Die hat auch schon ohne marktreifes kultiviertes Fleisch mit heftigen Problemen zu kämpfen. Laut dem Statistischen Bundesamt ging die Fleischproduktion hierzulande zwischen 2017 und 2022 um 13,9 Prozent zurück. Dafür gibt es laut Dr. Claus Deblitz, Agrarökonom am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft, ein ganzes Bündel an Gründen: unter ihnen Einfuhrbeschränkungen nach China wegen der Schweinepest, fehlende Absatzmärkte während der Pandemie sowie gestiegene gesetzliche Tierwohl- und Umweltanforderungen und Unsicherheiten hinsichtlich der damit verbundenen Förderungen. Auch die wachsende Gruppe von Vegetarier*innen und Veganer*innen und sich generell wandelnde Ernährungsgewohnheiten senken die Nachfrage nach Steak und Wurst. „Die Altersgruppe unter 34 Jahren verzehrt nur rund zwei Drittel soviel Fleisch wie der Durchschnitt. Es ist nicht anzunehmen, dass diese Personen ihren Fleischkonsum wieder erhöhen werden“, sagt der Wissenschaftler.
Das Thünen-Institut hat ein Szenario erstellt, wie sich die deutsche Landwirtschaft unter definierten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2032 entwickeln wird. Auch die Auswirkungen des sinkenden Fleischkonsums werden dort berechnet. Wenn die Thünen-Forscher*innen Recht behalten, stehen den Betrieben mit Schweinehaltung und Rindermast harte Zeiten bevor. Die Autor*innen gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Rindfleisch um 9,2 Prozent und nach Schweinfleisch sogar um 17,5 Prozent sinken wird. Für den Konsum von Hähnchenfleisch prognostiziert die Studie bis 2023 hingegen einen Anstieg um gut zehn Prozent.
Die Folgen sind gravierend: Mit der Nachfrage sinken Produktion und Produzentenpreise für Fleisch in Deutschland, die Einkommensrückgänge zwingen weitere Unternehmen zur Schließung. „Von den Stallbauern über die landwirtschaftlichen Betriebe, die Futtermittelindustrie, die pharmazeutische Industrie bis zu den Schlachthöfen werden die Auswirkungen spürbar sein“, sagt Claus Deblitz, Mitautor der Studie. Für die Mastbetriebe rechnet diese im Schnitt mit Einkommensrückgängen von bis zu 33 Prozent. Die ersten Schlachthöfe haben bereits ihre Tore geschlossen. Am stärksten werden die nördlichen und nordwestlichen Regionen Deutschlands unter dem Strukturwandel leiden: Dort ballen sich Betriebe für Schweineproduktion und Rindermast sowie die Schlachthofindustrie.
Doch es gibt auch Gewinner: Statt Fleisch kommen Sojaburger und Gemüse auf den Teller. Der Umsatz mit Fleischersatzprodukten boomt. Das Unternehmen Rügenwalder Mühle machte 2021 erstmals mehr Umsatz mit vegetarischen und veganen als mit Fleischprodukten. Mehr als ein Drittel der 18 bis 34-Jährigen gibt in einer Umfrage an, Fleischkonsum nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren zu können. Die Zeit für sogenannte Foodinnovationen ist gut, die Konsument*innen sind offen für Alternativen zum konventionellen Fleisch.
Das Statistische Bundesamt kann den Trend mit Zahlen unterlegen: zwischen 2019 und 2021 erhöhte sich die deutsche Produktion von Veggie-Burgern und Co. um 62 Prozent. Dennoch: Sie lag bei nur 1,25 Prozent des Wertes der konventionellen Fleischproduktion im Umfang von 35,6 Milliarden Euro. Fleisch ist weiter beliebt und es ist wahrscheinlich, dass kultiviertes Fleisch auf Interesse stoßen wird. Marktkenner glauben, dass sich der Markt in Zukunft in je ein Drittel konventionelles Fleisch, pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte und Fleisch aus dem Bioreaktor aufteilen könnte. „Die tierische Produktion wird sinken. Konventionelles Fleisch wird teurer und höherwertiger werden. Aber es wird nicht verschwinden“, sagt Deblitz.