Was ist der Mehrwert von Modellen im Umgang mit der Pandemie?
Mittels Modellen kann man Maßnahmen durchprobieren, bevor man sie implementiert. Das ist der Vorteil – der Nachteil ist, dass das Modell richtig sein muss und man dem Modell trauen muss. Man muss das aber auch skeptisch hinterfragen. Es gibt allerdings Dinge, die wir in unseren Modellen recht deutlich sehen. Wenn zum Beispiel jedes Mal bevor man zu einer Familienfeier geht eine Münze geworfen wird und man nur hingehen darf, wenn die Münze Kopf zeigt, dann reduziert das das Infektionsgeschehen – und zwar kurioser Weise nicht linear, sondern quadratisch. Wenn also jede Person 50 Prozent ihrer Partys ausfällen lässt, geht das Infektionsgeschehen auf diesen Partys um 75 Prozent zurück. Wir können auch berechnen, welche Anteile unterschiedliche Sektoren der Gesellschaft am Infektionsgeschehen haben und was es bringen würde, in den jeweiligen Sektoren bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Wir sehen zum Beispiel, dass die Öffnung der Schulen ohne begleitende Maßnahmen durchaus ein Problem ist, weil man dort sehr eng beieinander sitzt. Beim öffentlichen Verkehr hingegen ist das Problem nicht so groß, da es im Großen und Ganzen eine gute Lüftung gibt.
Also kann man aus Ihren Modellen auch ablesen, was der Einzelne tun kann um eine Ansteckung und Weiterverbreitung des Virus zu vermeiden?
Ja, zumindest statistisch. Wir können natürlich keine individuellen Risikoanalysen machen, aber es wird aus unseren Modellen relativ klar, wie man das Risiko reduzieren kann. Allerdings sind das meist Dinge, von denen man auch in der Zeitung lesen kann. Das Modell macht ja nichts weiter, als die Dynamik, die im Grunde bekannt ist, in einem großen Bild zusammenzuführen.
Mit welchen konkreten Fragestellungen zu Covid-19 beschäftigen Sie sich aktuell in dem Modell?
In dem Modell geht es sehr stark um den Effekt von Schulschließungen, also die Frage, unter welchen Voraussetzungen man die Schulen eben nicht nochmal schließen muss oder auch welchen Effekt es damals gehabt hätte, sie offen zu lassen. Weitere Themen sind die sogenannten nicht-pharmazeutischen Interventionen, mit denen man das Infektionsgeschehen reduzieren kann, wie zum Beispiel Kontaktreduzierung und das Tragen von Masken. Wir modellieren, welche Wirkung nicht-pharmazeutische Interventionen, das Schließen bestimmter Segmente, unterschiedliche Arten der Kontaktnachverfolgung und Reiserückkehrer*innen haben. Wir versuchen immer aufzugreifen, was gerade zur Diskussion steht und dazu Aussagen zu treffen.