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Die Kosten des Klimawandels – und wie sie berechnet werden

Eine Übersicht zur aktuellen Forschung

Der Klimawandel ist zerstörerisch und teuer. Seit vielen Jahren warnen Wissenschaftler*innen vor seinen Folgen und nehmen dabei neben den verheerenden direkten Auswirkungen auf Mensch und Natur immer wieder auch die Folgekosten des Klimawandels in den Blick. Denn darüber ist man in der Forschung einig: Eine Weltgemeinschaft und jede einzelne Volkswirtschaft, die beim Klimaschutz zögert, wird dies teuer bezahlen. Bereits 2006 brachte es der ehemalige Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern in einer Studie für die britische Regierung auf den Punkt: Die Vorteile eines entschiedenen und frühen Handelns überwiegen die wirtschaftlichen Kosten des Nichthandelns bei weitem.

Stern prognostizierte vor mittlerweile fünfzehn Jahren, dass die jährlichen Kosten des Klimawandels – wenn nicht rasch gehandelt wird – einen Verlust von fünf bis zwanzig Prozent des erwarteten globalen Bruttoinlandsprodukts betragen könnten. Regional seien dabei beträchtliche Variationen zu erwarten und die größten Verlierer mit deutlichen Schäden für die Wirtschaftsleistung sicherlich die weniger privilegierten Weltgegenden. Im gleichen Jahr publizierten unter anderem deutsche Wissenschaftler*innen eine Studie laut der allein auf die deutsche Volkswirtschaft innerhalb 50 Jahren bis zu 800 Milliarden Euro für die Behebung von Klimaschäden, die Anpassung an den Klimawandel und gestiegene Energiekosten aufgewendet werden müssten. Die Kosten des Handelns – also der Treibhausgasminderung – so Co-Autorin Claudia Kemfert damals, wären dagegen deutlich geringer. Sie hätten auf ein Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung begrenzt werden können.

Heute gehen Wissenschaftler*innen davon aus, dass die damals bereits düsteren Einschätzungen deutlich zu optimistisch waren: Das globale Bruttoinlandsprodukt könnte in diesem Jahrhundert klimabedingt um 37 Prozent sinken, heißt es in einer jüngst veröffentlichten Studie, die auch soziale Kosten wie den Abbau von Naturschätzen, Wasser- und Luftverunreinigung, oder Berufskrankheiten berücksichtigt. Laut einer Schätzung des Bundesumweltamts haben allein die deutschen ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen im Jahr 2019 global Kosten in Höhe von mindestens 156 Milliarden Euro verursacht.

„Welche Regionen tatsächlich von welchen Folgen betroffen sein werden und damit welche Infrastrukturen, Städte, Menschen wie gefährdet sind, ist schwer abzuschätzen.“

Anja Bierwirth, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Schätzungen wie diese sind trotz immer präziserer Modellierungen von Klimawissenschaftler*innen und Ökonom*innen mit enormen Unsicherheiten behaftet. Anja Bierwirth, Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie erläutert, dass „eine Modellierung der Klimafolgen umso schwieriger ist, je kleinräumlicher sie wird. Welche Regionen tatsächlich von welchen Folgen betroffen sein werden und damit welche Infrastrukturen, Städte, Menschen wie gefährdet sind, ist schwer abzuschätzen.“ Ein weiterer Kritikpunkt an den Berechnungen: Es gibt Folgekosten, die zwar schwerwiegend, aber nicht in Geldwerten auszudrücken sind. „Wie beziffert man die Gesundheit oder das Leben von Menschen? Wie die Schäden an Ökosystemen?”, fragt Bierwirth. “Es gibt zwar auch dazu Ansätze, die sind aber ethisch teilweise sehr umstritten.“

Trotz solcher Einschränkungen sind Wissenschaftler*innen davon überzeugt, dass Schätzungen von Umweltkosten wichtig sind, denn sie zeigten auch, wie teuer unterlassener Umweltschutz ist und untermauerten die ökonomische Notwendigkeit anspruchsvoller Umweltziele. Auch ließen sich mit ihrer Hilfe die Kosten und Nutzen von umwelt- und klimapolitischen Maßnahmen besser ermitteln. Was auch aus Sicht der Transformationsforscherin Maja Göpel dringend nötig ist: Wer nur die Kosten des Wandels, nicht aber die dabei eingesparten Kosten und die mittelfristige finanzielle Entlastung für eine Volkswirtschaft in den Blick nehme, verzerre die Wirklichkeit. Ähnlich argumentiert die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die sich ebenfalls dafür ausspricht, genauer auf die Gewinne der Umstellung zu schauen.

Doch in welchen Sektoren überhaupt werden die so schwer abzuschätzenden Folgekosten für die deutsche Volkswirtschaft in den kommenden Jahren entstehen? Das erforscht zurzeit ein Konsortium von Wissenschaftler*innen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) und von Prognos. Im gemeinsamen Projekt „Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland“ analysieren sie Kosten von Klimaschäden durch Extremwetterereignisse ebenso wie durch das graduelle Voranschreiten des Klimawandels sowie die Kosten von Anpassungsmaßnahmen.

Berücksichtigt werden unter anderem Hitze- und Trockenperioden mit ihren Auswirkungen auf Ernteerträge; Waldbrände und die damit für die Forstwirtschaft verbundenen Kosten; Starkregen oder Flusshochwasser und deren Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen. Außerdem nehmen die Forschenden längerfristig entstehende Kosten in den Blick, beispielsweise solche, die durch eine langsame Erwärmung von binnen- und Küstengewässern entstehen und Auswirkungen auf Fischpopulationen haben oder schneearme Winter, die dem Tourismus im Mittel- und Hochgebirge Grenzen weisen werden.

„Jeder Euro, den wir investieren, führt dazu, dass die Klimaschäden geringer ausfallen und wir uns weniger anpassen müssen.“

Dr. Markus Flaute, Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung

In ihrer Analyse unterscheiden die Wissenschaftler*innen zwischen direkten monetären Kosten, die durch Überschwemmungen oder Dürreschäden in Land- und Forstwirtschaft entstehen und indirekten monetären Kosten wie solchen durch Lieferkettenunterbrechungen, Nachfrageausfällen im Ausland oder Produktivitätsverlusten beispielsweise wegen Hitze. Zudem werden direkte nicht-materielle Kosten abgeschätzt: Todesopfer, Gesundheitsschäden, soziale Destabilisierung oder Biodiversitätsverluste in Deutschland. Und schließlich indirekte nicht-materielle Kosten wie politische Instabilitäten im Ausland, klimagetriebene Migrationsbewegungen und Biodiversitätsverluste weltweit. 2023 sollen die Ergebnisse des Forschungsprojekts vorliegen und Entscheidungsträger*innen als Grundlage für darauf aufbauende Kosten-Nutzen-Bewertungen dienen. Eines zeigt sich schon jetzt: „Jeder Euro, den wir investieren, führt dazu, dass die Klimaschäden geringer ausfallen und wir uns weniger anpassen müssen“, sagt Markus Flaute, einer der Projektbeteiligten von der GWS.

Eine 2020 in Nature veröffentlichte Studie unterstützt diese Vermutung. Das auf sofortige Investitionen drängende Pariser Klimaabkommen von 2015 stelle – bei richtiger Umsetzung – den wirtschaftlich günstigsten Weg dar. Unter der Leitung des Klimawissenschaftlers Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben Forschende in der Studie Klimaschäden, die beispielsweise durch zunehmende Wetterextreme oder sinkende Arbeitsproduktivität entstehen, mit Kosten verglichen, die der Verringerung des Treibhausgasausstosses dienen. Dabei stellte sich heraus: Das kosteneffizienteste Niveau der globalen Erwärmung ist tatsächlich dasjenige, welches mehr als 190 Nationen als Pariser Klimaabkommen vereinbart haben. Bislang reichen die von den Staaten weltweit versprochenen CO2-Reduktionen jedoch nicht aus, um das Ziel zu erreichen, obgleich „Wissenschaft, Politik und Wirtschaft … alle in eine Richtung (zeigen): Null Emissionen in 2050″, kommentierte Levermann die Studie.

Eine These, die das Deutsche Klimakonsortium als eine der Kernbotschaften des Stern Report vermerkte, bestätigen Forschende also bis heute: Die Kosten für die Stabilisierung des Klimas sind erheblich, aber tragbar; Verzögerungen wären gefährlich und viel teurer.