Mehr als nur Honig

Warum wir Bienen brauchen

Bienen produzieren leckeren Honig, sie summen und sie lieben Blumen – soweit so gut. Doch das ist noch lange nicht alles, was Bienen auszeichnet und warum es auch für uns Menschen wichtig ist, dass es den Bienenvölkern gut geht. Leider ist das vielfach nicht der Fall – auch eine Folge des zu geringen Wissens über ihre Bedeutung.

Das Unwissen über Bienen beginnt häufig schon beim Namen. Wer von „den Bienen“ spricht, meint meistens nur eine bestimmte Bienenart, nämlich Apis mellifera, die Westliche Honigbiene. Mensch und Honigbiene haben eine Jahrtausende alte gemeinsame Geschichte. Die früheste Bienenhaltung gab es wahrscheinlich im Vorderen Orient und auch im antiken Ägypten wurden die Bienen und ihr Honig sehr geschätzt. Bis zur Entdeckung des Rübenzuckers Anfang des 18. Jahrhunderts war er die einzige Süßungsquelle für Speisen. Und auch das Bienenwachs wurde erst mit der Entwicklung von Kunstwachsen im 20. Jahrhundert entbehrlich.

In der heutigen Landwirtschaft werden Bienen vor allem als Bestäuber gebraucht. Die Bestäubung von Obst und Gemüse auf Feldern und in Gärten bringt einen ökonomischen Ertrag, der die Einnahmen durch Honig und Wachs um ein Vielfaches übersteigt. Französische und deutsche Wissenschaftler haben berechnet, dass die Bestäubungsleistung von bestäubenden Insekten im Jahr 2005 rund 150 Milliarden Euro zur weltweiten Agrarleistung beigetragen hat. Aber was genau heißt „bestäuben“ eigentlich?

Die Bienchen und die Blümchen

Eine Blüte ist bestäubt, wenn der Blütenpollen, der die männlichen Samenzellen einer Blütenpflanze enthält, auf das empfängliche weibliche Blütenorgan übertragen wird. Bienen erledigen diese Bestäubung sozusagen „nebenbei”, während sie auf der Suche nach Pollen und Nektar von Blüte zu Blüte fliegen. Als Nektar wird der süße Pflanzensaft bezeichnet, den Blütenpflanzen produzieren, um Insekten anzulocken. Sammeln die Arbeiterinnen mehr Nektar, als zur Versorgung des Bienenvolks nötig ist, legen sie Vorräte an. Hierzu wird der Pflanzensaft eingedickt und in Waben gelagert: Es entsteht der von uns Menschen so begehrte Honig. Der Pollen, der von den Bienen in sogenannten Pollensäcken an den Hinterbeinen gesammelt wird, dient der Eiweißversorgung der Arbeiterinnen und insbesondere der Larven im Stock.

Infobox: Bienenprodukte

Bienen produzieren nicht nur Honig; auch andere Bienenprodukte liegen beim Menschen voll im Trend. Da ist natürlich das Bienenwachs, aus dem z.B. Kerzen, aber auch Kosmetika hergestellt werden. Als besonders hochwertig gilt das Gelée Royale, das aus speziellen Waben, in denen sich die Bienenköniginnen entwickeln sollen, abgepumpt werden kann. Ähnlich aufwendig zu gewinnen ist die Propolis, eine harzartige Substanz, die von den Bienen verwendet wird, um undichte Stellen im Stock abzudichten. Das Sekret wird wegen seiner Fähigkeit, Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen zu bekämpfen vor allem im Gesundheitsbereich verwendet.

Nur aus bestäubten Blüten können sich Früchte entwickeln. Zwar gibt es Lebensmittel wie Reis, Mais und Getreide, die vom Wind bestäubt werden und deshalb nicht auf tierische Bestäuber angewiesen sind, doch „alle Lebensmittel mit einem hohen ernährungsphysiologische Wert, wie Obst, Gewürze oder Gemüse sind auf Blütenbestäubung durch Insekten angewiesen”, sagt Peter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbundes.

Mysterium Bienensterben

Die Angst um eine ausreichende Bestäubung wurde real, als in den 1990er Jahren von Imkern erstmals ein Rückgang ihrer Bienenpopulationen beobachtet wurde. In den USA beispielsweise grassierte Anfang des Jahrtausends ein dramatisches Bienensterben. Die „Colony Collapse Disorder“ (CCD) tötete Milliarden von Bienen; allein im Jahr 2008 verschwanden 60 Prozent der Bienenvölker in den USA. Auch in Deutschland und Westeuropa machte sich Angst um die Bienen breit, denn hier gingen die Bienenbestände – wenn auch weniger dramatisch und abrupt – ebenfalls zurück. Während 1991 noch knapp 1,1 Millionen Bienenvölker beim Deutschen Imkerbund gemeldet waren, sank die Zahl bis 2008 auf rund 600.000 Völker.

Weshalb genau die Völkerzahlen teilweise dramatisch zurückgingen, ist immer noch nicht vollständig geklärt. Prof. Dr. Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin ist sich sicher, dass in Amerika vor allem die Industrialisierung der Imkerei am Bienenschwund Schuld ist: „Bienen werden unterschiedlichen Formen von enormem Stress ausgesetzt: Sie werden über große Strecken transportiert, was ihre Koloniestruktur ganz wesentlich beeinträchtigt. Außerdem werden sie massiven Pestizidmengen ausgesetzt.”

Ähnliche Probleme, jedoch in einem nicht so drastischen Ausmaß, sieht der Neurobiologe ebenfalls in Deutschland: „Faktoren, die den Zustand der Bienen verschlechtern, sind vor allem die Verarmung der Umwelt durch die Monokulturen und der hohe Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.” Um gesund zu bleiben, brauchen Bienen verschiedene Pflanzen, deren Nektar und Pollen sie sammeln können. Stehen durch Monokulturen nur noch wenig unterschiedliche Pflanzenarten zur Auswahl, kann das zu Mangelerscheinungen führen. Ebenso wie die meisten Pestizide bringt das die Bienen normalerweise nicht sofort um; allerdings wird das Bienenvolk geschwächt und damit anfälliger für Viren und Parasiten wie die gefürchtete Varroa-Milbe.

In den letzten fünf Jahren sind zumindest die Fälle von CCD wieder deutlich zurückgegangen. Und auch in Deutschland steigt die Zahl der gehaltenen Bienenvölker langsam wieder an. „Durch die Förderung der Bienenhaltung in Deutschland und daraus resultierende monetäre Anreize, aber auch durch ein gestiegenes Ansehen des Hobbys `Bienenhaltung´ haben wir in Deutschland momentan wieder so viele Imker, wie seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr“, sagt Prof. Dr. Elke Genersch vom Länderinstitut für Bienenkunde Hohen Neuendorf bei Berlin.

Da gerade die Hobbyimker nur einige wenige Stöcke versorgen können, ist die Zahl der Bienenvölker in Deutschland noch nicht wieder so hoch, wie zu Beginn der 1990er Jahre – für das Jahr 2016 geht der Deutsche Imkerbund von gut 800.000 Völkern aus – aber der Trend geht aufwärts. Betrachtet man die Zahlen weltweit, nahm die Zahl der Bienenvölker in den letzten 50 Jahren insgesamt sogar stark zu, wie aus der Datenbank der Welternährungsorganisation FAO hervorgeht. Das liegt hauptsächlich an einem starken Zuwachs der Imkerei in Asien, Südamerika, Afrika und Südeuropa.

 

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Verlierer sind die Wildbienen

Ist damit nun die Gefahr gebannt? Sicherlich nicht, denn Bestäuber, das sind nicht nur Honigbienen. Untersuchungen des Entomologischen Vereins Krefeld ergaben für einzelne Standorte einen Rückgang in der Biomasse der Fluginsekten von bis zu 80 Prozent seit dem Jahr 1989. Auch wenn die konkreten Zahlen in den vergangenen Wochen in den Medien vielfach diskutiert und nicht allgemein für Deutschland übertragbar sind, steht fest, dass die Bestände von Insekten in Deutschland stark zurückgegangen sind. Dr. Melanie von Orlow, Sprecherin der Bundesarbeitsgruppe Hymenoptera (Hautflügler) des NABU, sieht daher die Problematik an einer anderen Stelle: „Für mich ist Bienensterben vor allem das Verschwinden der Wildbienen und Hummeln.” Anders als bei den Honigbienen, erholen sich die Bestände hier nämlich keineswegs. Über die Hälfte aller Wildbienenarten in Deutschland sind in ihrem Bestand bedroht.

Die Faktoren, welche die Gesundheit der Honigbienen beeinträchtigen, machen wild lebenden Bienen noch viel stärker zu schaffen. „Die Honigbiene hat von allen Bienenarten noch die robusteste Natur, die es ihr erlaubt, mit vielen schädigenden Faktoren klar zu kommen. Sie hat vor allem Imker, die sich für sie einsetzen und gegen Krankheiten vorgehen. All das haben Hummeln und Wildbienen nicht”, sagt von Orlow. Für Wildbienen, die oft einen viel kleineren Sammelradius haben als Honigbienen, kann der Anbau von Monokulturen und die Versiegelungen von Flächen verheerend sein. Befindet sich ein Nest mitten in einer Monokultur, fehlt Wildbienen, die stark auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert sind, die nötige Blütenvielfalt, um ganzjährig zu überleben. Aufgrund schlechterer molekularer Abwehrmechanismen, reagieren viele Wildbienen außerdem sensibler auf Gifte.

Problematisch ist daher, dass in der Diskussion um die Pestizide stets nur die Wirkung auf die Honigbienen betrachtet wird, sagt Melanie von Orlow. „Wir können aber nicht pauschal sagen: Dieses eine Insekt steht stellvertretend für die gesamte Bestäuberwelt“. Besonders fatal ist die Pestizidbelastung für solitäre Wildbienen, die keine Staaten bilden, sondern einzeln leben. Auch Randolf Menzel teilt diese Einschätzung: „Solitäre Wildbienen können solche Faktoren nicht durch eine soziale Regulation wegpuffern. Das einzelne Sammeltier legt gleichzeitig auch die Eier und füttert die Larven. Wenn dieses Tier durch den Einfluss von Pestiziden nicht zurückfindet, ist das ganze Nest mit allen bereits gelegten Eiern und den sich entwickelnden Larven dem Tod ausgeliefert”.

Das Sterben der wilden Bestäuber beeinträchtigt am Ende auch die Qualität der Nutzpflanzen. Für eine optimale Bestäubung der Pflanzen ist nämlich ein Mix von verschiedenen Bestäubern notwendig. „Einfach mehr Honigbienen zu züchten genügt deshalb nicht”, sagt Melanie von Orlow. „Die Honigbiene alleine kann nicht die Bestäubungsleistung der anderen Insektenarten kompensieren.“

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