Inwieweit beeinflussen Berichte über Umfragen denn Wählerinnen und Wähler?
Man kann nicht pauschal sagen, dass Wählerinnen und Wähler von Umfrageergebnissen in ihrem Wahlverhalten beeinflusst werden. In der empirischen Wahlforschung gibt es aber eine Reihe an hochplausbilen Thesen, wie Umfragen das Wahlverhalten der Wählerinnen und Wähler potentiell beeinflussen könnten. Eine der bekanntesten These ist hier die Bandwagon-These, die aussagt, dass Wählerinnen und Wähler auf Basis der Kenntnis von Umfrageergebnissen den in den Umfragen vorne liegenden politischen Akteur wählen. Der empirische Forschungsstand sagt uns aber etwas ganz anderes, nämlich dass es diesen Einfluss in dieser Klarheit nicht gibt. Möglicherweise sind wir aktuell noch nicht in der Lage, den Einfluss von Umfragen auf Wählerinnen und Wähler zu messen oder aber es gibt ihn überhaupt nicht. Das gilt zumindest für die breite Masse. Bei einer speziellen Wählergruppe, den taktischen Wählern, wissen wir, dass es diesen Einfluss ganz klar gibt.
Inwieweit wirken Berichte über Umfragen auf Politiker und ihre Entscheidungen?
Über den Einfluss von Umfragen auf Politikerinnen und Politiker wissen wir aktuell nicht sehr viel. Aus einer normativen Perspektive betrachtet ist es aber möglicherweise sogar wünschenswert, dass politische Akteure auf Umfragen reagieren. Denn dies könnte die Rückkopplung an die Wahlbevölkerung besser gewährleisten, also die Responsivität zwischen politischen Akteuren und Wahlbevölkerung verbessern. Aber gerade im Wahlkampf zeigen sich immer wieder Zeichen, die zeigen, dass auch politische Akteure ganz genau beobachten, was in den Umfragen passiert.
Und inwiefern können Medien selbst Umfragen beeinflussen?
Aus der Forschung haben wir dazu klare Überlegungen und Ergebnisse: Eine solche Beeinflussung hat sich zuletzt Anfang 2017 beim sogenannten “Schulz-Effekt” gezeigt. Nach der Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten wurde viel über ihn und die SPD berichtet. Die unmittelbar danach durchgeführten Umfragen sahen dann einen steilen Aufstieg von Martin Schulz und der SPD in der Wählergunst. Dieser Aufstieg kam tatsächlich nicht zuletzt durch die intensive Medienberichterstattung über den Kandidaten zustande. Aber als der Medienhype sich beruhigt hatte, sanken die Umfragewerte wieder. Medien können mit ihrer Berichterstattung also die öffentliche Meinung durchaus beeinflussen und damit auch Einfluss auf Umfrageergebnisse haben. Für dieses Phänomen gibt es in der Forschung eine Reihe von Theorien und belastbaren empirischen Ergebnissen.