„Extremwetterereignisse mit vielen Opfern machen mehr Schlagzeilen als eine aussterbende Art“, so Prof. Dr. Almut Arneth vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Wir alle erleben die Auswirkungen des Klimawandels. Aber wenn der Orangutan aussterben würde, tangiert das unser Leben in Deutschland nicht wirklich.“ Und dann ist da noch die knackige Botschaft: Das 1,5 Grad Ziel, bis zu dem die globale Erwärmung noch als handhabbar gilt, scheint medial allgegenwärtig. „Biodiversität ist zu komplex, als dass wir das ähnlich griffig auf den Punkt bringen könnten“, sagt die Forscherin.
Auch wenn die UN-Gipfel beide Themen weiterhin trennen. In der Wissenschaft ist die Arbeit von Biodiversitäts- und Klimaforscher*innen seit langem vernetzt. „Die Grenze gibt es innerhalb der wissenschaftlichen Community eigentlich nicht mehr“, sagt Arneth. Sie hat als Autorin sowohl an den Berichten des IPBES als auch des IPCC mitgewirkt. 2022 erhielt sie den renommierten Leibniz-Preis für ihre Forschung zu den Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Landökosystemen. Wie beeinflusst die Nutzung von Äckern, Weiden und Wäldern in verschiedenen Regionen auf der Welt das Klima? Und wie reagieren dort umgekehrt Vegetationstypen auf den Klimawandel?
Die Expertin nennt als Beispiel den borealen, also nördlichen Nadelwald in Skandinavien. Der mag keine Wärme und verschiebt sich mit dem Klimawandel Richtung Norden, in den Bergen entsprechend in kühlere höhere Zonen. Doch dieser Wanderbewegung sind Grenzen gesetzt, sie kann das Artensterben nur bedingt aufhalten. In den höheren Gesteinsregionen der Berge finden Pflanzen keine Nährstoffe. In der Ebene stehen den Lebewesen wiederum Barrieren wie Städte oder große Weideflächen im Weg. „Salopp gesagt, ein Frosch hüpft nicht mal eben von Süden nach Norden durch Berlin.“ Für viele Lebewesen ändert sich das Klima auch einfach zu rasch, als dass sie sich der Erwärmung rechtzeitig anpassen oder entziehen könnten. Dann sind sie vom Aussterben bedroht.
Anhand von Computersimulationen kann Arneths Team am KIT durch den Klimawandel bedingte Veränderungen und Verschiebungen in den Ökosystemen auf der ganzen Welt prognostizieren. Mit Einschränkungen, wie sie betont. Böden, Vögel, Insekten und Pflanzen existieren in Lebensgemeinschaften. „Die Komplexität dieser Gemeinschaften können die Simulationen noch nicht erfassen.“ Dazu fehlen oftmals Messungen, die nicht nur den Kohlenstoffkreislauf , also die Umwandlung von Kohlenstoff durch Pflanzen und Tieren erfassen, sondern auch Aufschluss über die Entwicklung der Biodiversität in der betreffenden Region geben.
Dass diese mehr geschützte Flächen braucht, ist Konsens unter den Wissenschaftler*innen. Auf dem Montrealer Gipfel wollen führende Industrieländer daher 30 Prozent der Land- und der Meeresfläche des Planeten bis 2030 unter Schutz stellen. Bei diesem Ziel gehen Arten- und Klimaschutz Hand in Hand. Intakte Wälder, Moore und Ozeane sind Horte der Artenvielfalt und senken als effiziente Kohlenstoffspeicher zugleich den CO2-Gehalt der Atmosphäre. Auch in dieser Funktion nutzen sie dem dem Artenschutz: Denn die globale Erwärmung stellt eine der größten Bedrohungen für die Biodiversität auf der Erde und in den Ozeanen dar.