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Eine Welt ohne Plastik – geht das überhaupt?

Über Alternativen zu herkömmlichen Kunststoffen

Bunte Kaffeebecher aus Bambusfasern schleichen sich immer öfter in das Stadtbild ein – sie gelten als hippe Alternative zum Einwegbecher. Plastiktüten gibt es in den meisten Läden nur noch gegen Gebühr und in der Drogerie findet man neuerdings Zahnbürsten mit Holzgriff. Plastik- und Wegwerfprodukte scheinen in der heutigen Gesellschaft immer unbeliebter zu werden. Viele Menschen sind auf der Suche nach Alternativen.

Und tatsächlich kommt man in einigen Bereichen problemlos ohne Kunststoffe aus. Getränke kann man in Glasflaschen kaufen, bei Kleidung kann man auf synthetische Materialien wie Polyester verzichten und statt Duschgel aus der Plastikflasche lässt sich ebenso gut ein Stück Seife benutzen. Auch das Mikroplastik, das in zahlreichen Kosmetikprodukten zum Einsatz kommt, ist gut durch natürliche Stoffe ersetzbar. „Es macht zwar nur einen kleinen Anteil an dem Mikroplastik aus, das wir im Meer finden, und es ist auch noch nicht endgültig erforscht, inwiefern es den Lebewesen dort schadet. Dennoch sollte es nicht für Kosmetik eingesetzt werden, dort ist es schlicht überflüssig“, sagt Dr. Carolin Völker vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main.

„Kunststoffe sind ein super Material. Sie sind besonders vielseitig und kommen fast überall zum Einsatz.“

Prof. Dr. Andrea Siebert-Raths, Hochschule Hannover

Obwohl es in vielen Fällen unnötig eingesetzt wird, begegnet uns Plastik im Alltag trotzdem ständig. Vor allem in Supermärkten ist Kunststoff allgegenwärtig. Schließlich wird mehr als ein Drittel des Plastiks in Deutschland für Verpackungen eingesetzt. „Man muss bedenken, dass Verpackungen Lebensmittel länger haltbar machen können und so weniger weggeworfen werden muss. Dennoch sollten wir uns vielmehr Gedanken darüber machen, wo Plastik wirklich sinnvoll ist. Wenn Verpackung benutzt wird, um zum Beispiel Bio-Gemüse im Supermarkt zu kennzeichnen, ist das unnötig. Man könnte die Produkte auch mit einem Laser markieren“, so Völker. Allerdings gebe es auch Bereiche, in denen Plastik sehr wichtig sei, zum Beispiel für sterile Produkte in der Medizin.

„Kunststoffe sind ein super Material. Sie sind besonders vielseitig und kommen fast überall zum Einsatz“, sagt Prof. Dr. Andrea Siebert-Raths, Leiterin des IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe an der Hochschule Hannover. Um dennoch Alternativen zu konventionellen Kunststoffen zu finden, forschen Siebert-Raths und ihre Kollegen an sogenanntem „Bioplastik“. Was genau sich dahinter verbirgt, ist für den Verbraucher meist nicht klar, denn der Begriff ist nicht gesetzlich geschützt und wird daher nicht einheitlich verwendet. Biokunststoffe können sowohl abbaubar als auch nicht abbaubar sein. Die Rohstoffbasis für die abbaubaren ist entweder biobasiert, sprich aus nachwachsenden Rohstoffen, oder petrobasiert, also wie konventionelle Kunststoffe aus Erdöl. Die nicht abbaubaren müssen dagegen vollständig oder zumindest teilweise biobasiert sein, um als Biokunststoffe zu gelten. „Einen Mindestwert für die biobasierten Materialbestandteile bei Biokunststoffen gibt es jedoch noch nicht“, so Siebert-Raths.

Herstellen lassen sich biobasierte Kunststoffe aus ganz verschiedenen Ausgangsmaterialien: Stärke aus Mais, Zucker aus Zuckerrohr und Zuckerrüben, Pflanzenöle wie Rizinusöl, Cellulose aus Baumwolle oder auch Holz. Oft haben die daraus erzeugten Kunststoffe einen ähnlichen oder sogar gleichen chemischen Aufbau wie diejenigen auf Erdölbasis. So gibt es beispielsweise auch ein Bio-PET. Dass Biokunststoffe universell einsetzbar sind, konnte das IfBB bereits mit einigen Produkten zeigen. Das Institut hat beispielsweise einen Zahnbürstengriff, eine Computermaus, und sogar große Teile eines Rennwagens aus Biokunststoffen hergestellt. Auch im Supermarkt findet man Biokunststoffe zumindest anteilig in einigen Getränkeflaschen oder Joghurtbechern.

Infobox: Bioplastik und Nachhaltigkeit

Erdöl ist endlich und die Gewinnung hat zumeist negative Folgen für die Umwelt. Ein Grund, warum das IfBB in Hannover an Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen forscht. Aber wie nachhaltig ist der Anbau dieser Rohstoffe und steht er in Konkurrenz mit der Produktion von Nahrungsmitteln? Das IfBB hat errechnet: Selbst wenn sich die Produktionskapazitäten von Bioplastik bis 2021 mehr als verdoppeln, würde die dafür genutzte Fläche immer noch bei unter 0,1 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche liegen. Im Vergleich dazu: Weideland macht weltweit rund 70 Prozent der Fläche aus. Wie viel Wasser zum Beispiel für den Anbau gebraucht wird und weitere Daten, erläutert das IfBB in einer Broschüre zum Thema.

Abbaubares Bioplastik zersetzt sich in der Umwelt dennoch nicht von alleine und stellt dort genauso wie anderes Plastik ein Problem dar. Siebert-Raths sieht hierbei noch einen hohen Bedarf an Aufklärung in der Bevölkerung: „Wenn auf der Plastiktüte steht, dass sie kompostierbar ist, ist damit gemeint, dass sie in sechs bis acht Wochen verstoffwechselt ist. Allerdings in einer industriellen Kompostierung, wo Temperaturen bis zu 70 Grad Celsius herrschen sowie Mikroorganismen und eine gewisse Luftfeuchtigkeit vorhanden sind. Das finden wir in der freien Natur nicht und erst recht nicht im Meer“. Das IfBB und viele andere Forschungseinrichtungen beschäftigen sich aktuell damit, wie man die Kunststoffe anpassen muss, damit sie im Meer abgebaut werden können.

„Es ist nicht einfach, die tollen Eigenschaften eines Kunststoffs zu behalten und ihn gleichzeitig in der Umwelt abbaubar zu machen. Eine Wasserflasche darf sich ja beispielsweise erst zersetzen, wenn sie leer ist“, sagt Völker. „Aber es kann ohnehin nicht der Weg sein, etwas zu produzieren, was nur einmal benutzt und dann wieder weggeworfen wird.“ Auch Siebert-Raths sieht Einwegprodukte kritisch: „Recycling sollte im Vordergrund stehen und Biokunststoffe sind genauso wie herkömmliche Kunststoffe recycelbar. Wir wollen langlebige Kunststoffe einsetzen, die man mehrfach verwenden sollte.“ Aktuell reiche die Menge der anfallenden zu recycelnden Biokunststoffe jedoch noch nicht immer aus, um die Recyclinganlagen rentabel umzustellen.

„Die Alternative zu Plastik muss eigentlich ein anderer Lebensstil sein und nicht ein anderes Material.“

Dr. Carolin Völker, Institut für sozial-ökologische Forschung

Beim Recycling von Plastik allgemein besteht noch ein weiteres Problem: Viele Verpackungen sind mit Weichmachern oder Farbstoffen versehen. Zudem bestehen sie oft nicht nur aus einem Polymer, also aus einer Plastiksorte, sondern aus ganz vielen dünnen Schichten aus unterschiedlichen Plastikarten. „Wenn man das recyceln würde, hätte man ein Gemisch mit schlechteren Eigenschaften. Daher werden die meisten dieser Verpackungen nur thermisch recycelt, also letztendlich verbrannt“, sagt Carolin Völker.

Auch wenn sich noch viel im Umgang mit Plastik ändern müsse, ist es für Völker wichtig, Plastik per se – egal ob nun biobasiert oder nicht – nicht zu verteufeln: „Man kann gerne auch eine Plastiktüte zum Einkaufen verwenden, solange man sie immer wieder verwendet.” Denn die Umweltbilanz von Papiertüten oder Stoffbeuteln sei in der Regel sogar schlechter. Im Gegensatz zu einer recycelten Plastiktüte müsse man einen Jutebeutel ungefähr 80 Mal wiederverwenden, um eine ähnliche Ökobilanz zu erreichen. „Sicherlich kommen auch Metall oder Holz als Ersatzmaterialien in Frage, aber sie eignen sich eben nicht für alle Anwendungen. Außerdem sind sie in der Regel teurer als Plastik“, sagt Siebert-Raths. Entscheidend sei eben auch das Kriterium der Wirtschaftlichkeit, damit alternative Materialien von der Industrie und letztendlich auch den Konsumenten genutzt werden.

Für Völker ist klar: „Die Alternative zu Plastik muss eigentlich ein anderer Lebensstil sein und nicht ein anderes Material. Ich denke, man kann sogar Umweltgedanken und Bequemlichkeit verbinden, dazu fehlen vielleicht nur noch ein paar innovative Ideen.“

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