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Millionensummen für eine Datei

Wie die Blockchain auf dem Kunstmarkt mitmischt

Kunstwerke, die für exorbitante Millionensummen in Auktionen ihre*n Besitzer*in wechseln, sind keine Seltenheit. Entsprechende Verkäufe der Da Vincis, Picassos oder Klimts gehen immer wieder durch die Medien. Vor einigen Wochen erregte jedoch eine Versteigerung des Auktionshauses Christie‘s besonders große Aufmerksamkeit: Eine Collage eines bis dahin eher unbekannten Grafikdesigners mit dem Künstlernamen Beeple wurde für rund 69 Millionen US-Dollar versteigert. Er ist damit der drittteuerste lebende Künstler der Welt und hat Größen wie Gerhard Richter in diesem Ranking überholt. Doch die Aufregung galt nicht nur dem Preis an sich, sondern entstand, weil ein Auktionshaus erstmals ein digitales Kunstwerk versteigerte. Ein Kunstwerk, das als Datei ganz einfach vervielfältigt werden kann.

Dieses Mal sei nicht alles wie immer auf dem Kunstmarkt „weil auf einmal digitale Kunst verkauft wird, für die es bisher nicht wirklich einen Markt gab. Und die geht jetzt auch noch weg wie heiße Semmeln auf den Marketplaces, von denen bisher in der Kunstwelt kaum jemand Kenntnis genommen hat“, schreibt die Kunstwissenschaftlerin Anika Meier in einer Kolumne im Kunstmagazin monopol. Mit „Marketplaces“ meint sie Plattformen im Internet, auf denen digitale Kunstwerke verkauft oder versteigert werden, und das nicht erst seit der prominenten Versteigerung der Beeple-Collage.

„Tokens sind im Grunde genommen eine digitale Variante eines fälschungssicheren Papiers, das etwas zertifiziert.“ 

Prof. Dr. Gilbert Fridgen, Universität Luxemburg

Verkauft wird genau genommen nicht das Kunstwerk an sich, sondern ein sogenanntes „non-fungible Token“, kurz NFT. Das ist eine Art digitale Wertmarke, die auf einer Blockchain eingeschrieben wird, sie ist einzigartig und nicht austauschbar. „Tokens sind im Grunde genommen eine digitale Variante eines fälschungssicheren Papiers, das etwas zertifiziert“, sagt Gilbert Fridgen, Professor für digitale Finanzdienstleistungen an der Universität Luxemburg. Werden NFTs also beispielsweise einem digitalen Kunstwerk zugeordnet, ließe sich eindeutig feststellen, wem das Werk gehört, auch wenn dieses weiterhin im Internet verfügbar ist und prinzipiell von jedem heruntergeladen werden kann. Die NFTs können auch weiterverkauft oder getauscht werden. Letztendlich sind sie es, die einen Seltenheitswert haben und somit für den Markt attraktiv sind. 

Wenn Künstler*innen ihre digitalen Arbeiten verkaufen möchten, laden sie diese in der Regel auf eine Verkaufsplattform hoch. Zusätzlich müssen sie sich ein „Wallet“ anlegen, eine digitale Geldbörse auf dem Smartphone oder Computer. Nur so können sie auch das Geld für ihr Kunstwerk erhalten, denn die Bezahlung erfolgt in einer Kryptowährung. Hier wird von den meisten Plattformen Ether genutzt, das auf der Ethereum-Blockchain basiert. Auch die NFTs werden in die Ethereum-Blockchain geschrieben, der Prozess dafür wird im Fachjargon „Minten“ genannt. Im Wallet können die eigenen NFTs und Anteile an der Kryptowährung abgebildet und verwaltet werden. Auch Käufer*innen besitzen Wallets und Kryptowährung.

Die Preise, die Künstler*innen auf den Plattformen erzielen, können durchaus sehr hoch sein. „Meist droppen die Künstler*innen Unikate und Open Collections, so kommen die hohen Verkaufssummen zustande. Open Collection bedeutet, dass innerhalb eines bestimmten Zeitfensters die Kunst gekauft werden kann, die Anzahl der Verkäufe ist dann die Größe der Edition. Der Preis pro Open Collection liegt meist zwischen 550 und 990 Dollar. Da werden dann schon mal über 100 Arbeiten pro Edition für 990 Dollar verkauft“, so Meier. Für Künstler*innen, die digitale Kunst erschaffen, könne dieser neue Markt eine große Chance darstellen, durch die NFTs gebe es sogar die Möglichkeit für sie, an Weiterverkäufen der Werke zu verdienen. Für Sammler*innen sei es attraktiv, ein Werk besitzen zu können auch ohne über die richtigen Kontakte zu verfügen, so wie es sonst im Kunstmarkt üblich sei.

„Die Kunst steht dabei im Hintergrund, es geht den meisten Käufer*innen nicht um die Inhalte sondern um das Blockchain-System und darum, Geld zu verdienen.“

Prof. Aram Bartholl, HAW Hamburg

Der Professur für Kunst mit dem Schwerpunkt digitale Medien an der HAW Hamburg, Aram Bartholl, kann den ganzen Entwicklungen nichts abgewinnen. „Digitale Kunst wurde schon immer verkauft, das war jedoch nur ein kleiner Markt. Klassischerweise bekommt man bei jedem Kunstkauf ein Zertifikat, eben auf Papier. Aber auch NFTs gibt es hier ja schon länger. Das Ganze ist jetzt aber von Personen, die mit Kryptowährung handeln, auf die große Bühne gehoben worden. Die Kunst steht dabei im Hintergrund, es geht den meisten Käufer*innen nicht um die Inhalte sondern um das Blockchain-System und darum, Geld zu verdienen“, so Bartholl. Auch sieht er auf den Verkaufsplattformen Nachteile für Künstler*innen. Sie müssten erst einmal die Kosten für die Registrierung und das Minten tragen, dazu käme eine Verkaufsprovision. Die Beteiligung an Weiterverkäufen sei auch nicht garantiert und hinge von der Plattform oder der Galerie ab. „Viele Kleine werden auch hier nicht weiterkommen, so wie immer in der Kunstwelt. Man braucht extreme Reichweite und muss über finanzielle Mittel verfügen. Vor allem diejenigen, die ohnehin schon erfolgreich sind, verstärken ihre Reichweite durch den digitalen Raum“, sagt Bartholl.

Ein großes Problem, das beim Verkauf von digitaler Kunst oft aufgeführt wird, ist die schlechte Umweltbilanz. Dazu gibt es verschiedene Berechnungen die etwa ergeben, dass eine NFT-Transaktion so viel Strom braucht wie zwei amerikanische Haushalte an einem Tag oder dass Erzeugung und Verkauf eines einzigen NFT ungefähr 100 Kilogramm CO2 erzeugen. So viel wie ein Flug von Hamburg nach München. Denn die NFTs, die auf der Ethereum-Blockchain eingeschrieben werden, beruhen auf dem sogenannten „Proof of Work“-System, bei dem so viele Rechner wie möglich eingesetzt werden, um das NFT zu generieren.

„Es gibt aber auch ganz andere Mechanismen die weniger Strom brauchen und da kommt man in eine Größenordnung, in die andere Rechensysteme durchaus auch kommen.“

Prof. Dr. Gilbert Fridgen, Universität Luxemburg

Gilbert Fridgen sieht in der Kritik an den NFTs jedoch ein Missverständnis, das insbesondere daher rühre, dass in der Öffentlichkeit vor allem der enorme Energieverbrauch bekannt sei, der für die Kryptowährung Bitcoin anfalle. „Mit Proof of Work stellt man sicher, dass die Kryptowährung oder eben auch ein Token fälschungssicher bleiben. Bitcoin treibt zum Beispiel den Rechenaufwand für eine Fälschung exorbitant in die Höhe, man müsste schneller rechnen als der Rest der Welt zusammen. Ethereum braucht generell weniger Energie als Bitcoin. Es gibt aber auch ganz andere Mechanismen die weniger Strom brauchen und da kommt man in eine Größenordnung, in die andere Rechensysteme durchaus auch kommen.“

Ein anderer Mechanismus wäre beispielsweise „Proof of Stake“, der festlegt, welcher Rechner dafür sorgt, dass das NFT in die Blockchain eingeschrieben wird und damit den Rechenaufwand deutlich verringert. Generell können NFTs auch auf anderen Systemen als Ethereum verwaltet werden. „Es gibt beispielsweise die Plattform hicetnunc.xyz, die auf der energiearmen Proof of Stake-Blockchain Tezos beruht. Dort hat sich eine Community zusammengefunden, die mitunter qualitativ auch interessantere digitale Arbeiten produziert. Aber natürlich wird nicht zu diesen großen Summen verkauft und das Ganze wird eine Nische bleiben“, sagt Aram Bartholl.

„Ich denke NFTs sind verstärkt im Kommen, insbesondere in Bezug auf alles, was einen realen Gegenwert hat, aber eben auch bei emotionalisierten Dingen.“

Prof. Dr. Gilbert Fridgen, Universität Luxemburg

„Überlegt werden muss auch, wie der Energieverbrauch von analogen Systemen ist, also beispielsweise für Transport, Papier, Druck oder sogar einen Tresor“, so Fridgen. Dies sei aber insbesondere für andere Bereiche relevant, in denen NFTs zukünftig zum Einsatz kommen könnten, beispielsweise als digitale Frachtpapiere im Logistikbereich. „Ich denke NFTs sind verstärkt im Kommen, insbesondere in Bezug auf alles, was einen realen Gegenwert hat, aber eben auch bei emotionalisierten Dingen“, sagt Fridgen. „Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass sie verstärkt in der Musikbranche eingesetzt werden. Musiker*innen könnten Anteile an ihren Liedern an Fans verkaufen und so vielleicht sogar ihre ersten Anfänge finanzieren. Streamingplattformen könnten dann auch Rechteinhaber mit tausendstel Anteilen vergüten. Ebenso könnten mehrere Personen Anteile an einem Gemälde haben, das in einem Museum hängt. Mit Papier wäre dafür der Aufwand zu groß, die Technologie kann hier jetzt neue Märkte generieren.“

„Ich sehe nicht, dass da jetzt der ganze Kunstmarkt einsteigt. Umgekehrt werden sich die Personen auf dem Kryptomarkt auch nicht ernsthaft für zeitgenössische Kunst interessieren.“

Prof. Aram Bartholl, HAW Hamburg

Ob NFTs zukünftig noch mehr auf dem Markt für digitale Kunst eingesetzt werden, darüber wagt keine*r der Expert*innen eine sichere Prognose. „Das hängt davon ab, ob und wie die Plattformen weiter betrieben werden. Vielleicht kommt aber auch etwas Neues, das besser funktioniert“, sagt Aram Bartholl. „Ich sehe nicht, dass da jetzt der ganze Kunstmarkt einsteigt. Umgekehrt werden sich die Personen auf dem Kryptomarkt auch nicht ernsthaft für zeitgenössische Kunst interessieren.“

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