Welche Auswirkung haben diese Veränderungen auf unser Verhalten?
Technische Innovationen lösen immer neue Nutzungspraktiken aus. Ein Punkt, den ich sehr spannend finde, ist die universelle Verfügbarkeit von Information. Dadurch verändert sich beispielsweise die Notwendigkeit Wissen anzuhäufen und auswendig abrufbar zu haben. Da man Wissen jederzeit nachlesen kann, braucht Schulunterricht einem im Prinzip nicht mehr beizubringen, wie man Wissen auswendig lernt. Daher ist die Verschiebung hin zu kompetenzorientiertem Unterricht in der heutigen Zeit sinnvoll. Der Umgang mit Wissen verändert sich also durch digitale Medien grundlegend und dem müssen wir uns bewusst sein, vor allem im Kontext von Bildung.
Als Professor für Rhetorik und Wissenskommunikation beschäftigen Sie sich ja vor allem auch mit Sprache. Verändert der Einsatz digitaler Medien die Art unsere Kommunikation?
Wenn wir uns tatsächlich auf Sprache beziehen, hört man oft den Begriff der neuen Mündlichkeit. Damit ist gemeint, dass Sprache nicht mehr so stark reguliert ist und lockerer wird. Darüber hinaus haben wir aber auch eine neue Schriftlichkeit. Auch wenn ich in einem mündlicheren Stil schreibe, so schreibe ich doch und Internetkommunikation basiert stark auf geschriebenen Texten. Einst telefonierten Jugendlichen anstatt einen Brief zu schreiben, heute wird nun wieder überwiegend schriftlich kommuniziert und gechattet. Das ist natürlich eine interessante Entwicklung.
Gleichzeitig beobachten wir eine Verbildlichung von Sprache. Emoticons sind hier ein gutes Beispiel. Es werden also visuelle Elemente in einen Fließtext eingebunden, was eine neue Entwicklung ist. Auch die Autokorrekturfunktion bewirkt eine Veränderung, da die eigene Fähigkeit des korrekten Schreibens so an Bedeutung verliert. Zugleich äußern sich Menschen häufig in Formulierungen, die gar nicht von Ihnen stammen, weil der Autokorrekturmodus einem auch Vorschläge für bestimmte Wörter macht, die wir sonst vielleicht gar nicht nutzen würden. Auch hier hat die Digitalisierung also einen Einfluss auf den täglichen Sprachgebrauch. Allerdings halte ich die Weiterentwicklung von Sprache für vollkommen normal. Es gibt seit je her eine Tendenz zur Vereinfachung der Sprache, diese wurde lediglich im 19. Jahrhundert durch die Vereinheitlichung von Sprache und Grammatik in Büchern durchbrochen. Auch in diesem Bereich müssen die Schulen ansetzen und die Veränderungen an- und aufnehmen.