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„Technisch wäre eine Umsetzung in drei bis fünf Jahren möglich.“

Ein Interview mit dem Chemieingenieur Prof. Dr. Görge Deerberg

Sie arbeiten bereits seit mehreren Jahren an nachhaltigen Energietechniken. Was ist die Schwierigkeit im Umgang mit CO2?

Wenn wir Kohle verbrennen oder Produkte herstellen, setzen wir CO2 frei. Die größte Schwierigkeit im Umgang mit CO2 ist, es in einen Kreislauf zu führen und in anderen Industrien oder für Produkte wiederzuverwenden (CCU). Ein anderer Ansatz wäre, Kohlenstoff abzuscheiden und zu speichern (CCS). Wir versuchen, das CO2 nicht in die Atmosphäre zu entlassen. Eine Möglichkeit wäre, so viel Kohlenstoff wie möglich, der aus dem Kohlendioxid entsteht, einzusparen. In bestimmten Industrien ist das aber nicht möglich. Bei der Stahl- und Zementproduktion für die Baubranche oder in der Chemieindustrie wird Kohlenstoff zwangsläufig freigesetzt.

Welche Herausforderungen gibt es, wenn man CO2 weiterverwenden möchte?

CO2 aufzufangen und chemisch so aufzubereiten, dass man es für andere Prozesse nutzen kann, ist komplex. Technologisch gibt es in diesem Prozess einige Herausforderungen: Zuerst braucht es Technologien, die CO2 von den anderen Gasen, mit denen es in der Regel gemischt ist, in möglichst guter Qualität trennen. Wie aufwändig das ist, hängt zum einen von der CO2-Konzentration in den Abgasen ab. Zum anderen ist entscheidend, welche anderen Gaskomponenten darin enthalten sind. Diese Parameter variieren stark zwischen den verschiedenen Prozessen, in denen CO2-haltige Abgase entstehen. Je nach dem, wie diese Gase zusammengesetzt sind und in welchem Zustand sie sich befinden, werden unterschiedliche Kombinationen von Technologien benötigt, um CO2 aufzufangen, zu reinigen und wieder zur Verfügung zu stellen. Welche Technologien kombiniert werden, hängt also von der Quelle ab, aus der das CO2 kommt, und wofür das aufbereitete CO2 später verwendet wird. Diese Besonderheiten und unterschiedlichen Erfordernisse machen es aufwändig, diese Technologien zu entwickeln.

„Diese Rahmenbedingungen hätte man schon vor vielen Jahren vorbereiten müssen, aber Regulation und fehlende Infrastruktur haben das bisher noch nicht zugelassen.“

Wann können die Technologien in Deutschland voraussichtlich genutzt werden?

Technisch wäre eine Umsetzung in drei bis fünf Jahren möglich. Einige dieser Technologien wurden in den letzten Jahren bereits ausreichend erforscht und sind einsatzbereit.

Vor welchen Herausforderungen steht man dabei noch?

Wir brauchen noch entsprechende Genehmigungen. Das dauert in Deutschland erfahrungsgemäß sehr lange. Außerdem müssen die Anlagen, um CO2 aufzubereiten, erst noch gebaut und in Betrieb genommen werden. Damit wäre dann eher in fünf bis acht Jahren zu rechnen, vor allem bei Großanlagen. Die zeitliche Umsetzung ist aber auch abhängig vom jeweiligen Standort: Gibt es im Umkreis eine Wasserstoffpipeline oder ein leistungsfähiges Stromnetz? Wenn das nicht der Fall ist, muss auch die Infrastruktur erst einmal gebaut werden. Das braucht ebenfalls Zeit. Diese Rahmenbedingungen hätte man schon vor vielen Jahren vorbereiten müssen, aber Regulation und fehlende Infrastruktur haben das bisher noch nicht zugelassen. Auch benötigt man viel Platz für die Anlagen zur Aufbereitung von CO2. Dieser ist nicht an jedem Standort gegeben. Außerdem: fossilen Kohlenstoff abzuscheiden und aufzubereiten, kostet viel Energie. Damit die CCS- oder CCU-Technologien klimaneutral sind, braucht man erneuerbare Energie, in der Regel Strom. Wenn man all die infrastrukturellen Parameter und den Mangel an erneuerbaren Strom mit einbezieht, wäre eine CO2-Abscheidung vor allem in Bereichen interessant, in denen die CO2-Menge groß und die CO2-Konzentration hoch ist.

„Hier setzt unser Projekt Carbon2Chem® an: Wir möchten Kreisläufe schließen, indem wir das CO2 aus Industrien nutzen, um die Produkte der chemischen Industrie herzustellen.“

Sie arbeiten seit sieben Jahren als Projektkoordinator an dem Verbundprojekt Carbon2Chem® zu CCU-Technologien. Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt?

Mit dem Projekt Carbon2Chem® wollen wir Kohlenstoffkreisläufe schließen, also erforschen, wie wir Prozessgase aus der Industrie, beispielsweise der Stahlproduktion, als Kohlenstoffquelle für die chemische Industrie weiterverwenden können. 2016 haben wir mit dem Thyssenkrupp Stahlwerk begonnen. Mittlerweile betrachten wir auch andere Kohlenstoffquellen, wie Zementwerke und Müllverbrennungsanlagen. In der Chemieindustrie wird Kohlenstoff für die Produktion verschiedener Produkte wie Kunststoffe, Farben, Pharmazeutika, Kosmetika oder Kraftstoffe benötigt. Als Ausgangsmaterial dafür werden heute Kohlenwasserstoffe verwendet, die aktuell aus Erdöl oder Erdgas hergestellt werden. Hier setzt unser Projekt an: Wir möchten Kreisläufe schließen, indem wir das CO2 aus Industrien nutzen, um die Produkte der chemischen Industrie herzustellen. Die Produktion soll so weit wie möglich weiterlaufen wie bisher, aber ohne fossile Kohlenstoffe. Stattdessen mithilfe von nachhaltigen Ausgangsstoffen aus CO2. Ein solches Zwischenprodukt ist beispielsweise Methanol. Daraus können zahlreiche andere Produkte der chemischen Industrie, aber auch Treibstoffe für Flugzeuge und Schiffe hergestellt werden. Dadurch müssten wir Infrastrukturen oder Herstellungsprozesse nur in geringerem Umfang verändern. Wir könnten den Großteil dessen, was bereits existiert, weiter nutzen. Das macht das Projekt letztlich auch nachhaltig.

Was kommt Ihnen aus technologischer Sicht in der Debatte zu CCS und CCU zu kurz?

Bei der Diskussion um CO2-Emissionen muss neben deren Ausstoß auch die Kohlenstoffquelle mehr beachtet werden. Es macht einen Unterschied, ob das ausgestoßene CO2 aus fossilen Quellen direkt stammt oder vorher bereits eine andere Verwendung hatte – selbst wenn das recycelte CO2 an einer anderen Stelle zu einem späteren Zeitraum wieder ausgestoßen wird. Durch die Wiederverwendung wird weniger CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen, was besser für das Klima ist. Das sollte sich auch in den Regularien widerspiegeln. Es wird weltweit noch einige Jahre fossiler Kohlenstoff genutzt werden, eine Differenzierung zwischen CO2 aus fossilem und recyceltem Kohlenstoff ist deshalb wichtig, um die richtigen Anreize zu setzen. Wenn wir CO2 wiederverwenden und damit auch nur die Hälfte der CO2-Emissionen reduzieren, wären wir den Klimazielen schnell schon einen riesigen Schritt näher.

 

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg ist Direktor für Transfer im Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und Projektkoordinator für das Verbundprojekt Carbon2Chem®.

Foto: FraunhoferUMSICHT / Mike Henning

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