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„Das alltägliche Leben ist durchdrungen von digitalen Medien!“

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Olaf Kramer

Was hat sich durch digitale Medien für Jugendliche und Kinder in der Nutzung verändert?

Zieht man das Zeitalter der traditionellen Massenmedien mit Fernsehen und Radio heran, dann hat sich eine ganze Menge verändert. Die Kinder und Jugendlichen leben in einer vollkommen anderen Welt. Den größten Unterschied macht dabei sicherlich die permanente Erreichbarkeit und permanente Mediennutzung aus. Die Trennung zwischen Phasen mit Mediennutzung und ohne Mediennutzung ist kaum mehr möglich, denn das Smartphone in meiner Tasche ist ja immer online und aktuelle Nachrichten werden ohne Verzögerung gemeldet. Das alltägliche Leben ist durchdrungen von digitalen Medien. So erklären sich dann auch die entsprechend hohen Nutzungszeiten.

„Der Umgang mit Wissen verändert sich durch digitale Medien grundlegend.“

Welche Auswirkung haben diese Veränderungen auf unser Verhalten?

Technische Innovationen lösen immer neue Nutzungspraktiken aus. Ein Punkt, den ich sehr spannend finde, ist die universelle Verfügbarkeit von Information. Dadurch verändert sich beispielsweise die Notwendigkeit Wissen anzuhäufen und auswendig abrufbar zu haben. Da man Wissen jederzeit nachlesen kann, braucht Schulunterricht einem im Prinzip nicht mehr beizubringen, wie man Wissen auswendig lernt. Daher ist die Verschiebung hin zu kompetenzorientiertem Unterricht in der heutigen Zeit sinnvoll. Der Umgang mit Wissen verändert sich also durch digitale Medien grundlegend und dem müssen wir uns bewusst sein, vor allem im Kontext von Bildung.

Als Professor für Rhetorik und Wissenskommunikation beschäftigen Sie sich ja vor allem auch mit Sprache. Verändert der Einsatz digitaler Medien die Art unsere Kommunikation?

Wenn wir uns tatsächlich auf Sprache beziehen, hört man oft den Begriff der neuen Mündlichkeit. Damit ist gemeint, dass Sprache nicht mehr so stark reguliert ist und lockerer wird. Darüber hinaus haben wir aber auch eine neue Schriftlichkeit. Auch wenn ich in einem mündlicheren Stil schreibe, so schreibe ich doch und Internetkommunikation basiert stark auf geschriebenen Texten. Einst telefonierten Jugendlichen anstatt einen Brief zu schreiben, heute wird nun wieder überwiegend schriftlich kommuniziert und gechattet. Das ist natürlich eine interessante Entwicklung.

Gleichzeitig beobachten wir eine Verbildlichung von Sprache. Emoticons sind hier ein gutes Beispiel. Es werden also visuelle Elemente in einen Fließtext eingebunden, was eine neue Entwicklung ist. Auch die Autokorrekturfunktion bewirkt eine Veränderung, da die eigene Fähigkeit des korrekten Schreibens so an Bedeutung verliert. Zugleich äußern sich Menschen häufig in Formulierungen, die gar nicht von Ihnen stammen, weil der Autokorrekturmodus einem auch Vorschläge für bestimmte Wörter macht, die wir sonst vielleicht gar nicht nutzen würden. Auch hier hat die Digitalisierung also einen Einfluss auf den täglichen Sprachgebrauch. Allerdings halte ich die Weiterentwicklung von Sprache für vollkommen normal. Es gibt seit je her eine Tendenz zur Vereinfachung der Sprache, diese wurde lediglich im 19. Jahrhundert durch die Vereinheitlichung von Sprache und Grammatik in Büchern durchbrochen. Auch in diesem Bereich müssen die Schulen ansetzen und die Veränderungen an- und aufnehmen.

„Vernachlässigt wird häufig das pädagogische Konzept für den Einsatz der neuen Medien.“

Wie bewerten sie denn den Einsatz digitaler Medien in der Schule aktuell?

Es fällt auf, dass die Notwendigkeit von technischer Ausstattung inzwischen an vielen Stellen wahrgenommen wird. Vernachlässigt wird hingegen häufig das pädagogische Konzept für den Einsatz der neuen Medien. Schaut man Studien zur Nutzung von Tablets im Unterricht an, werden diese häufig genutzt, um sich Filme anzugucken oder Notizen zu machen. Das ist keine wirklich originelle Art sie einzusetzen und dadurch wird auch keine wirkliche Medienkompetenz gewonnen.

Dem entgegen steht dann die Bewegung Technik ganz aus dem Unterricht zu verbannen. Davon halte ich nichts. Denn durch diese Beschränkung lernen die Schüler nicht, wie man sinnvoll mit dem Medium umgeht – das ist aber aus meiner Sicht das entscheidende Ziel von Medieneinsatz im Bildungskontext. Wir müssen Wege finden Schülerinnen und Schülern einen kritischen Umgang mit Medien beizubringen und sie darin schulen, sich aktiv mit den Risiken und Chancen ihrer medialen Umgebung auseinanderzusetzen. Da bringen weder Verbote etwas noch der Einsatz der Medien als Ersatz für Blatt, Papier oder Overhead-Projektor.

„Digitale und vor allem Soziale Medien werden als Freizeitmedium gesehen.“

Warum kommt der richtige Medieneinsatz aus ihrer Sicht aktuell noch zu kurz?

Auf der einen Seite gibt es sicherlich einen Generationenkonflikt zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern. Lehrer sind eben nicht in der digitalen Welt groß geworden und schrecken daher eher vor den Themen zurück. Politisch ist es so, dass es schnell und einfach ist, Technik zur Verfügung zu stellen, während eine pädagogische und wissenschaftliche Auseinandersetzung viel länger braucht und schwieriger ist. Außerdem ist problematisch, dass die didaktische Planung oft hinter dem Tempo des technologischen Fortschritts hinterherhinkt.

Sie sind also für ein Fach Medienkompetenz?

Wenn man sich anschaut, wofür junge Menschen Medien nutzen, fällt auf, dass Informationsgewinnung relativ weit hinten kommt. Digitale und vor allem Soziale Medien werden als Freizeitmedium gesehen, dabei wäre es wichtig, ihnen den Umgang damit als Medium der professionellen Kommunikation und Informationsgewinnung beizubringen. Dies, die technische Vermittlung und vor allem kritische Medienkompetenz zu schulen, halte ich für wichtig und die Schule ist dafür der richtige Ort. Daher ist ein Fach Medienkompetenz sicherlich keine schlechte Idee. Allerdings könnte es auch eine Variante sein, diese Inhalte in unterschiedlichen Fächern stärker einfließen lassen. Vor allem auch, weil in jedem Fach andere medienspezifische Themen relevant und sinnvoll sind. Dann wäre Digitalisierung eine Art Leitthema, was sich durch die unterschiedlichen Fächer zieht. Wichtig ist aber vor allem das Thema nicht zu verteufeln, sondern offen damit umzugehen.

 

Zur Person

Olaf Kramer ist Professor für Rhetorik und Wissenskommunikation am Seminar für Allgemeine Rhetorik an der Eberhard Karls Universität Tübingen und geschäftsführender Direktor des Instituts sowie Leiter der Forschungsstelle Präsentationskompetenz des Projekts Jugend Präsentiert.

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