Welche kurzfristigen Effekte hätte eine Reduzierung des Fleischkonsums auf die angespannte Lage?
Oftmals wird argumentiert, der Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte würde kurzfristig nichts bringen. Das ist aber nicht ganz richtig. Man würde die Effekte recht schnell in den absoluten Tierzahlen sehen – insbesondere bei Geflügel, weil es eben nur eine sehr kurze Zeit aufgezogen und gemästet wird. In der Schweinehaltung würde es wohl bis zu einem Jahr und bei der Rinderhaltung etwa eineinhalb Jahre dauern, bis eine Reduzierung des Fleischkonsums Effekte zeigen würde. Die Preise würden wegen der geringeren Nachfrage sinken, was den Anbietern signalisieren sollte, entsprechend weniger zu produzieren.
Wie stark würden diese Effekte wirken?
Wenn global gesehen die Tierproduktion um 10 Prozent abnehmen würde, würden etwa 57 Millionen Tonnen mehr Getreide und Hülsenfrüchten für die Ernährung von Menschen zur Verfügung stehen – das ist in etwa die Menge an jährlichen Exporten aus der Ukraine. Diese 10 Prozent weltweit würden helfen, die Welternährung zumindest gemäß des Vorkriegsniveaus sicherzustellen. Daher gilt: Je mehr Menschen individuell ihren Fleischkonsum anpassen, desto weniger müsste sich jede*r Einzelne einschränken, um einen Effekt zu generieren.
Beobachten Sie aktuell eine Veränderung der Essgewohnheiten in Deutschland?
Laut aktuellen Konsumdaten gibt es eine recht deutliche Veränderung – im ersten Quartal 2022 betrug der Rückgang bei Rindfleisch in Privathaushalten knapp 20 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2021, bei Schweinefleisch betrug der Rückgang 16 Prozent und bei Geflügel immerhin 14 Prozent. Und bei Milchprodukten sehen wir gleichzeitig eine relativ starke Zunahme von alternativen Milchprodukten gegenüber konventionellen Milchprodukten. Der Trend ist also da und die Essgewohnheiten verändern sich aktuell merklich.
Ist dieser Rückgang auf den Krieg in der Ukraine und dem Wunsch nach einem individuellen Beitrag zu mehr Ernährungssicherheit weltweit zurückzuführen?
Aus den Daten ist die Motivation nicht interpretierbar und der Ukraine-Krieg ist sicherlich nur einer von möglichen Faktoren. Bei dem Rückgang des Fleischkonsums könnte es auch ein Corona-Effekt sein, denn die genannten Daten messen die Einkäufe der Privathaushalte und durch die Lockerungen der Corona-Maßnahmen könnte sich der Konsum von Fleisch auch stärker wieder hin zu Restaurants verlagert haben. Aber dennoch bleiben die Zahlen bemerkenswert.