„Das hat viel mit Einstellung und spirituellen Überzeugungen zu tun.“

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Eckhard Frick

Mangelt es in Deutschland an Spenderorganen?

Aus meiner Sicht schon. Meines Erachtens stellt die Organspende eine große Chance für Menschen dar, deren Leben durch die Transplantation erleichtert oder sogar gerettet werden kann.  Allerdings sehen das nicht alle Menschen so und daher ist es eine Definitionsfrage. Es mangelt ja nur, wenn man davon ausgeht, dass das Bedürfnis nach einem Spenderorgan berechtigt ist. Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn der Totenruhe einen höheren Stellenwert zumisst als der Linderung des Leides von Organempfängern. Es gibt verschiedene Perspektiven mit für sich genommen berechtigten Positionen. Wer die Perspektive der Erkrankten einnimmt, die auf ein Spenderorgan hoffen, oder die der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die diesen Personen helfen möchten, wird klar sagen, dass ein Mangel an Spenderorganen besteht. Wir müssen die Organtransplantation als komplexes System sehen, zu dem sowohl die Empfänger- als auch die Empfängerseite gehört, auch wenn diese viele Kilometer voneinander entfernt sind. In der Situation der Lebendspende wie beim gegenwärtigen Bundespräsidenten und seiner Frau sind beide Seiten eng benachbart.

„Wir haben zu wenig offenen Diskurs innerhalb der Bevölkerung.“

Was sind die Gründe für den Mangel an Spenderorganen?

Das hat viel mit Einstellung und spirituellen Überzeugungen zu tun, auch mit Ängsten. Es gibt viele Menschen, die Angst davor haben, dass notwendige Behandlungen unterlassen werden, wenn sie über einen Organspendeausweis verfügen. Das ist ein klassisches Vertrauensproblem, welches vielleicht durch den Transplantationsskandal weiter verschärft wurde. Aus meiner Sicht liegt hier aber nicht der Kern unserer Probleme.

Wo liegt der dann?

Wir haben zu wenig offenen Diskurs innerhalb der Bevölkerung. Nur so kann man Ängste von Menschen überwinden und nur so kann man auch aktiv Bedenken abbauen und langfristig positive Effekte erzielen. Hier hinken wir gegenüber anderen Nationen zurück und genau deshalb sind wir in die aktuelle Lage geraten.

„Die eigentliche Grundfrage ist eine humanistisch-spirituelle, aber wir machen oft ein Rechenspiel daraus, auch in den Krankenhäusern.“

Worauf muss sich dieser Diskurs aus ihrer Sicht konzentrieren?

Auf Transparenz. Eine Entscheidung über eine Organspende ist immer auch eine Beschäftigung mit dem eigenen Tod. Das ist natürlich belastend und unangenehm, deshalb führen wir sie lieber nicht. Das ist ganz natürlich, aber wir müssen im Diskurs dann eben die positiven Dinge herausstellen, die sie mit der Spende eines Organs bewirken können. Wir verknüpfen die Spender noch zu wenig mit den Menschen, die die Organe benötigen. Dabei rettet man einem Menschen das Leben, wenn man ein Organ spendet oder macht es zumindest entscheidend besser.

Auf dieser emotionalen Ebene diskutieren wir noch zu wenig. Es geht eben nicht um ein Ersatzteillager, sondern um das Leben von Menschen und die eigene Vergänglichkeit beziehungsweise im Entscheidungsfall den Tod eines Angehörigen. Die eigentliche Grundfrage ist eine humanistisch-spirituelle, aber wir machen oft ein Rechenspiel daraus, auch in den Krankenhäusern.

„Ich finde, der Diskurs muss auf vielen Ebenen stattfinden: In Politik und Gesellschaft, aber auch in kleinen Kreisen und vor allem in den Familien.“

Inwiefern läuft dort etwas falsch?

Für Krankenhäuser lohnt es sich nicht Organspender anzumelden, zumindest rein rechnerisch nicht. Bei der reinen Kosten-/Nutzenrechnung verliert das Krankenhaus also aus ökonomischer Sicht. Dabei müsste auch hier der Aspekt im Vordergrund stehen ein Leben zu retten mit einer Spende. Allerdings ist das natürlich auch psychologisch nicht einfach und es fehlt den Krankenhäusern an Ressourcen. Da erwarte ich viel mehr Unterstützung von der Politik, damit den Ärzten die Arbeit erleichtert wird und der Diskurs endlich in der breiten Bevölkerung ankommt.  Ich finde, der Diskurs muss auf vielen Ebenen stattfinden: In Politik und Gesellschaft, aber auch in kleinen Kreisen und vor allem in den Familien. Es geht auch nicht ausschließlich darum, dass Menschen sich in jedem Falle FÜR eine Organspende entscheiden. Wichtig ist, dass sie überhaupt eine Entscheidung treffen. Es werden auch viele Organe nicht gespendet, weil Menschen sich zu Lebzeiten nicht entscheiden und Angehörige damit überfordert sind, dies in der jeweiligen Situation zu übernehmen. Oft wird dann eine – potentielle – Spende aus Angst, dem Willen des Angehörigen nicht gerecht zu werden, abgelehnt.

 

Prof. Dr. Eckhard Frick hat zu Fragen rund um die Organspende mit der Pflegewissenschaftlerin Beate Mayr des Klinikums der Universität München zusammen geforscht und auch diese Interviewfragen gemeinsam mit ihr diskutiert.

 

Zur Person

Eckhard Frick ist Professor für Anthropologische Psychologie an der Hochschule für Philosophie in München. Der Psychiater leitet die Forschungsstelle Spiritual Care an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

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