„Ich würde mir eine weniger polarisierte Debatte wünschen.“

Ein Gespräch mit Dr. Kay Plötner

Welches Verkehrsproblem könnten Flugtaxen beheben und wofür könnten sie gut sein?

Als allererstes denken viele dabei an das Stauproblem. Dieses Problem werden die Flugtaxen allerdings auf keinen Fall lösen können. Die Chance bei Flugtaxen besteht eher darin, dass wir keine physische Infrastruktur brauchen um zwei Punkte zu verbinden. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Transportgeschwindigkeit, die die Taxen bieten könnten. Hier haben herkömmliche Transportwege und Transportfahrzeuge Probleme, die Flugtaxen lösen könnten und für die sie eine ökonomisch sinnvolle Alternative vor allem in Regionen darstellen, die bisher nicht gut erschlossen sind.

Wann könnten wir denn technisch soweit sein, dass Flugtaxen zum Einsatz kommen können?

Der erste Technologiebaustein ist die Sicherstellung eines vollautomatisierten Fliegens in einem Luftraum. Der zweite sind elektrische Antriebe. Hier gibt es bereits Demonstrationsobjekte und erste Prototypen. Die nächsten Schritte wären jetzt Vorproduktionsstufen und dann die ersten Serienprodukte – hier sind noch ein paar Schritte zu absolvieren und unterschiedliche Technologien sind an unterschiedlichen Entwicklungspunkten.

Was das autonome Fliegen angeht, sind wir noch nicht soweit. Hier müssen erst noch Infrastrukturen im Luftraum geschaffen werden. Dazu zählen beispielsweise Kommunikationsstrukturen. Hier geht man davon aus, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern wird.

Andreas Scheuer sprach von drei Jahren. Wie kommt diese Differenz zustande?

Bei kleineren Vehikeln, also allem was so unter einer Tonne ist, ist es realistisch und sehr wahrscheinlich, dass wir sie innerhalb der nächsten Jahren fliegen sehen. Das gilt insbesondere natürlich für kleinere Transportdrohnen mit einer Nutzlast unter 50 kg. Hier ist das Antriebs- und Steuerungssystem deutlich einfacher und die Sperrung des Luftraums nicht so aufwendig. In diesem Bereich gibt es dennoch noch offene Fragen. Für die komplexeren Drohnen – wie eben auch Flugtaxen – werden wir noch mehr Zeit brauchen. Auch, weil noch viele rechtliche Fragen und Fragen der Akzeptanz beantwortet werden müssen.

„Verkehrsprobleme lösen die Taxen also eher nicht.“

Auch über die Kosten-Nutzen-Rechnung wird viel diskutiert. Wie sehen sie hier das Potenzial?

Wenn man mit Flugtaxen in die Preisklasse von echten Taxen rein möchte, ist es unserer Forschung zufolge sehr herausfordernd und kurzfristig nicht zu realisieren. Es gibt einen sehr großen Zusammenhang zwischen Reisepreis und Nachfrage, sowie zwischen Reisezeit und Nachfrage, wenn man sich die Nutzungsbedürfnisse der potentiellen Nutzer ansieht. Wir glaube nicht, dass Flugtaxen die dort bestehenden Verhältnisse auf den Kopf stellen werden. Deshalb sehen wir sie eher als Nischenprodukte, zumal auch noch hinzukommt, wie die Infrastruktur für die Nutzung aufgebaut ist. Damit meint man beispielsweise Start- und Landemöglichkeiten.

Können Sie das einmal veranschaulichen?

Die Stadt München beispielsweise hat eine Ausdehnung von ca. 10 mal 10 Kilometern, also 100 Quadratkilometern. Wenn man davon ausginge, dass man alle 500 Meter einen Vertiport für die Flugtaxen hätte, dann wären es etwa 10 pro Quadratkilometer und dann ist man insgesamt bei etwa 1000 Häfen. Wenn ich jetzt sage, dass dort jede Minute ein Start bzw. eine Landung mit durchschnittlichen zwei Personen durchgeführt wird, dann kann ich 60 Personen pro Hafen und Stunde transportieren. Mal die 1000 sind es 60.000 Personen pro Stunde, vielleicht 960.000 Passagiere am Tag. Ein Durchschnittsmensch in der westlichen Welt bewegt sich ca. drei Mal am Tag. Bei 1,5 Millionen Einwohnern in München ist man dann bei ca. 4,5 Millionen zu transportierenden Personen – die im Verhältnis zu 960.000 stehen. Da sieht man schon, dass hier nicht das Gros des Transports abgedeckt werden, zumal es schon eine Rechnung mit sehr vielen Häfen wäre und es ja auch noch Zu- und Abbringerverkehr braucht. Verkehrsprobleme lösen die Taxen also eher nicht.

„Vor allem wenn Flugtaxen nur ein ergänzendes Transportmittel sein sollen, wird es schwer sein, die Akzeptanz in der Bevölkerung dafür zu bekommen“

Wozu sind sie trotzdem interessant?

An den Punkten, die schlecht angebunden sind. Hier ist häufig die Nachfrage nach schneller Anbindung gering und die Kosten für einen Ausbau der Anwendung insofern zu hoch. Hier könnten Flugtaxen Sinn ergeben, beispielsweise als Zubringer für den ICE, eine S-Bahn oder auch in ländliche Regionen. Außerdem sehen wir derzeit aufgrund der Pandemie ja auch einen Aufschwung was Homeoffice angeht und vielleicht dadurch auch in Zukunft nicht mehr den Bedarf täglich in Städte zu pendeln. Auch in solchen Fällen könnten sich dann Flugtaxen lohnen, wenn man sie eben nur ab und an benötigt.

Wie hoch ist denn eigentlich die Akzeptanz für Flugtaxen?

In Europa spielen Individualismus, Lärmschutz und vor allem auch Datensicherheit eine große Rolle im öffentlichen Diskurs. Sowas wirkt sich natürlich auch auf die Akzeptanz von Flugtaxen aus, weil hier ja viele dieser Aspekte eine Rolle spielen. Vor allem wenn Flugtaxen nur ein ergänzendes Transportmittel sein sollen, wird es schwer sein, die Akzeptanz in der Bevölkerung dafür zu bekommen, da sie nun mal Lärm verursachen. Am ehesten wird es Akzeptanz geben, wenn es sich um Vehikel handelt, die dem Gemeinwohl nutzen, wie beispielsweise im Bereich der Medikamentenauslieferung.

„Den Drohneneinsatz etwa zur Überwachung von baulichen Maßnahmen oder im Bereich der Landwirtschaft werden wir zeitnah sehen.“

Was würden sie sich denn für die Debatte um Flugtaxen wünschen?

Wir erleben eine sehr emotionale Diskussion, die sehr polarisiert geführt wird. Hier stehen sich kategorische Ablehnung und totale Technologiebegeisterung gegenüber. Ich würde mir eine weniger polarisierte Debatte wünschen mit klarem Pro- und Contra.

Welche Punkte sind dies?

Das vertikale Starten und Landen ist beispielsweise sehr ineffizient und führt zu einem hohen Energieverbrauch von Flugtaxen. Ein weiterer Nachteil ist die geringe Kapazität an Passagieren, die mit einer hohen Beeinträchtigung der anderen Menschen vor Ort einhergeht. Hier braucht es also einen klar ersichtlichen Nutzen des Einsatzes, um eine Akzeptanz zu erreichen. Ein interessanter Punkt ist darüber hinaus, dass Transport in Deutschland hoch subventioniert ist, egal in welchem Bereich. Hier braucht es einen Dialog darüber, wo der Einsatz von Flugtaxen sinnvoller ist als der Ausbau anderer Infrastrukturen. Die Vorteile sind die hohe Flexibilität der Flugwege, der geringe Bedarf an Infrastruktur und die große Geschwindigkeit. Hier braucht es nun einen Diskurs und eine Abwägung zwischen den Faktoren.

Wie sieht ihre Prognose aus – wo werden wir also Flugtaxen sehen und wo eher nicht?

Wir werden es garantiert sehen. Als erstes wird denke ich ein elektrifizierter Helikopter kommen. Es gibt genügend Städte und Länder wo die negativen Faktoren auszuhalten sind und daher glaube ich fest daran, dass wir sie sehen werden. Auch den Drohneneinsatz etwa zur Überwachung von baulichen Maßnahmen oder im Bereich der Landwirtschaft werden wir zeitnah sehen. Potenzial sehe ich auch im Bereich des Entertainments und als Attraktion, die viele Menschen spannend finden könnten. Ob sie dauerhaft eingesetzt werden, hängt jedoch stark von der Beantwortung der Kosten-Nutzen-Frage ab. Das ist dann auch eine politische Entscheidung.

Zur Person

Dr. Kay Plötner ist Vorstandsmitglied der gemeinnützigen Forschungseinrichtung Bauhaus Luftfahrt e.V. und leitet die Bereiche Ökonomie und Verkehr.

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