Ökobilanz nicht immer gut
Prof. Dr. Stefan Bringezu ist Professor für nachhaltiges Ressourcenmanagement und Direktor am Center for Environmental Systems Research an der Universität Kassel. Im Verbundprojekt CO2-Win erforscht er die ökologischen und ökonomischen Potenziale verschiedener Technologien zur CO2-Nutzung.
Für die Ökobilanz einer solchen Technologie untersucht sein Team nicht nur die Quellen, aus denen das CO2 stammt, sondern auch welche Emissionen damit verbunden sind und wie hoch der jeweilige Wasser-, Rohstoff- und Flächenverbrauch ist. Für Bringezu steht der Klimabeitrag von CCU-Technologien unter einer klaren Prämisse: „Das Ganze ergibt nur Sinn, wenn ich den Betrieb mit erneuerbarem Strom betrachte.“ Denn die Technologien haben einen sehr hohen Energieverbrauch. Wird der aus fossilen Quellen gedeckt, ist die positive Klimabilanz dahin. Gleichzeitig findet Bringezu es wichtig zu bedenken, dass erneuerbare Energien – etwa der Bau eines Windparks – einen hohen Ressourcenverbrauch haben: „Es geht nicht nur um die Verminderung von CO2, sondern auch um einen geringeren Ressourcenverbrauch.“
Auf die Quelle kommt es an
Das CO2 zur Wiederverwendung kann aus unterschiedlichen Quellen stammen. Die Direct Air Capture-Technologie gewinnt das CO2 aus der Luft. Das entzieht zwar CO2 direkt der Atmosphäre und kann so für negative Emissionen sorgen – also dafür, dass mehr CO2 der Luft entnommen wird, als zuvor ausgestoßen wurde – gleichzeitig sei der Energieaufwand aber höher: Da die Konzentration und die Menge an CO2 eher gering sei, sei es aufwändiger, das CO2 abzuscheiden, so Bringezu. Gewinnt man das CO2 dagegen aus sogenannten Punktquellen – etwa aus den Abgasen von Industrien -, ist die CO2-Konzentration deutlich höher. Außerdem wird das CO2 in diesen Fällen bereits entzogen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. „Wir sollten allerdings auf Punktquellen setzen, die mittel- bis langfristig sprudeln – also nicht auf Kohlekraftwerke, sondern etwa auf Abgase aus der Zementindustrie“, so Bringezu. Auch die Abgase von Biomasseanlagen können als CO2-Quellen dienen. Klar sei: „Die Quellen von CO2 scheinen nicht der limitierende Faktor zu sein, sondern die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien.“
Unternehmen müssen kooperieren
Heute kostet die Produktion von Kunststoffen mit CO2 als Rohstoff im Vergleich zur Herstellung mit fossilen Quellen die Unternehmen je nach Endprodukt bis zu vier Prozent mehr – so das Ergebnis einer Studie, an der auch Bringezu mitgearbeitet hat. Deshalb eigneten sich CO2-basierte Materialien heute eher für hochpreisige Endprodukte, wie etwa der Kunststoff in Karosserien von Autos, in denen der Mehrpreis für einzelne CO2-basierte Grundstoffe kaum mehr ins Gewicht fällt. In Zukunft rechnen die Studienautoren mit unter einem Prozent höheren Produktionskosten. Bringezu schlägt in einer „Roadmap zur zukünftigen Nutzung von CO2 als Rohstoffbasis in der deutschen Chemie- und Kunststoffindustrie“ vor, sogenannte Wertschöpfungsgemeinschaften zu bilden: „Entlang der Kette der CO2-Abscheidung, Grundstoffherstellung und Fertigproduktherstellung sind die Kosten und Erlöse ungleich verteilt.“ Bisher würde es sich nur für manche Unternehmen lohnen in CCU zu investieren, die sind aber auf die Investitionen in Industrien angewiesen, die selbst vielleicht nicht daran verdienen würden. „Wertschöpfungsgemeinschaften können dem entgegenwirken“, sagt Bringezu.