Foto: Ed 259 / Unsplash

Mobil durch die Klimakrise?

Über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Verkehr

Mitte Oktober hat das Sturmtief Ignatz bundesweit zu Beeinträchtigungen im Bahnverkehr geführt. In einigen Regionen wurde der Zugverkehr zeitweise sogar ganz eingestellt. Extremwetterereignisse wie Hitze, Starkregen und Sturm legen immer wieder die Verwundbarkeit unserer Verkehrsinfrastruktur offen. Dabei schränken sie nicht nur unsere Mobilität ein, sondern verursachen auch enorme Kosten. Der durch die Flutkatastrophe im Juli 2021 bei der Deutschen Bahn und am Straßennetz entstandene Schaden wird beispielsweise auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt. 

Expert*innen gehen davon aus, dass solche Extremwetterereignisse durch den Klimawandel in Häufigkeit, Intensität und Dauer zunehmen werden. „Wir sehen sowohl in den Beobachtungsdaten als auch in den Klimaprojektionsdaten einen Anstieg bei den Extremen. Bei den Temperaturextremen ist der Anstieg besonders deutlich, doch wir sehen ihn auch bei Niedrigwasser- und Hochwassersituationen”, sagt Dr. Stephanie Hänsel, wissenschaftliche Koordinatorin beim Deutschen Wetterdienst und Mitglied des BMVI Expertennetzwerks des Bundesministeriums für Verkehr und Digitale Infrastruktur im Themenfeld Klimawandelfolgen und Anpassung. Das stellt das Verkehrssystem vor vielfältige Herausforderungen.

„Wir nehmen an, dass es insbesondere im Süden und Südwesten der Bundesrepublik deutliche Temperatursteigerungen geben wird.“

Prof. Dr.-Ing. Markus Oeser, RWTH Aachen und Bundesanstalt für Straßenwesen

Zum einen muss sich das Verkehrssystem auf höhere Temperaturen einstellen: „Wir nehmen an, dass es insbesondere im Süden und Südwesten der Bundesrepublik deutliche Temperatursteigerungen geben wird. Das wird natürlich Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur haben”, sagt Prof. Dr.-Ing. Markus Oeser, Leiter des Lehrstuhls und Direktor des Instituts für Straßenwesen an der RWTH Aachen und Präsident der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Die höheren Temperaturen führen zu Materialausdehnungen und -aufweichungen und damit zu Spurrinnen auf Asphaltfahrbahnen, sogenannten Blow-ups, also Rissen, auf Betonfahrbahnen und Verformungen an Schienen. Die Schäden ziehen nicht nur aufwändige Reparaturen nach sich, sondern stellen auch Unfallrisiken dar: „Bei starken Spurrinnen kann Wasser auf der Oberfläche schlecht ablaufen, das ist potenziell gefährlich. Blow-ups haben in Deutschland bereits zu tödlichen Unfällen geführt”, so Oeser. 

„In der Vergangenheit haben wir aufgrund extremer Wetterbedingungen immer wieder kurzfristige Mobilitätseinschränkungen erlebt. Mit sich weiter erwärmendem Klima werden wir uns zukünftig häufiger solchen Situationen gegenübergestellt sehen.”

Dr. Stephanie Hänsel, Deutscher Wetterdienst und BMVI Expertennetzwerk

Auch zunehmend extremere Niederschlagsereignisse und die daraus potenziell resultierende Sturzfluten und Fluthochwasser richten Schäden an der Verkehrsinfrastruktur an. Sie können zu Unterspülungen von Fahrbahnen, Schienenstrecken und Brücken, zu Überflutungen in Tunneln und Hangrutschungen führen. Dadurch kann die Verkehrsinfrastruktur im Überschwemmungsbereich in einzelnen Fällen sogar komplett zerstört werden. Bei Stürmen werden umgeworfene Bäume zum Verkehrshindernis, herunterfallende Äste zur Gefahr für Oberleitungen und Masten an Bahnstrecken und starke Seitenwinde insbesondere an längeren Brücken zum Sicherheitsrisiko für Verkehrsteilnehmende. 

„In der Vergangenheit haben wir aufgrund extremer Wetterbedingungen immer wieder kurzfristige Mobilitätseinschränkungen erlebt. Mit sich weiter erwärmendem Klima werden wir uns zukünftig häufiger solchen Situationen gegenübergestellt sehen”, sagt Stephanie Hänsel. Auch wenn meist alternative Strecken oder Verkehrsmittel zur Verfügung stünden, seien die Einschränkungen für die Nutzenden mit längeren Reisezeiten und höheren Kosten verbunden. Volkswirtschaftlich gesehen fallen durch die extremwetterbedingten Schäden nicht nur direkte Kosten – wie für Reparaturen – sondern auch indirekte Kosten an, die beispielsweise aus unterbrochenen Lieferketten folgen. Das macht es teilweise schwierig, die Klimawandelkosten für den Verkehr abzuschätzen oder zu modellieren. 

Um klimabedingte Schäden abzumildern versucht man, die Verkehrsinfrastruktur widerstandsfähiger gegenüber Klimawandelfolgen zu machen. Dazu gibt es – je nach Verkehrsträger und Wetterereignis – verschiedene Anpassungsmaßnahmen. Im Bereich der Straße lässt sich beispielsweise durch die physikalische oder chemische Modifikation des Bindemittels Bitumen eine höhere Temperaturstabilität des Asphalts erreichen. „Diese Verfahren sind sehr gut entwickelt und umsetzbar. Die Mischwerke und Baufirmen sind darauf eingestellt”, sagt Markus Oeser. 

„Gerade aufgrund der langwierigen Prozesse bei der Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen und der langen Lebensdauer vieler Infrastrukturelemente ist es sehr wichtig, bereits heute aktiv zu werden.“

Dr. Stephanie Hänsel, Deutscher Wetterdienst und BMVI Expertennetzwerk

Die Modifikation des Asphalts ist nur ein Beispiel für eine bauliche Anpassungsmaßnahme. Darüber hinaus gibt es auch informatorische, regulatorische und operative Ansätze. Informatorische Ansätze beinhalten die Bereitstellung von Klimadaten, regulatorische Ansätze die Anpassung technischer Standards und Regelwerke an aktuelle Klimakenngrößen und operative Ansätze konkrete Anpassungen des Verkehrsbetriebs, beispielsweise im Vegetationsmanagement entlang von Schienen um das Herabfallen von Ästen zu reduzieren.

Stephanie Hänsel betont, dass unabhängig von der konkreten Maßnahme Zeit ein entscheidender Erfolgsfaktor ist: „Gerade aufgrund der langwierigen Prozesse bei der Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen und der langen Lebensdauer vieler Infrastrukturelemente ist es sehr wichtig, bereits heute aktiv zu werden und wissenschaftliche Erkenntnisse aus Projekten wie dem Expertennetzwerk in die aktuellen Planungen der Verkehrsbetreiber einfließen zu lassen.”

Eine Schätzung zu den Gesamtkosten der Anpassung des Verkehrssystems gibt es nicht, Kostenschätzungen zu einzelnen Maßnahmen hingegen schon. So kostet der modifizierte Asphalt zwischen 10 und 15 Prozent mehr als nicht-modifizierter Asphalt. „Das ist kein besonders großer Kostenblock, gerade wenn man das den Kosten des Gesamtnetzes gegenüberstellt”, so Markus Oeser. 

„Sich heute bereits auf den Klimawandel vorzubereiten und zielstrebig in die Infrastruktur zu investieren, macht ökonomisch gesehen auf jeden Fall Sinn.“

Prof. Dr.-Ing. Markus Oeser, RWTH Aachen und Bundesanstalt für Straßenwesen

Die beiden Expert*innen sind sich einig, dass Investitionen in Anpassungsmaßnahmen gut angelegtes Geld sind und zukünftige Klimawandelkosten deutlich reduzieren können. „Sich heute bereits auf den Klimawandel vorzubereiten und zielstrebig in die Infrastruktur zu investieren, macht ökonomisch gesehen auf jeden Fall Sinn, allein wenn man sich die Reparaturkosten für klimawandelbedingte Schäden ansieht, aber insbesondere wenn man den ganzen volkswirtschaftlichen Schaden miteinberechnet”, sagt Oeser. 

Ob und wie die Maßnahmen umgesetzt werden, hängt allerdings von der Politik ab. Die Anpassungen sind laut Hänsel zwar wichtig, jedoch dürfen sie nur als Ergänzung zum Klimaschutz und nicht als Ersatz verstanden werden: „Wichtig bleibt in jedem Fall die schnelle und umfassende Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen um die Klimaänderungen zu begrenzen und nicht an die Grenzen der Anpassungsfähigkeit zu stoßen.”

Mehr zu dem Thema