpreisbremse kommt vom Institut der deutschen Wirtschaft: „Die Unterschiede zwischen dem Mietspiegel und dem tatsächlichen Markt sind oft sehr groß und liegen deutlich über zehn Prozent. Wo die Mietpreisbremse gilt, können Vermieter aber die Miete nicht entsprechend erhöhen“, sagt Voigtländer. Vermieter würden daher entweder bei der Instandsetzung sparen, möblierte Wohnungen anbieten oder die Wohnung an Selbstnutzer verkaufen. So werde der Mietwohnungsmarkt im Endeffekt sogar kleiner – das belaste diejenigen, die auf Mietwohnungen angewiesen sind.

Auch Steuererleichterungen für Investoren, sogenannte Sonderabschreibungen, werden von den Wissenschaftlern nicht als sinnvolle Lösung betrachtet. „Wenn die Leute durch Sonderabschreibungen noch mehr Geld in die Hand bekommen, zieht das zusätzliche Investoren auf den Markt, die Bodenpreise werden noch höher und für Neubauprojekte steigen die kalkulierte Mieten weiter stark an”, sagt Michelsen.

„Preiswerten Wohnraum findet man vor allem im Bestand und dort muss er auch gesichert werden.“

Gisela Schmitt, RWTH Aachen

„Man muss klar feststellen, dass in der Vergangenheit zu wenig Boden ausgewiesen wurde. Grundsätzlich braucht man mehr Bauflächen”, sagt Michelsen. Die drei Experten sind sich einig, dass eine wirkliche Entlastung des Wohnungsmarktes nur durch eine Änderung der Bodenpolitik stattfinden kann. Gefragt sind hier vor allem die Kommunen, deren Aufgabe es ist, Bauflächen auszuweisen. Sie könnten nicht nur die Quantität des Baulandes erhöhen, sondern auch beeinflussen, welche Art von Wohnungen darauf gebaut werden. „Eine Kommune muss nicht an denjenigen verkaufen, der den höchsten Preis für das Grundstück bietet, sondern an denjenigen, der das beste Konzept vorlegt. Oder sie kann Bauland verbilligt an Investoren vergeben, die nicht gewinnorientiert sind, wie zum Beispiel Genossenschaften,“ sagt Michelsen. Dass ein finanzieller Nachteil für Kommunen entstehen könnte, glaubt Voigtländer nicht: „Die Investoren sind ja interessiert zu bauen, da können Kommunen ruhig das Angebot entsprechend steuern. Es müssen ja nicht immer Sozialwohnungen sein, die Kommune könnte ihr Bauland auch an einen Investor geben, der zum Beispiel Zwei- und Dreiraumwohnungen baut, die dringend gebraucht werden.”

Auch Schmitt sieht im Wohnungsneubau nicht die Lösung, um Wohnraum für Einkommensschwache zu schaffen: „Wohnungsneubau kann quantitativ nur ergänzend wirken oder zusätzliche Qualitäten bereitstellen, wie beispielsweise barrierefreie Wohnungen“, sagt sie. „Preiswerten Wohnraum findet man vor allem im Bestand und dort muss er auch gesichert werden.“

An Instrumenten und Maßnahmen, um die Probleme auf dem Wohnungsmarkt anzugehen, scheint es zumindest nicht zu fehlen. Vielmehr wird nun entscheidend sein, wie Bund, Länder und Kommunen diese einsetzen und wie sich deren Wirkung entfalten wird. Schmitt stört an der ganzen Debatte vor allem, dass sie vielfach sehr ideologisch geführt werde. „Instrumente werden gegeneinander gehandelt, letztendlich funktioniert jedoch nur ein Zusammenspiel, hinter dem eine langfristige Strategie steckt.” Wichtig sei es dazu, Wohnen und Wohnungsbau als öffentliche Daueraufgabe anzuerkennen anstatt nur kurzfristig zu reagieren.

 

Mietpreisbremse

Wie funktioniert die Regulierung der Mietpreise wirklich und inwieweit ist der Otto-Normal-Mieter davon betroffen. Der Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V. hat dazu einen umfangreichen Ratgeber „Mietpreisbremse – Ein Gesetz zum Schutz der Mieter?” veröffentlicht.

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