Aus welchen Gründen lehnen Menschen es ab?
Da gibt es zwei Hauptgründe: Der erste ist zusammengefasst unter dem Begriff „Food Neophobia“, also die Angst vor neuartigen Lebensmitteln. Es ist extrem schwierig, neuartige Nahrungsmittel in eine Esskultur einzuführen. Kultiviertes Fleisch ist ein komplett neu kreiertes Lebensmittel und kommt nicht wie Insekten oder Sushi aus einem anderen Kulturkreis. Das macht vielen Menschen einfach Angst, weil sie nicht einschätzen können, wie es hergestellt wird, was es mit ihnen macht oder ob es nachhaltig ist.
Und der zweite Grund?
Das ist der Ekel. Angst und Ekel sind Basisemotionen, die sich gegenseitig bedingen; neuartige Lebensmittel werden häufig als eklig empfunden. Labor und Reagenzglas erwecken zudem eher negative Konnotationen. Dann gibt es noch die spezielle Angst vor neuartigen Herstellungsmethoden, die wird besonders bei In-vitro-Fleisch angesprochen. Kaum jemand versteht bisher, wie das genau produziert wird.
Wo sehen Sie die Zielgruppe für das Produkt?
Studien weisen darauf hin, dass kultiviertes Fleisch vor allem Menschen anspricht, die aus eigenem Antrieb ihren konventionellen Fleischkonsum reduzieren wollen oder in moralisch ethischen Konfliktsituationen sind und sich dafür rechtfertigen müssen, dass sie noch Fleisch essen. Der soziale Druck auf Fleischessende von Seiten der Vegetarier*innen und Veganer*innen wird in bestimmten sozialen Kontexten immer höher. In bestimmten Zirkeln ist es mittlerweile fast eine Schande, sich zum Fleischkonsum zu bekennen – ähnlich wie bei Flugreisen. Wer kultiviertes Fleisch isst, kann mit dem besseren Tierwohl argumentieren sowie dem minimalen CO2-Fußabdruck in der Herstellung. Das sind ja für viele die Hauptgründe, kein Fleisch zu essen.
Ließen sich also auch Vegetarier*innen und Veganer*innen mit diesem Argument zu einem Burger aus kultiviertem Fleisch überreden?
Sie sind nicht unbedingt die primäre Zielgruppe. Fleischaffine Vegetarier*innen, denen der Verzicht schwer fällt, könnten davon vielleicht überzeugt werden. Aber erst dann, wenn vegane Nährlösungen entwickelt worden sind, die das fetale Kälberserum im Herstellungsprozess ablösen. Noch ist dies oftmals nicht der Fall, also müssen derzeit noch immer Tiere für die Produktion von kultiviertem Fleisch sterben. Und immer ist das Ausgangsmaterial eine tierische Stammzelle. Allerdings wird derzeit intensiv an veganen Alternativen zu dem fetalen Kälberserum gearbeitet.