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„Wichtig ist eine gründliche Überwachung“

Interview mit dem Geotechnologen Prof. Dr. Hannes Hofmann zur Gewinnung von Erdwärme und Gas mit Hilfe der Fracking-Methode

Bei der Gewinnung von Erdwärme wird mit einer ganz ähnlichen Methode gearbeitet wie beim Fracking von Erdgas. Der Geotechnologe Prof. Dr. Hannes Hofmann vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) erläutert Unterschiede und Gemeinsamkeiten, Chancen und Risiken sowie Fortschritte der Technologie in den vergangenen zehn Jahren.

Unter Fracking wird hierzulande meist Gas-Fracking verstanden. Was unterscheidet die Technik bei der Gewinnung von Gas und Geothermie?

Der Unterschied ist: Bei der Gasgewinnung wird meist das so genannte Hydraulic Fracturing („Fracking“) angewandt: Man pumpt eine Flüssigkeit mit verschiedenen Chemikalien und Stützmitteln in den Untergrund, um Gestein aufzubrechen und dabei neu entstandene Risse offen zu halten. Bei der Geothermie, also der Gewinnung von Erdwärme, spricht man meist von Hydraulischer Stimulation. Dabei werden existierende Risse im Untergrund durch Überdruck aufgeweitet. Letzteres geschieht mit reinem Wasser ohne Zusatzstoffe.

Erdwärme – also Geothermie – lässt sich auch konventionell erschließen. Warum überhaupt arbeiten Sie mit der Fracking-Methode?

Wie bei Öl und Gas, wo man in Deutschland bisher v.a. die konventionellen Lagerstätten genutzt hat, so kann auch Erdwärme entweder konventionell gefördert werden oder durch hydraulische Stimulation. Es gibt noch viele unerschlossene Lagerstätten von heißem Wasser. Die können zunächst erschlossen werden. Zwischenzeitlich erforschen wir die Stimulation von Geothermischen Lagerstätten, um in zehn, zwanzig Jahren bereit zu sein, Geothermie an Orten zu nutzen, an denen es heutzutage noch nicht möglich ist.

Was unterscheidet die unkonventionellen von den konventionellen Lagerstätten?

Das Gestein in konventionellen Lagerstätten ist sehr porös und durchlässig. Es ist gefüllt mit viel heißem Wasser und das heiße Wasser kann dort leicht durchfließen und angezapft werden. Bei der unkonventionellen Geothermie – der so genannten petrothermalen Geothermie – hat man heißes Gestein, durch das Wasser nicht durchfließen kann. Hier braucht man Risse, durch die kaltes Wasser hindurchfließen kann, um sich dann wie in einem Wärmetauscher am Gestein aufzuheizen und schließlich für die Wärmeversorgung zur Verfügung zu stehen.

Im Bereich der Geothermie ist die Fracking-Methode noch im Forschungsstadium. Wo steht man?

Die Technik wurde mittlerweile in Deutschland an ungefähr einem Dutzend Standorten in allen relevanten Geothermie-Regionen erprobt: Im norddeutschen Becken, im Oberrheingraben, im süddeutschen Molassebecken. Weltweit werden die erfolgversprechendsten Projekte zurzeit in den USA und – in Kürze – in der Schweiz durchgeführt. Sollten die Projekte erfolgreich sein, dann gibt es eine gute Chance, dass petrothermale Geothermiebohrungen auch in Deutschland weiter getestet werden und in absehbarer Zeit kommerziell genutzt werden.

Aus der Politik sind in der aktuellen Energiekrise immer wieder Rufe nach einer Aufhebung des Gas-Frackingverbots zu hören. Was würde das bringen?

Kurzfristig gar nichts. In den kommenden ein bis zwei Jahren hilft hauptsächlich, Energie zu sparen und den Rohstoffimport zu diversifizieren. Langfristig brauchen wir eine Möglichkeit,  um die Wärmebereitstellung sicherzustellen. Dafür bietet die Geothermie eine Perspektive. Allein das Potenzial von ganz normaler konventioneller Geothermie ohne Stimulation ist so groß, dass man mit heutiger Technik ein Viertel des deutschen Wärmebedarfs abdecken könnte, wenn die Förderstätten ausgebaut würden. Tatsächlich wird bisher nur etwa ein Prozent der deutschen Wärmeversorgung über tiefe Geothermie abgedeckt.

„Beim Schiefergas kommt es darauf an, welches Fluid man einsetzt und wie gut das Bohrloch und der Bohrplatz von der Umwelt abgeschirmt werden. Da es sich bei Tiefbohrungen um eine jahrzehntelang erprobte Standardtechnologie handelt, ist die Gefahr von Leckagen jedoch relativ gering.“

Welche Gefahren sehen Sie im Zusammenhang mit der Frackingmethode?

Beim Fracking allgemein werden da vor allem eine Grundwasser- und Oberflächenwasserkontamination sowie die induzierte Seismizität, also das Auslösen kleiner Erdbeben, genannt. Speziell beim Schiefergas außerdem der Methanausstoß. Bei der Geothermie werden jedoch keine Chemikalien eingesetzt, weshalb die Gefährdung des Grundwassers oder Oberflächenwassers nicht gegeben ist. Beim Schiefergas kommt es darauf an, welches Fluid man einsetzt und wie gut das Bohrloch und der Bohrplatz von der Umwelt abgeschirmt werden. Da es sich bei Tiefbohrungen um eine jahrzehntelang erprobte Standardtechnologie handelt, ist die Gefahr von Leckagen jedoch relativ gering.  

Inwieweit konnte die Technik in den vergangenen zehn Jahren verbessert werden?

Neu ist, dass die Bohrungen mit Glasfaserkabeln überwacht werden. Das heißt: Wenn man das Bohrloch bohrt, die Metallrohre einbringt und den Zement, um das alles abzuschließen, dann bringt man gleichzeitig ein Glasfaserkabel in die Bohrung mit ein und kann in Echtzeit messen, ob es irgendwo Leckagen gibt. Auch kann man mittlerweile sehr zielgenau bohren, was die Wirkungen auf die Umwelt verringert. Und das seismische Monitoring und damit einhergehende Risikoanalysen bezüglich möglicher Mikroerdbeben sind heute deutlich genauer. All das sind technische Fortschritte der vergangenen zehn Jahre. Außerdem gibt es – auch bei Gasfracking – die Möglichkeit, weniger umweltschädliche Fluide oder komplett unbedenkliche Flüssigkeiten einzusetzen. Auch in den USA gibt es ein sehr großes Schiefergasfeld, wo meist nur mit Wasser gefrackt wird. Ob das funktioniert, hängt von den jeweiligen geologischen Gegebenheiten ab. Beim Fracking-Gas aus den USA darf man aber nie vergessen, dass der ökologische Fußabdruck allein durch den Transport größer ist als bei in Deutschland gewonnenem Gas, wo weite Transportwege wegfallen.

„Das Risiko einer Technologie wird immer durch zweierlei bestimmt: Die Gefahr, die von ihr selbst ausgeht – zum Beispiel das Auslösen von Erdbeben – und die Vulnerabilität. Also: Leben dort, wo die Technik zum Einsatz kommt und das Mikroerdbeben vielleicht ausgelöst wird, überhaupt Menschen, die zu Schaden kommen könnten?“

Wie sicher ist die Technik?

Aus technischer und geologischer Sicht ist das ganze Verfahren erstmal relativ gut beherrschbar. Wichtig ist eine detaillierte Erkundung und eine gründliche Überwachung des Grundwassers und der Seismizität. Und zwar schon gut ein Jahr bevor die eigentlichen Bohrungen beginnen. Wenn eine Risikoanalyse erfolgt und entsprechend gehandelt wird, falls sich abzeichnet, dass Risiken entstehen, dann lassen sich Gefahren minimieren. Aber – wie bei allen Technologien – nicht ganz ausschließen. Das Risiko einer Technologie wird immer durch zweierlei bestimmt: Die Gefahr, die von ihr selbst ausgeht – zum Beispiel das Auslösen von Erdbeben – und die Vulnerabilität. Also: Leben dort, wo die Technik zum Einsatz kommt und das Mikroerdbeben vielleicht ausgelöst wird, überhaupt Menschen, die zu Schaden kommen könnten? In Deutschland ist die Einwohner*innendichte beispielsweise im Vergleich zu der in den USA recht hoch: Während in Deutschland etwa 232 Einwohner*innen pro Quadratkilometer leben, sind es in den USA lediglich 36. Damit ist das Risiko, das mit Umwelteinwirkungen einhergeht, von der Vulnerabilitätsseite größer. Durch die stärkere Regulation ist allerdings die Gefahr in Deutschland prinzipiell vermutlich etwas geringer.

Welche Gefahren sehen Sie speziell bei der Geothermie?

Im Blick haben wir vor allem die Gefahr kleiner Mikroerdbeben. An Orten, wo es viel natürliche Erdbeben gibt, hat man typischerweise auch einen erhöhten Wärmefluss. Solche Gebiete sind also in der Regel gute geothermische Lagerstätten. Und wenn man viele natürliche Erdbeben hat, induziert man durch das Einpumpen von Wasser, potentiell auch mehr Erdbeben als in inaktiven Regionen. In Deutschland beispielsweise ist im Oberrheingraben die Aktivität etwas höher. Im Norddeutschen Becken gibt es diese Gefahr de facto nicht. Dort gibt es keine natürlichen Erdbeben und bei geothermischen Probebohrungen hatte man Mühe, überhaupt entsprechende seismische Signale zu empfangen.

„Kurzfristig eine Schiefergasindustrie aus dem Boden zu stampfen, lohnt aus meiner Sicht nicht. Aber das ist am Ende eine Entscheidung der Politik.“

Rechnen Sie damit, dass in Deutschland eines Tages Gas aus unkonventionellen Lagerstätten gefrackt wird?

Ich würde mir wünschen, dass man sich auf die Geothermie konzentriert. In beiden Fällen muss tief gebohrt werden und die Kapazitäten beim Fachpersonal und auch an Bohranlagen sind begrenzt. Daher hielte ich es für sinnvoll, sich auf eine Technik zu konzentrieren – und die Geothermie ist eine deutlich nachhaltigere und klimafreundlichere Ressource zur Wärmeversorgung. Kurzfristig eine Schiefergasindustrie aus dem Boden zu stampfen, lohnt aus meiner Sicht nicht. Aber das ist am Ende eine Entscheidung der Politik.

 

Zur Person

Prof. Dr. Hannes Hofmann ist Leiter der Helmholtz Nachwuchsgruppe ARES in der Sektion Geoenergie am Helmholtz Zentrum Potsdam GeoForschungsZentrum GFZ und Juniorprofessor für Reservoir Enineering an der Technischen Universität Berlin.

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