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Plastikmüll – ein Umweltproblem?

Über die Folgen von Plastik in der Natur

Planet Plastik”, „Müllkippe Meer”, „Unsere Ozeane versinken im Plastikmüll”: Nur einige der zahlreichen Schlagzeilen, die Plastikmüll in den letzten Jahren hervorgerufen hat. Auch Bilder von vermüllten Stränden, verendeten Seevögeln und gestrandeten Walen mit Plastik im Magen sind inzwischen in den Medien omnipräsent. Das Problem ist angekommen in der Gesellschaft und auch in der Politik. So will beispielsweise die EU-Kommission in den kommenden Jahren Einwegmaterialien aus Plastik wie Strohhalme gänzlich verbieten, wie sie Ende Mai in einer Erklärung angekündigt hat.

Das würde einen erheblichen Einschnitt bedeuten. Schließlich ist Kunststoff in unserem Alltag allgegenwärtig. Computer, Zahnbürste, Brotdose – und auch die Zahnfüllung, die Konservendose oder wasserdichte Kleidung kommen heutzutage nicht mehr ohne Plastik aus. „Kunststoffe spielen aufgrund ihrer Materialeigenschaften eine wichtige Rolle und sind nicht in allen Anwendungsbereichen ohne Probleme ersetzbar”, sagt Thomas Fischer, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe.

Das ist eine relativ neue Entwicklung, denn Plastik – als besonders haltbares und preiswertes Material – wird erst seit 1950 überhaupt industriell angefertigt. Seitdem sind weltweit 8,3 Milliarden Tonnen Plastik hergestellt worden – so das Ergebnis einer Studie von Roland Geyer von der University of California und Jenna Jambeck von der University of Georgia. 8,3 Milliarden Tonnen Plastik entsprechen dabei dem Gewicht von 80 Millionen Blauwalen oder über einer Milliarde Elefanten.

 

 

Ein großer Teil des produzierten Plastiks landet nach nur sehr kurzer Nutzung oft im Müll, denn rund ein Drittel der gesamten Plastikproduktion ist Verpackungsmaterial. „Heute fallen 37 Kilo Verpackungsmüll aus Kunststoff pro Person pro Jahr allein in Deutschland an. Viel zu viel. 1995 verbrauchte jeder Bürger jährlich nur 19 kg Verpackungsmüll aus Plastik”, sagt Fischer. Immerhin werden in Deutschland nach Angaben des Umweltbundesamts nahezu 99 Prozent des anfallenden Plastikmülls verwertet – also recycelt (46 Prozent) oder verbrannt (53 Prozent).  

In vielen anderen Regionen der Welt ist die Müllverwertung jedoch deutlich schlechter. Die weltweite Recyclingquote liegt gar nur bei neun Prozent. Rund 79 Prozent des weltweit anfallenden Plastikmülls landet lose auf Deponien oder achtlos in der Natur. „In vielen Regionen kann der Müll gar nicht verwertet werden, weil es an der notwendigen Infrastruktur, wie einer Müllabfuhr, fehlt”, sagt Dr. Mark Lenz vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

„Früher oder später landet der Plastikmüll immer im Meer.”

Thomas Fischer, Deutsche Umwelthilfe

Dabei wird der große Vorteil von Plastik – die lange Haltbarkeit des Materials – bei einer fehlenden Entsorgung schnell zum Nachteil. „Wenn Plastik erst einmal in der Natur ist, verschwindet es für sehr lange Zeiträume nicht mehr, reichert sich an und wird zur Umweltbelastung”, sagt Fischer. Der Abbau einer PET-Flasche, beispielsweise, dauert rund 450 Jahre, der Abbau einer Angelschnur rund 600 Jahre, wobei die Dauer von den Umweltbedingungen abhängt und das Plastik tatsächlich nur in kleinere und noch kleinere Teile zerfällt.

„Früher oder später landet der Plastikmüll immer im Meer”, sagt Fischer. Dorthin gelangt er, weil er durch Wind und Regen von den Deponien in die Flüsse gespült wird und von dort aus das Meer erreicht. Ein Forschungsteam um Roland Geyer und Jenna Jambeck errechnete, dass allein 2010 zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastik ins Meer gelangt seien. Lenz betont dabei aber auch: „Die Müllproduktion und die Freisetzung von Müll in die Umwelt ist in vielen Ländern aber oftmals gar nicht zu messen.”

Im Meer angekommen, lässt sich der Müll kaum aufhalten. „Das Plastik wird über die Ozeanströmungen transportiert und sammelt sich aufgrund der Meeresströmungen an bestimmten Stellen, wo es dann besonders konzentriert auftritt”, sagt Lenz. So haben sich über die Jahrzehnte fünf verschiedene Müllstrudel gebildet, wovon der größte zwischen Hawaii und Kalifornien liegt und ein Areal von der vierfachen Größe Deutschlands umfasst. Auch wenn dieses Gebiet riesig erscheint, sind die Müllstrudel keine begehbaren Inseln. „Die Müllstrudel muss man sich viel eher als ‘Plastiksmog’ vorstellen, in dem besonders viele Plastikteile auf der Wasseroberfläche und darunter treiben”, sagt Lenz.

Infobox Friendly Floatees:

Plastikmüll kann auch wichtige Erkenntnisse für die Wissenschaft liefern. 1992 verlor ein Frachter bei einem Sturm im Pazifik einen Container mit 29.000 Plastikenten und Kunststofftieren. Nach einigen Monaten wurden einige der Plastiktiere in Alaska und Chile angespült. Andere wurden in Indonesien, Australien und sogar 15 Jahre später in Großbritannien gefunden. Ozeanologen und Klimaforscher erhielten dank der Beobachtung der sogenannten Friendly Floatees” tiefergehende Einblicke in die globalen Meeresströmungen.

Der Plastikmüll ist besonders für die Tierwelt eine Gefahr: Wale, Delfine und Schildkröten verwechseln größere Plastikteile mit Nahrung und ersticken daran oder sterben am Darmverschluss; Seevögel verhungern, weil ihr Magen mit so viel Plastik gefüllt ist, dass sie keine weitere Nahrung mehr aufnehmen können und kleinere Teile und Mikropartikel finden sich in den Körpern von Muscheln und Fischlarven. Fischer hält das für besonders problematisch und sagt: „Mikroplastik macht nicht vor Landesgrenzen Halt und ist ein globales Problem für alle Menschen und Tiere.”

Als „Mikroplastik” werden die teilweise nur etwa sandkorngroßen Plastikteile – definiert als Teilchen unter fünf Millimeter Durchmesser – bezeichnet. Diese entstehen durch den Zerfall größerer Plastikteile und sind auch in einer Reihe von Kosmetikprodukten enthalten. Vor allem stammen sie aber vom Waschen synthetischer Kleidung und vom Reifenabrieb auf den Straßen, wie eine Studie der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources zeigte.

„Wir müssen davon ausgehen, dass bereits der ganze Planet in unterschiedlicher Konzentration mit Mikroplastik belastet ist.”

Dr. Mark Lenz, GEOMAR

Und Mikroplastik findet sich nahezu überall. In deutschen Gewässern und Böden wurden erhebliche Mengen an Mikroplastik nachgewiesen. Selbst an entlegensten Orten wie in der Antarktis und in der Tiefsee wurde dieses im Boden gefunden. „Wir müssen sogar davon ausgehen, dass bereits der ganze Planet in unterschiedlicher Konzentration mit Mikroplastik belastet ist”, sagt Lenz.

Tatsächlich bedarf es aber insbesondere zu Mikroplastik durchaus noch einiges an Forschung. „Die konkreten Auswirkungen von Mikroplastik auf einzelne Arten und das gesamte Ökosystem kennen wir noch gar nicht”, sagt Lenz. Auch Fischer verweist auf die noch unerforschten Folgen. Er sagt aber auch: „Bei all dem, was wir wissen, sind Mikroplastikpartikel auch deshalb problematisch, weil sie Schadstoffe aus der Umwelt aufnehmen, die sich in immer stärkerer Konzentration anreichern.”

Ob Mikroplastik oder größerer Müll: Dass etwas dagegen getan werden muss, da sind die Experten sich größtenteils einig. Was aber der richtige Lösungsansatz ist und ob die Meere tatsächlich noch von Plastik befreit werden können, darüber gibt es hitzige Debatten.

Aktualisierung

Am 27.3.2019 hat das EU-Parlament über das Verbot von Einwegartikel aus Plastik abgestimmt und dieses ab 2021 mit einer Mehrheit der Stimmen beschlossen.

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