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Kohlenstoffkreislauf – wenn CO2 zum Rohstoff wird

CO2 als Rohstoff zu verwenden, klingt vielversprechend - doch bis diese Technologien einen sinnvollen Beitrag zur Klimaneutralität leisten können, gibt es noch einiges zu tun…

Landwirtschaft, chemische Industrie oder Abfallverbrennung – das sind Sektoren, in denen sich voraussichtlich auch in Zukunft CO2-Emissionen nicht vermeiden lassen. Im Jahr 2045 könnten das „in sehr optimistischen Szenarien“ knapp 100 Megatonnen CO2 jährlich sein, so Prof. Dr. Andreas Oschlies, Leiter der Forschungseinheit Marine Biogeochemische Modellierung, gegenüber dem Science Media Center – 2021 emittierte Deutschland, laut Umweltbundesamt, in allen Sektoren 762 Megatonnen. Doch ein Teil dieses CO2 kann von einer unvermeidbaren Emission zu einer wertvollen Ressource werden: Sogenannte CCU-Technologien (Carbon Capture and Utilization) gewinnen CO2 und verwenden es wieder – wodurch im Idealfall ein Kohlenstoffkreislauf entsteht.

Kohlenstoffdioxid kann vor allem über zwei Wege zu einem Rohstoff für unterschiedliche Industriezweige werden: Stellt man aus CO2 Methan oder Methanol her, kann es ein Rohstoff für Kraftstoffe oder Polymere sein. Die Kraftstoffe könnten vor allem in der Schiff- und Luftfahrt relevant werden, weil dort eine Umstellung auf elektrische Motoren schwierig ist. In Kunststoffen kann der CO2-basierte Rohstoff einen Teil des Erdöls ersetzen und so ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität der chemischen Industrie sein.
Durch die sogenannte Mineralisierung wird CO2 zu einem Feststoff – so könnte es theoretisch auch eingelagert werden. Gleichzeitig bildet es aber auch einen wertvollen Baustoff für die bisher sehr CO2-intensive Zement- und Betonindustrie.

„Es geht nicht nur um die Verminderung von CO2, sondern auch um einen geringeren Ressourcenverbrauch.“

Prof. Dr. Stefan Bringezu, Direktor am Center for Environmental System Research an der Universität Kassel

Ökobilanz nicht immer gut

Prof. Dr. Stefan Bringezu ist Professor für nachhaltiges Ressourcenmanagement und Direktor am  Center for Environmental Systems Research an der Universität Kassel. Im Verbundprojekt CO2-Win erforscht er die ökologischen und ökonomischen Potenziale verschiedener Technologien zur CO2-Nutzung. 

Für die Ökobilanz einer solchen Technologie untersucht sein Team nicht nur die Quellen, aus denen das CO2 stammt, sondern auch welche Emissionen damit verbunden sind und wie hoch der jeweilige Wasser-, Rohstoff- und Flächenverbrauch ist. Für Bringezu steht der Klimabeitrag von CCU-Technologien unter einer klaren Prämisse: „Das Ganze ergibt nur Sinn, wenn ich den Betrieb mit erneuerbarem Strom betrachte.“ Denn die Technologien haben einen sehr hohen Energieverbrauch. Wird der aus fossilen Quellen gedeckt, ist die positive Klimabilanz dahin. Gleichzeitig findet Bringezu es wichtig zu bedenken, dass erneuerbare Energien – etwa der Bau eines Windparks – einen hohen Ressourcenverbrauch haben: „Es geht nicht nur um die Verminderung von CO2, sondern auch um einen geringeren Ressourcenverbrauch.“

Auf die Quelle kommt es an

Das CO2 zur Wiederverwendung kann aus unterschiedlichen Quellen stammen. Die Direct Air Capture-Technologie gewinnt das CO2 aus der Luft. Das entzieht zwar CO2 direkt der Atmosphäre und kann so für negative Emissionen sorgen – also dafür, dass mehr CO2 der Luft entnommen wird, als zuvor ausgestoßen wurde – gleichzeitig sei der Energieaufwand aber höher: Da die Konzentration und die Menge an CO2 eher gering sei, sei es aufwändiger, das CO2 abzuscheiden, so Bringezu. Gewinnt man das CO2 dagegen aus sogenannten Punktquellen – etwa aus den Abgasen von Industrien -, ist die CO2-Konzentration deutlich höher. Außerdem wird das CO2 in diesen Fällen bereits entzogen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. „Wir sollten allerdings auf Punktquellen setzen, die mittel- bis langfristig sprudeln – also nicht auf Kohlekraftwerke, sondern etwa auf Abgase aus der Zementindustrie“, so Bringezu. Auch die Abgase von Biomasseanlagen können als CO2-Quellen dienen. Klar sei: „Die Quellen von CO2 scheinen nicht der limitierende Faktor zu sein, sondern die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien.“ 

Unternehmen müssen kooperieren

Heute kostet die Produktion von Kunststoffen mit CO2 als Rohstoff im Vergleich zur Herstellung mit fossilen Quellen die Unternehmen je nach Endprodukt bis zu vier Prozent mehr – so das Ergebnis einer Studie, an der auch Bringezu mitgearbeitet hat. Deshalb eigneten sich CO2-basierte Materialien heute eher für hochpreisige Endprodukte, wie etwa der Kunststoff in Karosserien von Autos, in denen der Mehrpreis für einzelne CO2-basierte Grundstoffe kaum mehr ins Gewicht fällt. In Zukunft rechnen die Studienautoren mit unter einem Prozent höheren Produktionskosten. Bringezu schlägt in einer „Roadmap zur zukünftigen Nutzung von CO2 als Rohstoffbasis in der deutschen Chemie- und Kunststoffindustrie“ vor, sogenannte Wertschöpfungsgemeinschaften zu bilden: „Entlang der Kette der CO2-Abscheidung, Grundstoffherstellung und Fertigproduktherstellung sind die Kosten und Erlöse ungleich verteilt.“ Bisher würde es sich nur für manche Unternehmen lohnen in CCU zu investieren, die sind aber auf die Investitionen in Industrien angewiesen, die selbst vielleicht nicht daran verdienen würden. „Wertschöpfungsgemeinschaften können dem entgegenwirken“, sagt Bringezu.

„All das, was ich geschildert habe, kostet in einem Kohlenstoffkreislauf mit einer positiven Ökobilanz jede Menge erneuerbarer Energien, vor allem erneuerbaren Wasserstoff. So lange es davon nicht genug gibt, ist ein sinnvoller Kohlenstoffkreislauf schwer umsetzbar.“

Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg, Direktor für Transfer am Fraunhofer UMSICHT

Kreisläufe schließen mit CCU

Wären die technischen, ökologischen, und ökonomischen Voraussetzungen gegeben, könnte CCU allerdings das leisten, was in vielen anderen Bereichen als Lösungsansatz in der Klimakrise beschrieben wird: die Kreislaufwirtschaft. Im sogenannten Kohlenstoffkreislauf würde CO2 nach dem Ausstoß aufgefangen und gleich wieder der Produktion zugeführt werden.

Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg ist Direktor für Transfer am Fraunhofer UMSICHT und einer der Koordinatoren des Verbundprojektes Carbon2Chem. In dem Projekt untersuchen die Forschenden unter anderem die Potenziale verschiedener Kohlenstoffkreisläufe. In einem kleinen Kreislauf würde CO2, das innerhalb einer Industrie entsteht, eingefangen und nach einer Umwandlung mit Wasserstoff als Rohstoff wieder hinzugefügt werden. Zwischen unterschiedlichen Industrien könnte ein Kreislauf geschlossen werden, wenn etwa aus Abgasen von Müllverbrennungsanlagen oder Biogasanlagen CO2 gewonnen und der chemischen Industrie als Rohstoff zugeführt würde. Für Abgase, die sich nicht direkt entziehen lassen, wie etwa Emissionen aus Luft- und Schifffahrt, spricht Deerberg von dem großen Kreislauf: Den können wir etwa mithilfe von Biomasse schließen. CO2 wird von Pflanzen aufgenommen. Wir nutzen die Pflanzen wiederum für Biogasanlagen und das entstehende Biomethan für die chemische Industrie. Auch können wir der Atmosphäre direkt CO2 entziehen. Diese Direct Air Capture Technologien sind allerdings sehr aufwändig und benötigen sehr viel erneuerbare Energie, denn CO2 ist nur zu 0,04% in der Luft enthalten.“ Doch auch für Deerberg ist klar: All das, was ich geschildert habe, kostet in einem Kohlenstoffkreislauf mit einer positiven Ökobilanz jede Menge erneuerbarer Energien, vor allem erneuerbaren Wasserstoff. Solange es davon nicht genug gibt, ist ein sinnvoller Kohlenstoffkreislauf schwer umsetzbar. Wir sehen aber auch Anwendungen, in denen auch ein Strommix schon CO2-Emissionen einspart.“

Umsetzung bis 2050 möglich

Die Modellierung verschiedener Szenarien zeigte, dass die deutsche Chemieindustrie bis 2050 rechnerisch auf eine vollständig regenerative Kohlenstoffversorgung (…) umgestellt werden könnte“, so heißt es in der Roadmap, an der Stefan Bringezu mitgearbeitet hat. Als Herausforderungen nennt die Studie vor allem die Verfügbarkeit von preiswertem erneuerbarem Strom, die Wirtschaftlichkeit und „regulatorische Hemmnisse“ – also rechtliche Hürden, die durch eine neue Gesetzgebung ausgeräumt werden könnten. Deerberg schätzt: „Technisch wäre die Umsetzung in wenigen Jahren möglich. Es mangelt allerdings an Infrastruktur, wie Pipelines oder Stromnetzen. Hier sind auch die nötigen Genehmigungsverfahren ein Hemmnis.“ Stefan Bringezu ist sich aber sicher, dass sich die nötigen Investitionen und regulatorischen Anpassungen lohnen werden: „Wir werden langfristig nicht auf CCU verzichten können. Es wird ein Schlüsselprozess sein, um unsere Wirtschaft nachhaltig zu gestalten.“

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