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Wie werden sich Quantentechnologien auf die Gesellschaft auswirken?

Der Versuch eines Blicks in die Zukunft

Quantencomputer gelten als entscheidende Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Mit stolzen zwei Milliarden Euro fördert der Bund bis 2026 deshalb den Bau eines wettbewerbsfähigen Quantencomputers. Ziel ist, dass in Deutschland ein solcher Quantencomputer mit mindestens 100 individuell steuerbaren Qubits gebaut wird, wie es im Förderziel des Programms Quantencomputer Demonstrationsaufbauten heißt.

Quantenbits – oder Qubits – sind die Informationseinheiten in Quantencomputern. Deren besondere Eigenschaften basieren auf den Gesetzen der Quantenphysik – und die machen sich Quantenwissenschaftler*innen zu eigen, um Computer zu bauen, die die aktuelle Rechenleistung unserer besten Supercomputer um ein Vielfaches übersteigen könnte. „Komplexe Rechnungen könnten in einem Bruchteil der Zeit gelöst werden, wie das die heutigen Supercomputer können.” Das sagt Christian Bauckhage. Er ist Lead Scientist für Maschinelles Lernen am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme.

Optimisten sagen: Das ist alles nur noch ein Problem der Technik und dann gibt es tolle Quantencomputer. Die Pessimisten sagen: Naja, wenn wir uns anschauen, wie viel Geld da in den letzten Jahren schon rein geflossen ist, haben wir bisher noch nicht besonders tolle Ergebnisse. Und vielleicht werden wir die technischen Probleme auch nie in den Griff kriegen.

Prof. Dr. Christian Bauckhage, Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme

Für solch eine enorme Leistung müssen die Qubits allerdings stabil bleiben, um sie effektiv „manipulieren”, also eine Rechnung mit ihnen durchführen, zu können. Dieser Zustand ist sehr fragil: Die Temperaturen müssen nahe dem absoluten Nullpunkt, also bei etwa minus 273 Grad liegen und bereits geringste Erschütterungen oder kosmische Strahlung können den Zustand stören und für Fehler in der Rechnung sorgen. Bauckhage: „Optimisten sagen: Das ist alles nur noch ein Problem der Technik und dann gibt es tolle Quantencomputer. Die Pessimisten sagen: Naja, wenn wir uns anschauen, wie viel Geld da in den letzten Jahren schon rein geflossen ist, haben wir bisher noch nicht besonders tolle Ergebnisse. Und vielleicht werden wir die technischen Probleme auch nie in den Griff kriegen”.

Aktuell stehen wir, laut Bauckhage, mit den Quantencomputern da, wo wir mit den digitalen Computern etwa in den fünfziger Jahren standen. Und die Technik-Prognosen von damals klingen aus heutiger Sicht ziemlich absurd: So wird dem US-amerikanischen Unternehmen Thomas Watson nachgesagt, dass er 1943 schätzte, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben solle. Der Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung ist vorsichtig mit Prognosen, was den Einsatz von Quantencomputern angeht: „Die Anwendungs- und Marktpotenziale von Quantencomputern und -algorithmen sind heute noch nicht vorauszusagen”, heißt es darin.

„Wenn eine energiearme Kühlung gelingt, kann der Energieverbrauch eines Quantencomputers sehr gering sein. Herkömmliche Computer dagegen erzeugen sehr viel Abwärme. Kommen dazu noch die Schnelligkeit und eine höhere Rechenleistung, kann die Zukunft des energieeffizienten Rechnens im Quantencomputer liegen.

Prof. Dr. Klaus Mainzer, Technischen Universität München

„Dabei sind aber die logisch-mathematischen und physikalischen Grundlagen seit Jahrzehnten wohlbekannt,“ so stellt Grundlagenforscher und Wissenschaftsphilosoph Klaus Mainzer von der TU München fest. In seiner Arbeit stellt er die Verbindung von den Grundlagen der Künstlichen Intelligenz zur technischen Nutzung in Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft her: „Ich glaube nicht, dass wir alle mal eine Quantencomputer in der Tasche mit uns herumtragen werden. Die meisten Menschen schöpfen ja noch nicht mal die Leistung ihres Smartphones aus. Ich sehe das Potenzial für die Gesellschaft eher dort, wo wir heute mit großen Rechenzentren unheimlich viel Energie verbrauchen.” Er betont den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Klimakrise. Laut einer Studie des französischen Thinktanks The Shift Project aus dem Jahr 2019 wächst der Energiebedarf unserer Informationstechnologien jährlich um 9 Prozent – und ist jetzt schon für zwei Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. „Wenn eine energiearme Kühlung gelingt, kann der Energieverbrauch eines Quantencomputers sehr gering sein. Herkömmliche Computer dagegen erzeugen sehr viel Abwärme. Kommen dazu noch die Schnelligkeit und eine höhere Rechenleistung, kann die Zukunft des energieeffizienten Rechnens im Quantencomputer liegen”, so Mainzer.

„Die Wirkung von Technologien hängt leider immer davon ab, wie sie von wem genutzt werden.”

Prof. Dr. Christian Bauckhage, Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme

Christian Bauckhage sieht das Potenzial von Quantencomputern vor allem in Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz: „Die informatischen Methoden, die wir heute benutzen, um eine künstliche Intelligenz zu trainieren sind extrem rechenintensiv. Wenn wir hierfür einen Quantencomputer nutzen könnten, könnte das tolle Möglichkeiten für die künstliche Intelligenz schaffen.” Seine Vision wäre eine künstliche Intelligenz, die uns Menschen bei den offenen Fragen unserer Zeit helfen könnte – beispielsweise ganz konkret in Bezug auf die Klimakrise. Bauckhage warnt jedoch: „Natürlich kann eine solche Künstliche Intelligenz auch für intelligente Waffensysteme genutzt werden. Die Wirkung von Technologien hängt leider immer davon ab, wie sie von wem genutzt werden.”

Hier sieht auch Klaus Mainzer eine Gefahr: „China ist eine führende Nation in der Entwicklung von Quantentechnologien. Und sie haben auch ein sehr ehrgeiziges Projekt, wofür sie die große Rechenleistung gut nutzen könnten: Den Social Score.” Der sogenannte Social Score ist ein Punktesystem zur Bewertung von erwünschtem und Bestrafung von als negativ bewertetem Verhalten, was in China durch gezielte Überwachung umgesetzt wird. Mainzer befürchtet, dass mit der Rechenleistung eines Quantencomputers eine noch umfassendere Überwachung durch eine schnellere Datenverarbeitung möglich wäre.

„Wir müssen in Deutschland innovationsstark werden und die Entwicklung der Technologie so vorantreiben, dass sie solche Gefahren berücksichtigt. Ziel wäre es, Marktführer zu werden und so zu zeigen: Wir haben hier in Europa wirklich tolle Produkte, die aber zugleich nachhaltig und effizient sind.

Prof. Dr. Klaus Mainzer, Technischen Universität München

Als Präsident der Europäischen Akademie für Wissenschaften und Künste fordert Mainzer deshalb eine europäische Zertifizierung für nachhaltige und verantwortungsvolle Quantentechnologien: „Wir müssen in Deutschland innovationsstark werden und die Entwicklung der Technologie so vorantreiben, dass sie solche Gefahren berücksichtigt. Ziel wäre es, Marktführer zu werden und so zu zeigen: Wir haben hier in Europa wirklich tolle Produkte, die aber zugleich nachhaltig und effizient sind.” Mainzer war Mitglied der Kommission Normungsroadmap Künstliche Intelligenz, die mit verschiedenen Bundesministerien, Vertretern des Bundestags, Firmen und Forschungsinstitutionen Normen mit dem Deutschen Institut für Normung für Künstliche Intelligenz erarbeitet hat. Darin werden ökologische, wirtschaftliche, technische, ethische und rechtliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.

Bauckhage sieht das persönlich kritisch: „Natürlich müssen wir Technikethik und Technikfolgenabschätzung im Blick haben, aber wir dürfen uns auch nicht zu blind für die Möglichkeiten machen. Auch wenn das eine Gratwanderung ist, warne ich vor übereifriger Regulierung. Die Entwicklung ist einfach nicht absehbar.” Gerade scheint in Deutschland eine große Aufbruchstimmung in Sachen Quantentechnologien zu herrschen: So nimmt Deutschland in der staatlichen Förderung von Quantentechnologien aktuell weltweit einen „Spitzenplatz” ein (PDF) und mit dem Konsortium QUTAC setzen sich seit Ende 2021 zehn führende, deutsche Unternehmen für die Anwendung von Quantentechnologien in der Industrie ein. Die Grundsteine für einen großen Durchbruch scheinen also gelegt – dass der tatsächlich kommen wird, bleibt aktuell noch eine Hoffnung von Industrie und Wissenschaft.

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