Wohnen im Cluster – Ein Zukunftsmodell?

Ein Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Michael Prytula

Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit dem Thema Cluster-Wohnen, was ist das überhaupt?

Eine Cluster-Wohnung ist eine Kreuzung zwischen Wohngemeinschaft und Kleinstwohnung, sozusagen eine „Luxus-WG“. Es gibt darin abgeschlossene Zimmer mit einem Bad und meistens auch mit einer kleinen Teeküche. Zusätzlich gibt es einen größeren Wohnbereich mit einer Wohnküche, die gemeinschaftlich genutzt wird. So sind Cluster-Wohnungen in der Regel 150 bis 800 Quadratmeter große zusammenhängende Strukturen, die sich ohne große bauliche Veränderungen auf ganz verschiedene Art und Weise belegen lassen. Dadurch entsteht eine hohe Flexibilität.

„Es ist zu beobachten, dass Menschen heutzutage in unterschiedlichen Gesellschaftsformen zusammen wohnen möchten.“

Was genau forschen Sie im Bereich dieser Wohnungen und weshalb ist Cluster-Wohnen aus Forschungssicht spannend?

Wir untersuchen diese Form des Wohnens als eine neue Form für städtisches Wohnen in Zeiten steigender Mietpreise und des Wohnungsmangels. Wir finden es beispielsweise interessant zu erforschen, was die Voraussetzungen für diese Art des Bauens sind, ob es Mehrkosten gibt, welche Rechts- und Beteiligungsformen es gibt und was die Bedingungen sind, dass Cluster-Wohnen funktioniert.

Es ist zu beobachten, dass Menschen heutzutage in unterschiedlichen Gesellschaftsformen zusammen wohnen möchten. Es gibt nicht mehr nur die Modelle „Alleine-Wohnen” und „Familienverbund-Wohnen”. Dadurch werden Cluster-Wohnungen zu einer signifikanten Nische.

Auch im Hinblick auf eine langfristige Flexibilität von baulichen Strukturen und städtischem Wohnraum sind Cluster-Wohnungen sehr spannend für uns in der Forschung. Denn Gebäude, die wir heute normalerweise bauen, werden sowohl eigentumsrechtlich als auch bautechnisch abgeschlossen realisiert. Deshalb ist es schwer, sie später noch anzupassen.

Können durch Cluster-Wohnen auch Wohnungen für einkommensschwache Schichten geschaffen werden?

Das kommt sehr auf die Baugemeinschaft an, aber es gibt Bestrebungen, innerhalb der Cluster einen gesellschaftlichen Querschnitt zu realisieren. Gerade in Deutschland besteht hierbei aber das Problem der Finanzierung, da wir überwiegend Objektförderung haben. Im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung ist der Bau von Sozialwohnungen jedoch nur dann möglich, wenn es sich um abgeschlossene Wohnräume handelt. Das ist aber nicht das Prinzip der Cluster-Wohnungen und damit wird es schwierig, auf diesem Wege Cluster-Wohnungen als Sozialwohnungen zu realisieren.

In anderen Ländern, wie zum Beispiel in der Schweiz, gibt es andere Förderungsmöglichkeiten, die den Bau von Cluster-Wohnungen erleichtern. Dort gibt es übrigens auch viele Baugenossenschaften, die Cluster-Wohnungen schaffen. Diese haben aus dem Genossenschaftsprinzip heraus eine Spekulationssperre eingebaut. Denn eine Genossenschaft will ja keinen Gewinn erwirtschaften, außer zur notwendigen Instandhaltung und Modernisierung. Das schafft die Möglichkeit, langfristig günstigen Wohnraum anzubieten. Da stellt sich dann nur die Frage, wie dieser belegt wird. In der Schweiz ist das durch Belegungsanteile geregelt. Über solche Modelle bekommt man eine soziale Mischung rein.

„Der Ruf nach billigem und schnellem Bauen, wie man ihn zumeist hört, greift zu kurz.“

Entstehen beim Bau von Cluster-Wohnungen höhere Kosten als beim Bau von konventionellen Wohnungen?

Die Daten dazu haben wir mit unserem Forschungsprojekt noch nicht ausgewertet. Das Problem bei Baukosten ist, dass viele Faktoren eine Rolle spielen, zum Beispiel die Grundstückskosten, lokale Baukosten oder die Frage der Standards. Ich denke die Baukosten liegen bei Cluster-Wohnungen etwas höher als bei normalen Wohnungen. Man hat mehr Installationsaufwand, da man mehr Bäder und Steigleitungen benötigt. Die aktuellen Grundstückspreise und die generell gestiegenen Baukosten sind allerdings ein viel stärkerer Kostentreiber, von dem auch konventionelle Projekte betroffen sind.

Ist es also so und so nicht möglich, günstigen Wohnraum zu schaffen?

Der Ruf nach billigem und schnellem Bauen, wie man ihn zumeist hört, greift zu kurz. Wichtig ist es, funktionierende gemischte Quartiere zu realisieren. Letztendlich wollen die Menschen in attraktiven Wohnvierteln leben. Dazu gehören „öffentliche“ Erdgeschossnutzungen, beispielsweise durch Läden, Vereine oder Kitas, und qualitativ hochwertige Freiräume.

Interessant ist hierbei das Cluster-Wohnprojekt Spreefeld in Berlin. Sie haben zum Beispiel sehr günstig gebaut, obwohl das Haus als Passivhaus einen hohen baulichen Standard aufweist. Dafür sind aber die Treppenhäuser nach außen hin offen gebaut. Sie sind im Winter zwar sehr kalt, haben aber zu einer Kostenreduktion beim Bau geführt. Im Erdgeschoss hat das Spreefeld Optionsräume, die sie als Hausprojekt entweder selbst nutzen oder vermieten. Diese multifunktionalen Räume sind ein Qualitätsmerkmal mit hoher Anziehungskraft.

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Michael Prytula ist Forschungsprofessor  für „Ressourcenoptimiertes und klimaangepasstes Bauen” an der Fachhochschule Potsdam. Zusammen mit Prof. Dr-Ing. Susanne Rexroth von der HTW Berlin leitet er das Forschungsprojekt „Cluster-Wohnen: Cluster-Wohnungen für baulich und sozial anpassungsfähige Wohnkonzepte einer resilienten Stadtentwicklung”.

Foto: FH Potsdam

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