Herr Hibbing, Sie sind einer der Pioniere in der Forschung zur Beziehung zwischen Genetik und Politik. Was war die Ausgangsidee hinter der Erkundung dieses neuen Feldes?
Ich denke, es begann mit der Beobachtung, dass im Gespräch mit Menschen manchmal der Eindruck aufkommt, als ob ihre politischen Überzeugungen sehr tief sitzen, dass sie nicht nur etwas Äußerliches sind, sondern eigentlich aus dem Inneren kommen. Also begannen meine Kolleg*innen und ich uns zu fragen, ob vielleicht mehr hinter politischen Einstellungen steckt als nur das, was die Menschen erfahren haben. Und: Ob wir vielleicht andere Methoden als eine Umfrage anwenden sollten, denn manchmal sind Menschen nicht wirklich in der Lage, uns zu sagen, was in ihnen vorgeht. Diese Art von Beobachtungen brachte uns auf den Gedanken, dass es von Nutzen wäre, zu versuchen, hinter die Fassade zu schauen und zu sehen, was auf einer tieferen Ebene vor sich geht – auf der genetischen Ebene.
Mit welchen Methoden sind Sie an dieses Forschungsinteresse herangegangen?
Das gängigste Studiendesign, um die Rolle der Genetik zu untersuchen, sind Zwillingsstudien. Das Besondere an Zwillingsstudien ist, dass wir zwei unterschiedliche Arten von Zwillingen haben, nämlich eineiige und zweieiige. Eineiige Zwillinge waren einst dieselbe Eizelle, die sich dann nach der Befruchtung geteilt hat. Das bedeutet, dass sie sich genetisch sehr ähnlich sind, fast zu hundert Prozent. Bei zweieiigen Zwillingen hingegen handelt es sich um zwei getrennte Eizellen. Sie sind eher wie zwei reguläre Geschwister, sie sind bloß zufällig zur gleichen Zeit im Mutterleib. Ihre genetische Ähnlichkeit ist, wie bei Geschwistern, nur fünfzig Prozent. Der Vorteil dieses Studiendesigns besteht darin, dass wir vergleichen können, wie ähnlich sich Zwillinge in Bezug auf ein Merkmal sind. Wenn eineiige Zwillinge sich hinsichtlich ihrer Körpergröße ähnlicher sind als zweieiige, ist das ein ziemlich guter Hinweis darauf, dass die Genetik diesbezüglich eine Rolle spielt. Wir haben das gleiche Forschungsdesign in Bezug auf die politischen Überzeugungen angewendet.
Können Sie die wichtigsten Ergebnisse in diesem Forschungsbereich bis heute zusammenfassen? Würden Sie sagen, dass politische Präferenzen vererbt werden?
Das zentrale Ergebnis ist, dass man in der Regel einen Vererbbarkeitskoeffizienten von etwa 0,3 erhält, was, einfacher ausgedrückt, bedeuten würde, dass etwa ein Drittel unserer politischen Überzeugungen auf die Gene zurückgeführt werden kann. Obwohl ich vielleicht gleichzeitig betonen sollte, dass dann noch zwei Drittel übrig bleiben, die von anderen Faktoren, wie der Umwelt, herrühren.