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„2024 ein Prototyp, 2026 ein richtig gutes Produkt“

Zellforscherin Dr. Monika Röntgen über den Stand der Forschung an kultiviertem Fleisch

Welche Vorteile hätte es, wenn wir Fleisch ohne Tiere züchten könnten?

Wir hätten viele Probleme nicht mehr, die die konventionelle Fleischproduktion mit sich bringt: ethische, gesundheitliche, umweltbedingte. Klima und Umwelt werden durch die Fleischproduktion zurzeit stark belastet. So wird ein großer Teil des Landes für die Tierfuttererzeugung genutzt, Böden werden ausgelaugt und Wasser verschmutzt. Und: Nur rund 50 Prozent eines Rinderschlachtkörpers sind überhaupt essbar.

„Die Menschen wollen vor allem Steak, Schnitzel oder Brust essen. Wir müssen uns deshalb fragen: Warum überhaupt züchten wir alles andere mit?“

Die Hälfte wird weggeworfen?

Ja und dazu kommt unser Essverhalten. Die Menschen wollen vor allem Steak, Schnitzel oder Brust essen. Wir müssen uns deshalb fragen: Warum überhaupt züchten wir alles andere mit? Wenn wir auch auf zellbasierte Landwirtschaft setzen, können wir Fleisch gezielter produzieren und Gesundheitsaspekte berücksichtigen. Auch die Effizienz der Proteinumwandlung ist bei kultiviertem Fleisch doppelt so hoch wie bei tierischer Produktion und beträgt zum Beispiel für Rindfleisch 24 anstelle von 12 Prozent. Das ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf zehn Milliarden Menschen wachsen soll. 

Weltweit wird an Fleisch aus dem Labor geforscht. Wie geht man dabei vor? 

Um zellbasiertes Fleisch herzustellen, gewinnt man zunächst Zellen, häufig Stammzellen aus Muskelgewebe, und kultiviert diese Zellen in einem Nährmedium. 

Stammen die Zellen vom lebenden Tier?

Nicht immer. Es gibt ganz unterschiedliche Verfahren. Man kann embryonale Stammzellen gewinnen. Dafür ist eine Operation oder die Schlachtung des Muttertieres nötig, der Embryo stirbt. Dieses Verfahren ist in Deutschland genehmigungspflichtig. Andere arbeiten mit induzierten pluripotenten Stammzellen. Dafür werden beispielsweise Zellen aus Nabelschnurblut über verschiedene Schritte reprogrammiert. Gentechnische Manipulation stößt in Deutschland und Europa jedoch vielfach auf Ablehnung. So wird auch dieses Verfahren in Deutschland kaum verfolgt. Die bekannteste Technik ist die invasive Gewinnung von Zellen über Muskelbiopsien vom lebenden Tier, was Schmerzen und Stress verursachen kann und deshalb nicht optimal ist.

„Wir kommen ohne Gentechnik aus und entwickeln Alternativen zum Einsatz von fetalem Kälberserum und Antibiotika in den für die Zellkultur genutzten Nährmedien.“

Wie gehen Sie selbst vor? 

Wir gewinnen unsere Zellen ohne Schlachtung und schmerzfrei. Wir kommen ohne Gentechnik aus und entwickeln Alternativen zum Einsatz von fetalem Kälberserum und Antibiotika in den für die Zellkultur genutzten Nährmedien. Langfristig sollen Zelllinien etabliert werden, mit denen es sich vermeiden lässt, dass lebende Tiere als Zellspender nötig sind.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?

Die große Frage ist, wie genau das Nährmedium zusammengesetzt sein muss, um eine optimale Entwicklung und Vermehrung der Zellen bei niedrigen Kosten zu ermöglichen.  

Viele Startups arbeiten mit Kälberserum, Sie nicht. Warum? 

Fetales Kälberserum (FKS) wird aus dem Blut von Rinderfeten gewonnen und ist ein Hauptbestandteil vieler Nährmedien, die in der Forschung für die Kultivierung von Zellen benötigt werden. Zellen entwickeln sich darin optimal. Im Zusammenhang mit zellbasiertem Fleisch damit zu arbeiten ist für mich völlig undenkbar. Die Gewinnung von FKS erfolgt so: Der Fetus wird nach Schlachtung der Mutterkuh aus der Gebärmutter entnommen und sein Blut durch Herzpunktion gewonnen. Das ist höchst unethisch.  

Sie suchen daher nach einer Alternative. Was macht ein gutes Nährmedium aus?

Es kommt auf die richtige Zusammensetzung der zum Zellwachstum benötigten Bestandteile an. Ähnlich unserer Nahrung benötigen tierische Zellen Kohlenhydrate, besonders Glucose, Fettsäuren, Aminosäuren, Mineralstoffe und Vitamine und einige weitere Komponenten, um sich zu entwickeln. Wir erforschen insbesondere, welche Wachstumsfaktoren und Hormone speziell für unsere Zellen notwendig sind. 

Wie erfolgreich sind Sie dabei? 

Wir machen große Fortschritte. Aber obwohl wir mit unseren Alternativmedien versuchen, den Zellen alles zuzufügen, was sie zum Wachstum brauchen, sehen wir: etwa 50 Prozent der Vermehrungseffizienz gehen verloren, wenn auf das beschriebene Kälberserum verzichtet wird. Unsere Aufgabe ist, diese Effizienz bei der Zellteilung und beim Zellwachstum durch Einsatz von Alternativen wieder zu steigern. Dafür schauen wir uns beispielsweise an, welche Inhaltsstoffe der Sauenmilch bei Ferkeln Wachstum bewirken. Diese Komponenten geben wir dann dem Basismedium bei.

„Muss kultiviertes Fleisch aussehen wie ein Steak? Wie eine Wurst? Ich möchte vor allem, dass es schmeckt wie herkömmliches Fleisch.“

Eine Zellmasse, wie sie dann entsteht, ist noch keine Wurst. 

Noch nicht voll ausgereift ist, wie wir das Zellwachstum so lenken können, dass sich adulte Muskelfasern entwickeln und wie wir eine 3D-Struktur schaffen. Wir prüfen dazu unter anderem das 3D-Bioprinting. Die Frage ist aber auch: Muss kultiviertes Fleisch aussehen wie ein Steak? Wie eine Wurst? Ich möchte vor allem, dass es schmeckt wie herkömmliches Fleisch. 

Wann liegt kultiviertes Fleisch in Deutschland auf dem Teller? 

Unsere Prognose ist, dass wir 2024 einen Prototyp haben und 2026 ein richtig gutes Produkt. Wir wollen mit Wurst starten, die wird in Deutschland generell gut verkauft. 2026 wissen wir auch, wie wir unser zellbasiertes Fleisch in größerem Maßstab herstellen wollen. 

Das heißt, in drei Jahren gibt’s ein Grillfest mit eigenen Würstchen? 

Vielleicht. Aber um das Ganze in einen technologischen Prozess umzusetzen, vergehen sicherlich noch einmal zwei Jahre. Geklärt werden muss, wer überhaupt in der Lage sein könnte, zellbasiertes Fleisch in größerem Umfang zu produzieren. Es entstehen derzeit Firmen, die spezielle Bioreaktoren herstellen wollen. Dass es die gibt, wäre ja eine der Voraussetzungen für die Produktion. Prognosen zufolge sollen aber bereits 2030 zehn Prozent des weltweit konsumierten Fleisches kultiviertes Fleisch sein. 

 

Zur Person

Dr. med. vet. habil. Monika Röntgen ist Zellforscherin am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) Dummerstorf. Dort leitet sie die Abteilung „Muskelwachstum und Entwicklung“. Sie ist außerdem die Leiterin des Forschungskonsortiums „CELLZERO Meat“.

Foto: privat

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